Die italienische Modeindustrie im Überblick

Zur italienischen Modeindustrie zählt die Produktion von Textilien, Bekleidung, Schuhen, Lederwaren, Brillen und Accessoires. Der Sektor ist nach der metallverarbeitenden Branche der zweitgrösste in der verarbeitenden Industrie und hat eine überwiegend weibliche Belegschaft.

Zahlen und Fakten:

  • 1990er Jahre: über 1 Million Angestellte; Start der Produktionsauslagerung in Billiglohnländer
  • 2007-2008: markante Einbussen im Zuge der Wirtschaftskrise, viele KMUs schliessen
  • 2007-2012: 80'000 Arbeitsplätze in der Bekleidungsindustrie gehen verloren, 8000 Firmen schliessen
  • Heute: Textil und Bekleidung ca. 430'000 Beschäftigte, ca. 50'000 Firmen (KUMs, durchschnittlich 8.5 Angestellte), Schuhe: ca. 80'000 Beschäftigte (Stand 2011)

Die Modeindustrie (Textilien, Bekleidung, Schuhe) ist vorwiegend in den folgenden 9 Regionen angesiedelt: Veneto, Lombardei, Emilia-Romagna, Toskana, Umbrien, Marche, Molise, Campania, und Ampulien.

Chinesische Parallel-Industrie

Vor allem in der Toskana (Prato) hat sich eine eigentliche Parallel-Industrie als billige Produktionsenklave innerhalb Italiens etabliert. Die Firmen agieren als direkte Lieferanten oder als Unterlieferanten für den Export. Sie zeichnen sich durch extreme Flexibilität und Kosteneinsparungen aus – und damit durch günstige, rasche Lieferungen.

Im Laufe der Jahre hat sich die Produktionsenklave von Heimarbeit bis hin zur Gründung zahlreicher Firmen entwickelt. Rund 3600 Fabriken in der Modeindustrie in Prato sind heute in chinesischem Besitz, rund 80% aller aktiven Firmen in der Bekleidungsindustrie in Prato werden von chinesischen Managerinnen und Managern geführt. Die Angestellten sind fast ausschliesslich Zugewanderte aus China. Heute lebt in Prato die zweitgrösste asiatische Exilgemeinschaft in Europa.

Ausbeuterische Arbeitsbedingungen

Die Arbeitsbedingungen sind kritisch: Es wird berichtet, dass viele Angestellte keine Aufenthaltsbewilligung haben (und dadurch extrem abhängig von ihrer Arbeitsstelle und anfällig für ausbeuterische Arbeitsbedingungen sind); dass die Angestellten nicht korrekt gemeldet werden. Von langen Arbeitszeiten oder Nachtarbeit ist die Rede; Barzahlung als Umgehung von Sozialversicherungsbeiträgen; mangelhafter oder gesundheitlich bedenklicher Unterkünfte in den Fabriken; etc. Beschwerden wurden allerdings vor allem laut, als chinesische Geschäftsleute versuchten, sich als Direktlieferanten zu etablieren. Das bedeutet konkret: Die chinesische Parallel-Industrie mit all ihren Schwierigkeiten und kritischen Arbeitsbedingungen wird von der Italienischen Modeindustrie toleriert, ja gar erwünscht – aber ausschliesslich als billige Unterlieferanten.

Im Dezember 2013 starben bei einem Fabrikfeuer in Prato 7 Personen, was die nationale und internationale Gemeinschaft aufrüttelte. Kontrollen durch Arbeitsinspektorinnen oder Auditoren bleiben aber schwierig, u.a. wegen Sprachproblemen oder mangelndem Vertrauen.

Auch in andern Regionen Italiens werden zunehmend chinesische und pakistanische Geschäftsleute in der Modeindustrie aktiv – z.B. in Campania oder in Riviere del Brenta. Viele asiatische Zugewanderte, die in den Fabriken arbeiten, sind zu prekarisierten Arbeitsbedingungen und Dumpinglöhnen angestellt.

Produziert wird auch für das Luxussegment, u.a. für Armani, Ferré, Valentino, Versace, Max Mara, Chanel, Dolce & Gabbana, Prada, Dior, oder Louis Vuitton.

Die Parallel-Industrie führt zunehmend zu einem Konflikt, da sie das Lohn- und Preisniveau aushöhlt und Diskriminierung fördert. Fabrikbesitzer monieren, dass ihre Produktionspreise gedrückt werden, sobald potentielle Auftraggeber sehen, dass sie es mit chinesischen Geschäftsleuten zu tun haben. Oder aber, dass Aufträge aus Angst vor Reputationsschäden nicht an chinesische Geschäftsleute vergeben werden. Auch nicht-chinesische Geschäftsleute beschweren sich, da die Dumpingpreise die Kosten massiv drücken.