Widersprüchlicher Roh­stoff­bericht: Keine Mass­nahmen trotz grossem Handlungs­bedarf

Am 26.2.2020 hat der Bundesrat einen Bericht zur «Aufsicht über die Rohstoffhandelstätigkeiten unter dem Blickwinkel der Geldwäscherei» veröffentlicht. Der Bericht geht auf ein Postulat des Ständerats zurück und soll die Frage klären, ob die «indirekte Aufsicht» der Banken in ihren Geschäften ausreichend ist, um Korruption und Geldwäscherei im Rohstoffhandel zu verhindern. Obwohl der Bundesrat darin unmissverständlich das «hohe Korruptionsrisiko» der Rohstoffhändler festhält, schlägt er keine wirksamen Massnahmen vor.

Im von ihr eingereichten Postulat bezieht sich die damalige CVP-Ständerätin Anne Seydoux-Christe auf den Bericht von 2015 über die nationale Beurteilung der Geldwäscherei- und der Terrorismusfinanzierungsrisiken (S.120): «Die Schweiz läuft Gefahr, von gewissen Akteuren des Rohstoffhandelssektors als Plattform zur Geldwäscherei benutzt zu werden. Dabei geht es zur Hauptsache um Gelder aus Korruptionshandlungen, die in Förderländern mit dem Ziel der Auftragsakquise begangen werden.»

Trotz dieser Analyse sah der Bundesrat schon damals keinen Handlungsbedarf, neue Massnahmen einzuführen. Vielmehr wurde – ebenso wie in nachfolgenden offiziellen Stellungnahmen zum Rohstoffhandel – ein Argument wiederholt, das die Banken und der Rohstoffsektor selbst immer wieder anführen: Die Transaktionen der Rohstoffhandelsunternehmen würden indirekt von den Banken, die sie finanzieren, beaufsichtigt. Im erwähnten Bericht heisst es dazu etwa, die Geldwäschereirisiken in diesem Sektor würden bei der Kreditgewährung «durch systematische Zusatzüberprüfungen gemindert, die die Banken zur Minimierung ihrer Finanz- und Reputationsrisiken durchführen» (S. 62).

Anlass zu diesem Postulat war eine Public Eye Recherche, welche 2017 aufdeckte, wie die Genfer Rohstoffhandelsfirma Gunvor sich über Mittelmänner und mit Korruptionszahlungen Erdölgeschäfte in der Republik Kongo sicherte. 2019 hat die Bundesanwaltschaft Gunvor in diesem Zusammenhang verurteilt. Wegen schwerer Mängel in der internen Organisation musste Gunvor 4 Millionen Franken Busse zahlen und zudem für eine Ersatzforderung von fast 90 Millionen Franken aufkommen. Dieser Fall war für die Fragestellung des Postulats insofern relevant, als er klar vor Augen führte, dass die beteiligten Banken die korrupten Geschäfte nicht hatten feststellen und verhindern können.

Mit der vorliegenden Analyse vertieft Public Eye die folgenden Aspekte des Berichts zur Beantwortung des Postulats Seydoux:

  1. Das grösste geldwäschereirelevante Risiko im Rohstoffhandel ist Korruption als Vortat.
  2. Die Wirksamkeit einer «indirekten Aufsicht» wird nicht überzeugend dargelegt.
  3. Wichtige Informationen fehlen und gravierende Probleme werden ignoriert.
  4. Die zahnlosen Massnahmen stehen in krassem Widerspruch zu den Kernpunkten der Analyse.

Weitere Informationen

  • Korruptionsrisiko erkannt

    Der Bundesrat anerkennt im Bericht eindeutig das hohe Korruptionsrisiko, dem der Rohstoffhandelssektor ausgesetzt ist. Die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) liefert dazu eindrückliche Zahlen: In den letzten zehn Jahren sind mehrere tausend Verdachtsmeldungen zu Rohstoffhandelstätigkeiten eingegangen. Allein die zwei grossen internationalen Korruptionsskandale der brasilianischen und venezolanischen Erdölgesellschaften (Petrobras und PDVSA) führten zwischen 2015 und 2018 zu über 1'500 gemeldeten Geschäftsbeziehungen.

    Für den Bericht wertete die MROS 367 Stichproben von Verdachtsmeldungen aus den Jahren 2016-2018 aus, welche die Rohstoffhandelstätigkeit und etwa 1,1 Milliarden Franken betrafen (Petrobras, PDVSA und andere «Laundromat-Fälle» ausgenommen). Das Resultat spricht für sich: In knapp mehr als der Hälfte der Verdachtsfälle (53%) stellte Korruption die mutmassliche Vortat zur Geldwäscherei dar (dies gegenüber 25% aller Verdachtsmeldungen im gleichen Zeitraum) und in 30% der verdächtigen Geschäftsbeziehungen war eine Schweizer Gesellschaft involviert. Als besonders risikoreich identifiziert die MROS laut dem Bericht den Handel mit fossilen Brennstoffen, der 85% der untersuchten Stichproben ausmachte. Der Bundesrat hält denn auch fest: «Rohstoffhändler [sind] einem hohen Korruptionsrisiko ausgesetzt» (S. 7).

  • Keine wirksame indirekte Aufsicht

    Aus dem Bericht geht auch klar hervor, dass es für die Schweizer Banken sehr schwierig ist, korrupte Geschäftsvorgänge beim Handel mit Rohstoffen zu erkennen. Die Analyse der MROS zeigt, dass die meisten Verdachtsmeldungen aufgrund externer Quellen (NGO-Berichte, Zeitungsartikel) ausgelöst werden. In über der Hälfte der Fälle war die Geschäftsbeziehung zum Zeitpunkt der Meldung schon aufgelöst worden. Nur neun der 367 MROS-Meldungen betrafen «operative Handelsunternehmen». «Von diesen neun Fällen wurde nur einer vom die Handelstätigkeit des Kunden finanzierenden Finanzintermediär gemeldet. Dies zeigt, wie selten Verdachtsmeldungen im Rohstoffhandel durch Banken sind, die diese Handelstätigkeit finanzieren» (S. 14).

    Zwei Drittel der Verdachtsmeldungen betrafen juristische Personen (41% Sitzgesellschaften gegenüber 24% operativ tätigen Gesellschaften - letztere sind zwar nicht immer selbst im Rohstoffhandel tätig). Neben Beratungs- oder Treuhandfirmen erwähnt der Bericht «Immobiliengesellschaften oder Pensionskassen, in die mutmasslich – meist durch Korruption – inkriminierte Gewinne aus der Rohstoffhandelstätigkeit eingezahlt wurden» (S. 7). Zudem haben sich Rohstoffhandelsunternehmen, die eigentlich als operativ eingetragen sind, als blosse Sitzgesellschaften herausgestellt. Daraus schliesst der Bundesrat, dass «der Finanzplatz Schweiz dem Geldwäscherisiko im Rohstoffhandel angesichts der Grösse dieses Sektors besonders ausgesetzt [ist], über die Banken wie über die Händler mit Sitz in der Schweiz» (S. 7f.).

    Die besonderen Herausforderungen zur Erkennung der Verdachtsfälle für die Schweizer Banken sind gemäss Bericht vielfältig: Der Rohstoffhandel beinhaltet komplexen Finanzstrukturen, mit einer Vielzahl von Beteiligten, in unterschiedlichen Staaten. Die hohen Handels- und Geldvolumen beim Rohstoffhandel machen es einfacher, illegale Geschäftspraktiken zu verschleiern, da schon leichte aber gleichwohl missbräuchliche Abweichungen vom marktüblichen Preis kaum ersichtlich sind. Zudem sind die geschäftsrelevanten Informationen im Rohstoffhandel – und damit ein Teil der Grundlage zur Erfüllung der geldwäschereirechtlichen Sorgfaltspflichten – den Banken nicht immer bekannt. Dies gilt namentlich bei der nicht-transaktionalen Handelsfinanzierung.

    Damit zeigt die Analyse des Bundesrats, dass eine indirekte Aufsicht durch die Banken das Geldwäscherei- und Korruptionsrisiko im Rohstoffhandel nicht adäquat mindern kann.

  • Fehlende Informationen und ignorierte Probleme

    Neben aussagekräftigen Aspekten der bundesrätlichen Analyse fehlen aber auch wichtige Informationen, und ganze Problembereiche, die den Befund des Berichtes noch verstärken würden, werden kaum oder gar nicht angesprochen.

    Fehlende Daten, die Public Eye nachliefert

    Der Bericht bringt so gut wie keine neuen Daten – einzig die erwähnten Analysen der Verdachtsmeldungen an die Meldestelle für Geldwäscherei sind neu und aussagekräftig. Explizit versagt hat der Bundesrat in Bezug auf die eindeutige Forderung des Postulats, im Bericht «soll geschätzt werden, wie hoch der Prozentsatz der Handelsgeschäfte ist, die von der Schweiz aus getätigt werden und Gegenstand einer Finanzierung durch die Banken sind.» Der Bericht begnügt sich mit einer Schätzung der Bankiervereinigung von 2013 über transaktionelle Handelsfinanzierungen und Schätzung eines Consulting-Unternehmens von 2017 über Kreditfinanzierungen.

    Public Eye analysierte die Daten, die in unserem Auftrag vom niederländischen non-profit Unternehmen Profundo erstellt wurden und auf einer umfassenden Recherche in Finanzdatenbanken beruhen.

    Der erste Befund: Die fünf grossen Schweizer Handelshäuser Glencore, Trafigura, Vitol, Mercuria und Gunvor haben zwischen 2013 und 2019 insgesamt 367,8 Milliarden USD Kredite erhalten. Der Anteil der Schweizer Banken betrug 4,7%; der Rest kam von internationalen Institutionen. Bei diesen greift die «indirekte Aufsicht» durch Banken, die der Schweizer Regulierung unterstellt sind, mit Sicherheit nicht (ausser, falls sie ihre Geschäfte über Schweizer Niederlassungen abwickeln).

    Zweiter Befund: Bei den Krediten in den letzten sechs Jahren haben Banken aus Singapur (18,6 Milliarden USD), angeführt von der DBS, die Schweizer Banken (17,3 Milliarden USD) als Hauptpartner der grossen Händler überflügelt. Von chinesischen und emiratischen Banken erhielten diese Firmen zusammen mehr als 21 Milliarden USD.

    Dritter Befund: Banken aus wenig regulierten Rechtsräumen spielen eine grosse Rolle. Mit insgesamt fast 11,4 Milliarden USD innerhalb des Jahres 2016 wurde die russische Bank VTB, die zu mehr als 60% vom Kreml kontrolliert wird, zum wichtigsten Geldgeber von Glencore. Damals ging es um den Kauf und Wiederverkauf von Anteilen am russischen Ölgiganten Rosneft. Zum Vergleich: UBS und Credit Suisse haben Glencore in den letzten sechs Jahren «nur» 2,88 Milliarden USD und 2,35 Milliarden USD geliehen. Ein weiterer fragwürdiger Partner ist die Zentralbank von Libyen, die mit vier der fünf grossen Händler zusammenarbeitet. Ebenso fällt der Aufstieg von Banken aus Mauritius auf, die für ihre Intransparenz bekannt sind.

    Bei diesen Krediten handelt es sich um Rahmenkredite, die zu einem Teil von Syndikaten einer Vielzahl von Banken vergeben werden. Den Rohstoffhändlern steht völlig frei, welche Geschäfte sie mit diesen Geldern tätigen. Es ist den Banken deshalb auch nicht möglich, die Korruptionsrisiken einzelner Transaktionen abzuschätzen. Hinzu kommt der grosse Anteil von Banken, die nicht der Schweizer Regulierung unterliegen und teilweise in Regulierungsoasen angesiedelt sind.

    Transaktionen ohne Banken

    Rohstoffhandelsfirmen können auch ganz auf Banken verzichten, so bei sogenannten «Swaps», bei denen Rohöl gegen raffinierte Produkte getauscht wird. Swaps erfordern keine Bankkredite und die postulierte «indirekte Aufsicht» würde auch in diesem Fall mit Sicherheit nicht greifen. Nur Glencore und Trafigura berichten jährlich über diese Transaktionen. Glencore veröffentlicht aggregierte Daten. Demnach wurde in den letzten fünf Jahren Rohöl im Wert von rund 3 Milliarden USD getauscht. Trafigura berichtet nur über Swaps mit Nigeria. Seit 2013 hat das Unternehmen Rohöl im Wert von 5,5 Milliarden USD erhalten und Benzin und Kerosin im Wert von fast 3 Milliarden USD geliefert. Interessant dabei: Trafigura hatte Ende 2014 verkündet, dass sie ihre Swaps mit der staatlichen Ölgesellschaft beendet habe.

    Rohstoffhändler als Banken

    In den letzten Jahren haben die grossen Rohstoffhandelsfirmen auch eigentliche Bank-Tätigkeiten entwickelt. Damit verschärft sich die Problematik: Nicht nur gibt es mit Sicherheit keine indirekte Aufsicht durch die regulierten Finanzintermediäre - die Rohstoffhändler üben sogar dieselben Tätigkeiten aus wie Banken, sind aber im Gegensatz zu letzteren keiner Regulierung unterworfen. Dies betrifft Vorfinanzierungen an Regierungen oder Staatsbetriebe in den Förderländern und Kredite an andere Rohstoffhandelsfirmen.

    Der Bericht des Bundesrates stellt fest, dass «vorfinanzierte Geschäfte [im Bereich des Rohstoffhandels] insgesamt marginal sind» (S. 5). Dieser erklärten Bedeutungslosigkeit widerspricht jedoch eine wichtige Vertreterin des Rohstoffhandelssektors. Trafigura bezeichnet diese in ihrer Broschüre «Prepayments Demystified» (2020) als «more essential than ever» (S. 4).

    Die Praxis der Vorfinanzierung kann jedoch auch angesichts der Höhe der Beträge als alles andere als marginal bezeichnet werden. Die Summe der beiden Kredite, die Glencore Tschad in den Jahren 2013 und 2014 in Form einer Vorfinanzierung gewährt hat, beträgt fast 2 Milliarden USD. Die von Trafigura gewährten Vorfinanzierungen stiegen seit 2013 stark an und erreichten 2019 einen Betrag von 5 Milliarden USD. Diese Transaktionen sind intransparent: Sowohl auf Seiten der Rohstoffförderländer, deren Regierungen nur selten angeben, wie die Verträge abgeschlossen wurden oder Einzelheiten über die Verwendung der Mittel liefern, als auch auf Seiten der Handelsfirmen. Diese sind in der stärkeren Position und profitieren von sehr günstigen finanziellen Bedingungen, zumeist zum Nachteil der Förderländer. Die Praxis der Vorfinanzierung ist aber nicht nur intransparent, sondern schwächt auch die Wirtschaft der ressourcenreichen Länder, indem sie insbesondere angesichts der Zinslast dieser Kredite deren oftmals sehr hohe Verschuldung aufrechterhält oder – schlimmer noch – erhöht.

    Public Eye hat gezeigt, wie die von Gunvor an die Regierung der Republik Kongo gewährte Vorfinanzierung zur Veruntreuung der kongolesischen Öleinnahmen beigetragen hat. Der Fall Gunvor zeigt deutlich, dass die indirekte Aufsicht durch die Banken nicht wirksam ist. Zum einen hat die Bank, die einen Teil der Vorfinanzierung bereitgestellt hatte, diese Operationen nicht für problematisch befunden. Zum anderen finanzierte Gunvor den anderen Teil der Transaktionen selber, agierte also als Bank.

    Die Rohstoffhändler können auch dann an die Stelle von Banken treten, wenn sie andere Rohstoffunternehmen finanzieren. Marco Dunand, CEO von Mercuria, bestätigte diesen Trend 2018 gegenüber der Zeitung Le Temps: «Wir verfügen über Milliarden von Kreditlinien, die es uns ermöglichen, unsere eigenen Transaktionen und, unter strengen Bedingungen, auch die von Dritten zu finanzieren.» Diese «strengen Bedingungen» werden nicht weiter beschrieben. Auf jeden Fall sind sie jedoch selbst auferlegt, sprich: freiwillig und unverbindlich. Zumindest solange, wie die Händler keiner speziellen Aufsichtsbehörde oder Gesetzgebung unterstellt sind.

  • Wirkungslose bisherige und zahnlose neue Massnahmen

    Der Bericht enthält ein Kapitel zu «Andere vorbeugende Massnahmen und Instrumente». Der Verdacht liegt nahe, dass hier alles mögliche aufgeführt wird, weil die indirekte Aufsicht angesichts der anerkannten Risiken offensichtlich nicht genügt.

    Die Aktualisierung einer SECO-Broschüre («Korruption vermeiden») kann ja schwerlich als wirksame vorbeugende Massnahme bezeichnet werden. Andere der Massnahmen in diesem Kapitel sind entweder für den Rohstoffhandel nicht wirksam oder sie haben gar nichts mit Korruption zu tun.

    Im Bericht wird zwar die «Transparenz der Zahlungen an Regierungen» als wichtiges Instrument «zur Bekämpfung von Geldwäscherei und Korruption» (S. 13) erwähnt, nur haben es der Bundesrat und das Parlament ja gerade versäumt, dieses wichtige Instrument für den Rohstoffhandel verpflichtend zu machen. Das Parlament korrigierte immerhin soweit, dass es dem Bundesrat im Rahmen einer Delegationsnorm die Kompetenz gab, dies in Zukunft noch nachzuholen, falls andere Handelsplätze mitziehen. Statt eine Massnahme zu erwähnen, die auf Wunsch des Bundesrates gerade nicht zur Anwendung kommt, hätte er in diesem Bericht sagen sollen, welche Schritte er unternimmt, damit es zu einem international koordinierten Vorgehen für Transparenzpflichten auch für den Rohstoffhandel kommt.

    Geradezu ohne Bezug zur Problematik des Berichts ist der «Leitfaden zur Umsetzung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte», den der Bundesrat als vorbeugende Massnahme anführt. Der Leitfaden, an dessen Erarbeitung auch Public Eye beteiligt war, zielt in keiner Weise auf die Korruptionsbekämpfung ab. In den Leitprinzipien, zu deren Umsetzung er dient, kommt das Thema überhaupt nicht vor. Obwohl der Bundesrat die Problematik der Korruption im Rohstoffhandel als Vortat für Geldwäscherei anerkennt und zwischen den Zeilen durchaus klar wird, dass es keine wirksame indirekte Aufsicht gibt, fehlen jegliche überzeugenden Massnahmen.

    Vielmehr fügt der Bundesrat an, dass das geltende Recht in Übereinstimmung mit den internationalen Standards ist, dass die Schweiz bei der Umsetzung der internationalen Korruptions- und Geldwäschereibekämpfungsstandards gar eine Vorreiterrolle einnehme. Dabei verkennt der Bundesrat, dass er sowohl im Rahmen der Länderüberprüfung durch die Groupe d’action financière (GAFI), die Staatengruppe des Europarates gegen Korruption (GRECO) oder die OECD jeweils neben Lob auch viel Kritik einstecken muss. Die von der GAFI festgestellten Mängel im Dispositiv zur Geldwäschereiabwehr führten dazu, dass sich die Schweiz im sogenannten «Enhanced Follow-up-Prozess» befindet und der Bundesrat eine Vorlage zur Revision des Geldwäschereigesetzes dem Parlament unterbreitete. Die OECD Working Group on Bribery kritisierte im Rahmen der letzten Überprüfung namentlich den fehlenden Whistleblowerschutz sowie die tiefe Sanktionsdrohung der Unternehmensstrafbarkeit. Gerade letztere hat der Bundesrat im vorliegenden Bericht als wirksame Abschreckung zur Verhinderung von Korruption und Geldwäscherei bezeichnet - und widerspricht damit der Feststellung im OECD-Bericht.

    Fünf neue zahnlose Massnahmen

    Als erste der bloss fünf neuen Massnahmen formuliert der Bundesrat lediglich seine Erwartung, dass alle Akteure „nicht rechtsverbindliche Instrumente“ umsetzten. Und nennt als einziges Beispiel den oben erwähnten Leitfaden, der ja gerade nichts mit Korruptionsbekämpfung zu tun hat.

    Die weiteren vier Massnahmen bringen auch nicht mehr. So sollen weitere freiwillige Richtlinien – diesmal tatsächlich zu Korruption – erarbeitet werden. Es gibt aber schon lange etliche derartige Empfehlungen, etwa die OECD Good Practice Guidance oder die Regeln zur Korruptionsbekämpfung der internationalen Handelskammer. Diese werden aber offensichtlich freiwillig nicht umgesetzt. Bankenseitig soll das System der Verdachtsmeldungen überprüft werden und «wenn nötig» angepasst werden. Die letzten beiden Massnahmen beinhalten nicht mehr als die Teilnahme an ohnehin laufenden internationalen Diskussionen.

    Dass dabei auch das OECD-Länderexamen genannt wird, ist aber pikant. So forderte der Bericht zur letztmaligen derartigen Überprüfung doch die Schweiz auf, «stärkere Strafverfolgungsmassnahmen sowie Massnahmen zur Verhinderung der grenzüberschreitenden Korruption in den am meisten gefährdeten Sektoren zu ergreifen», was «insbesondere den Rohstoffhandel [betrifft], der einer angemessenen und verbindlichen Regulierung unterliegen sollte».

    Hätte es noch weitere Beweise für das besonders hohe Korruptionsrisiko im Rohstoffhandel gebraucht, dann lieferte sie das Jahr 2019: Von den sechs grössten Rohstoffhändlern – wurde eines (Gunvor) wegen Korruption verurteilt, die Büros von zwei anderen (Vitol und Trafigura) durch die Bundesanwaltschaft auf Ersuchen der brasilianischen Kollegen durchsucht und gegen ein weiteres (Glencore) eröffnete die britische Anti-Korruptionsbehörde (SFO) jüngst ein Strafverfahren. Zudem führen auch US-Justizbehörden, namentlich das Justizministerium und die Commodity Futures Trading Commission (CFTC), Untersuchungen wegen Korruption gegen Glencore. Sowohl aus Brasilien wie auch aus den USA ist zu vernehmen, dass noch in diesem Jahr mit einem Abschluss der Strafverfahren zu rechnen ist. Und in der Schweiz? Die Bundesanwaltschaft führt nach ihrem Vernehmen bereits Strafuntersuchungen im Bereich des Rohstoffsektors durch, vorerst noch gegen Unbekannt.

Nachdem sich der Bundesrat auch angesichts dieser laufenden Verfahren ein weiteres Mal weigert, in seinem Bericht wirksame Massnahmen zur Verhinderung von Korruption im Rohstoffhandelssektor vorzuschlagen, sollte nun das Parlament als Gesetzgeberin solche ergreifen. Public Eye hat mit dem Vorschlag für eine Rohstoffmarktaufsicht ROHMA gezeigt, wie eine solche Aufsicht für klare Regeln sorgen und fehlbare Unternehmen sanktionieren könnten.