Bisher unveröffentlichte Dokumente Wie Gunvor in Ecuador ein Jahrzehnt der Korruption in Gang setzte

Am 1. März wurde der Genfer Rohstoffhändler in der Schweiz und den USA für schuldig befunden, ecuadorianische Beamte bestochen zu haben, um zwischen 2013 und 2020 Erdöl unter Marktwert zu erwerben. Nicht belangt wurden gemäss unseren Informationen jedoch die Köpfe hinter diesen Bestechungen. Bisher unveröffentlichte Dokumente, die Public Eye vorliegen, zeigen, dass ein sehr hoher Kader von Gunvor bei der staatlichen Petroecuador intervenierte, um den Abschluss der Erdölverträge zu ermöglichen.

Der Ton ist ungezwungen und direkt. «Hallo, mein Bruder, wie gehts?» Pablo Celi kennt José Agusto Briones, den er liebevoll Pepin nennt, seit Jahren. Die beiden Freunde, beide hochrangige Beamte in Ecuador, tauschen sich regelmässig über WhatsApp zu sensiblen Themen aus. Meistens geht es um Petroecuador, die staatliche Ölgesellschaft, deren Interessen sie im Dienste der Nation verteidigen sollen. Am 7. April 2021 dreht sich das Gespräch jedoch um die Verteilung illegaler Provisionen: «Wer bei Petro[ecuador] hatte deiner Meinung nach mit der Verteilung der Gelder von Gunbor [sic] zu tun, als du Minister warst?» Es folgte eine Offline-Unterhaltung, von der wir nichts erfahren werden.

Der Wirtschaftsprüfer von Petroecuador, Pablo Celi (in Grün), und der ehemalige Energieminister, José Agusto Briones «Pepin» (in weiss), diskutieren ganz offen über versteckte Provisionen, die «Gunbor» (sic) an Beamte von Petroecuador gezahlt hat.

Pablo Celi schreibt den Namen des Genfer Händlers falsch, wie es die meisten spanischsprachigen Menschen tun würden, da der Unterschied zwischen den Buchstaben «v» und «b» nicht immer trennscharf ist. Für den ehemaligen Wirtschaftsprüfer von Petroecuador sind andere Dinge relevanter. Zusammen mit José Agusto Briones, ein hoher Staatsbeamter und bis März 2020 Energieminister, waren die beiden Männer wichtige Rädchen im Getriebe der Korruption in Ecuador. Sie wissen es zum Zeitpunkt ihrer Unterhaltung noch nicht, aber die Zukunft wird für sie unangenehme Überraschungen bereithalten.

Eine Woche später wird José Agusto Briones in Untersuchungshaft genommen. Am 23. Mai 2021 wird er tot in seiner Zelle aufgefunden. Offizielle Todesursache: Selbstmord. Pablo Celi wird ebenfalls verhaftet und im Februar 2023, im Zusammenhang mit dem Las-Torres-Skandal zu 13 Jahren Haft verurteilt. Dieser aufsehenerregende Fall von Geldwäscherei hatte zwar nichts mit Gunvor zu tun, brachte aber unter anderem den Nachrichtenaustausch ans Licht, von dem Public Eye eine Kopie erhalten hat. Der Fall bietet somit einen interessanten Einblick in die Korruption, die in den ecuadorianischen Institutionen allgegenwärtig ist.

Ab 2021 sollte es jedoch noch drei Jahre dauern, bis die illegalen Machenschaften von Gunvor, die innerhalb der ecuadorianischen Elite anscheinend ein offenes Geheimnis waren, ans Tageslicht kamen. Der Schweizer Rohstoffhändler wurde von der US-amerikanischen und der Schweizer Justiz in die Ecke getrieben und musste schliesslich ein Geständnis ablegen: Er gab zu, zwischen Januar 2013 und Januar 2020 nicht weniger als 91,8 Millionen US-Dollar an Zwischenhändler gezahlt zu haben, um Rohöl unter dem Marktpreis zu erhalten – im Wissen, dass ein Teil dieser Gelder für die Bestechung von Angestellten von Petroecuador eingesetzt wurde. Die Zahlungen dieser Bestechungsgelder wurden zum Teil über den Schweizer Finanzplatz abgewickelt. Das US-Justizdepartment gab am 1. März 2024 bekannt, dass es gegen den Genfer Ölhandelsriesen eine Geldstrafe in Höhe von 661 Millionen US-Dollar verhängt hat. 

Die Bundesanwaltschaft befand das Unternehmen aufgrund von Organisationsmängeln gemäss Art. 102 des Strafgesetzbuchs für schuldig.

Es handelt sich dabei um den einzigen Artikel im Schweizer Strafgesetz, der es erlaubt, ein Unternehmen anstelle einer natürlichen Person zu verurteilen. Die Strafverfolgungsbehörden konnten korrupte Zahlungen in Höhe von 7,5 Millionen US-Dollar zurückverfolgen. Die Bundesanwaltschaft hat Gunvor eine Busse von 4,3 Millionen Franken sowie die Zahlung einer Ersatzforderung von 82,3 Millionen Franken auferlegt; sie begnügt sich somit mit einem Teil des Gewinns von 384 Millionen US-Dollar, den Gunvor mit den durch Korruption erzielten Verträgen erzielt hat. 

Für Gunvor ist dies ein flagranter Rückfall. Denn zu dieser Zeit ermittelte die Schweizer Justiz bereits wegen Zahlung von Bestechungsgeldern in der Republik Kongo und der Elfenbeinküste im Zusammenhang mit Ölgeschäften (was im Oktober 2019 zu einer Verurteilung führte). Gleichzeitig war der Rohstoffhändler also mit sehr ähnlichen Praktiken in Ecuador beschäftigt. Wir zeigen, wie die Bestechung funktioniert.

© Johis Alarcón/Panos

Schritt 1: Ein Land in Bedrängnis anvisieren

Gunvor wurde im Jahr 2000 gegründet und galt anfangs als ein vom Kreml beeinflusstes Unternehmen, das hauptsächlich russisches Öl kaufte. Der Oligarch Gennadi Timtschenko, ein enger Vertrauter von Wladimir Putin, war einer der beiden Gründer. Auf der Suche nach Diversifizierung wandte sich der Händler nach und nach anderen Kontinenten zu, darunter Lateinamerika, wo mit der Wahl politisch linksgerichteter Staatsoberhäupter ein neuer Wind wehte. In Ecuador übernahm Rafael Correa im Januar 2007 das Amt des Staatspräsidenten. Der junge Wirtschaftswissenschaftler versprach, mit dem US-Imperialismus und der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen durch dessen multinationalen Konzerne aufzuräumen.

Gunvor hat wenig Spielraum bei seinen Geschäften. Das Unternehmen verkörpert genau die Sorte von Zwischenhändlern, die Rafael Correa loswerden will. Darüber hinaus müssen private Unternehmen, um Ölverträge zu erhalten, ein von Petroecuador organisiertes Ausschreibungsverfahren durchlaufen. Diese Wettbewerbe stehen allen Handelshäusern offen und sollen den bestmöglichen Preis für das im ecuadorianischen Amazonasregenwald geförderte Öl garantieren. Gunvor fand jedoch schnell ein Schlupfloch, wie Public Eye in einer im Juni 2021 veröffentlichten Recherche aufzeigte.

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Recherche von Public Eye (2021): «Wie Gunvor das Amazonasgebiet plündert»

Ecuador, dem es damals an Kapital fehlt  und das unter Beobachtung der grossen internationalen Gläubiger steht, nähert sich China an, um Zugang zu Geld zu erhalten. Am 27. Januar 2009 wurde ein erster sogenannter Vorfinanzierungsvertrag mit der staatlichen Ölgesellschaft PetroChina unterzeichnet. Diese verpflichtet sich, Petroecuador für die Lieferung von Rohöl in den darauffolgenden 24 Monaten 1 Milliarden US-Dollar vorzuschiessen. Zinssatz: 7,25% – ein Satz, der weit über dem liegt, was der Internationale Währungsfonds oder die Weltbank anbieten, jedoch den Vorteil hat, dass er nicht an Strukturreformen geknüpft ist.

Zu dieser Art von Abkommen, die im Rahmen einer «strategischen Allianz» zwischen befreundeten Ländern geschlossen wurden, kam es unter den Regierungen von Rafael Correa und seinem Nachfolger Lenín Moreno noch 16 Mal, teils mit den chinesischen Staatsunternehmen PetroChina und Unipec und teils mit ihrem thailändischen Pendant PTT International Trading (mit Sitz in Singapur). Zwischen 2009 und 2016 erhielt Ecuador Kredite in Höhe von astronomischen 18,47 Milliarden US-Dollar und verpflichtete sich, bis 2024 unglaubliche 1’325 Millionen Barrel Rohöl an diese asiatischen Unternehmen zu liefern. In Wirklichkeit ist diese besondere Beziehung zwischen den blockfreien Staaten jedoch eine Dreiecksbeziehung. 

Hinter den Kulissen steuern Gunvor, aber auch andere (Schweizer) Händler wie Vitol und Trafigura die Geschäfte,

indem sie sich diese Öllieferungen zu «Freundschaftspreisen» unter den Nagel reissen und manchmal sogar selbst die Vorfinanzierungen für Ecuador bereitstellen.

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Schritt 2: Auf die richtigen Leute setzen

Um den ecuadorianischen Markt zu erschliessen, sicherte sich Gunvor zunächst die Expertise eines Experten mit einem gut gefüllten Adressbuch: Raymond K., ein kanadischer Veteran, der in ganz Lateinamerika vernetzt zu sein scheint. Er ist seit Jahren in Ecuador tätig und war unter anderem verantwortlich für das OCP-Konsortium, das eine Pipeline im Auftrag der grossen Ölproduzenten betreibt, oder für die US-amerikanische Occidental Petroleum Corporation, welcher der frühere Staatspräsident Rafael Correa die Konzession entzogen hatte.

Raymond K. bewegt sich in Ecuador wie ein Fisch im Wasser und kommt 2009 offiziell zu Gunvor. Dort bleibt er bis April 2018 und ist dann bis August 2020 noch als Berater für den Konzern tätig. In seinem Adressbuch stehen die Namen Antonio und Enrique Peré, zwei ecuadorianisch-spanische Brüder, die sich auf «Consulting» in Sachen Erdöl spezialisiert haben und in Miami auf grossem Fuss leben. 

Über diese beiden Mittelsmänner, die ab 2012 Verträge mit Gunvor abgeschlossen hatten, nimmt die Zahlung von Schmiergeldern an ecuadorianische Beamte industrielle Dimensionen an.

Schritt 3: Staatliche Scheinfirmen nutzen

Die Kreativität von Gunvor zeigt sich jedoch vor allem bei der Umgehung von Vergabeverfahren. Um die Barrels unter dem Markpreis zu erhalten, gelingt es dem Handelshaus, eine Allianz mit den Verkaufsfilialen staatlicher asiatischer Ölgesellschaften einzugehen. Diese unterzeichnen mit Petroecuador erste Verträge und treten danach mit neuen Verträgen dieselbe Ware zu ähnlichen Bedingungen (gleiche Mengen und gleicher Preis) wieder an Gunvor ab. Sie überlassen es auch Gunvor, den Transport zu organisieren. Im Fachjargon werden solche Abmachungen als «Back-to-Back»-Verträge bezeichnet. Anstatt das Rohöl zur Raffinierung nach Asien zu transportieren, wird es von Gunvor zu Häfen in den USA oder in Peru verschifft. 

Public Eye konnte sich Kopien der Bills of Lading für die Lieferungen von ecuadorianischem Öl nach Peru zwischen 2011 und 2020 beschaffen; die Reedereien stellen solche Dokumente zuhanden der Auftraggeber aus und geben darin die Art, die Menge und den Bestimmungsort der Waren an. In diesem Zeitraum übernahm Gunvor mindestens 74 Ladungen der chinesischen Unipec oder später von PTT International Trading. Die Genfer Filiale der Bank ING Belgium finanzierte in fast der Hälfte der Fälle die Ladungen. Auf Anfrage antwortet ING, «keine Kommentare zu bestimmten Situationen oder potenziellen Kunden» abgeben zu können.

Offiziell kauft die Tochtergesellschaft des thailändischen Staatsunternehmens PTT International Trading das Öl von Petroecuador. Die Ladung von mehr als 342’000 Barrel Rohöl wird aber am 20. Februar 2017 dem Genfer Händler Gunvor geliefert.

PTT International Trading, die in den 2000er Jahren in Singapur registriert wurde, sollte man sich näher anschauen. Offiziell ist sie eine Tochtergesellschaft der staatlichen thailändischen Ölgesellschaft PTT. Inoffiziell hat sie schlicht die Rolle eines Zwischenhändlers. Die US-Justiz bestätigt, dass PTT International Trading im Rahmen des Schuldanerkennungsabkommens mit Gunvor als «Front» identifiziert wurde, eine Scheinfirma, die von Gunvor benutzt wurde, um das übliche Vergabeverfahren zu umgehen und die Zahlung von Schmiergeldern zu ermöglichen. «Dies ist eine ziemlich gängige Praxis», sagt ein Insider. «Es kommt oft vor, dass ein privater Händler eine solche Firma benötigt, um einen Deal in Ländern abzuschliessen, die Verträge mit staatlichen Strukturen bevorzugen. Oder um Ausschreibungen zu umgehen.» 

Nach unseren Informationen unterhielt diese unauffällige Firma ausgezeichnete Beziehungen zu einem hochrangigen Kader bei Gunvor. 

Public Eye ist im Besitz eines offiziellen Schreibens von Gunvor an Petroecuador vom 2. Februar 2015, das von Stéphane D., dem damaligen Rohölmanager für den asiatisch-pazifischen Raum, unterzeichnet ist. Der Manager, der heute einer der höchsten Positionen bei Gunvor in Genf bekleidet, empfiehlt PTT International Trading PTE als seriöses Unternehmen. In dem Dokument mit dem Titel «Trade Reference» heisst es: 

«Das Unternehmen hat sich in seiner Beziehung zu uns als zuverlässig erwiesen und hat sich in dieser Zeit einen guten Ruf im Kauf und Verkauf von Rohöl erarbeitet. Gunvor ist seit sechs Jahren mit dem Alltagsgeschäft des Unternehmens vertraut.»

 

Dokumente, die Public Eye vorliegen, belegen, dass ein hochrangiger Gunvor-Manager direkt bei Petroecuador intervenierte, um der Firma PTT International Trading zu empfehlen - die als Scheinfirma in dem korrupten Geflecht fungieren sollte.

Stéphane D. wurde 2007 von Gunvor angestellt. Eine Quelle fügt hinzu, dass der Manager, der früher für den Erdölhändler Addax in Genf arbeitete, zusammen mit einem seiner Mitarbeiter bereits gute Beziehungen zu diesem Unternehmen aufgebaut hatte. Das Tandem soll diesen wertvollen Kontakt mitgebracht haben. 

Unter der Schirmherrschaft von Gunvor wurde PTT International Trading schliesslich in den Käuferpool von Petroecuador aufgenommen. Ende Juni 2015 unterzeichnete die Firma einen ersten Vertrag mit der ecuadorianischen Ölgesellschaft und am 1. Dezember 2016 einen zweiten, der uns in Kopie vorliegt. Die verhältnismässig kleine Firma aus Singapur erhielt das Recht, zwischen 2017 und 2021 mehr als 122 Millionen Barrel Rohöl zu heben, was 341 Frachtern entspricht. Letztendlich wird Gunvor das gesamte Öl erhalten und vermarkten, indem der Konzern die Ware dank einem «Back-to-Back»-Vertrag, der gleichentags unterzeichnet worden war, zurückerhalten wird. 
 

Auszug aus dem Vertrag zwischen Petroecuador und PTT vom 1. Dezember 2016 über die Lieferung von 122'760'00 Barrel Rohöl zwischen Januar 2017 und Dezember 2021. Ein «Back-to-back»-Vertrag mit PTT erlaubt es Gunvor, diese Mengen zum gleichen Preis wieder zu übernehmen, als Rückzahlung eines Darlehens von 600 Mio. $ von Gunvor selber an Petroecuador.

Schritt 4: Eine Runde spendieren

Vertraglich müssen diese Millionen Barrel geliefert werden, um einen Kredit in Höhe von 600 Millionen US-Dollar, der Petroecuador gewährt wurde, über fünf Jahre zurückzuzahlen. Wer ist der grosszügige Geldgeber? In dem Strafbefehl der Bundesanwaltschaft, den wir eingesehen haben, wird der Händler Gunvor genannt, der wahrscheinlich seine Banken mobilisiert hat, um eine solche Summe vorzuschiessen. Die Ermittlungen in den USA ergaben, dass Gunvor zwischen 2009 und 2020 hinter den Kulissen dafür sorgte, dass Petroecuador Vorfinanzierungen in Höhe von 5,4 Milliarden US-Dollar im Austausch für Millionen von Barrel erhielt.

Der Strafbefehl gegen Gunvor besagt, dass Nilsen Arias, Leiter des internationalen Handels bei Petroecuador, der kürzlich in einem aufsehenerregenden Prozess in New York aussagte, direkt an den Verhandlungen und der Vergabe» der zwei Verträge zwischen Petroecuador und PTT International Trading beteiligt war. Ebenso bei drei anderen Verträgen mit Unipec, die Gunvor ebenfalls sämtliche Barrels einbrachten. Laut der Schweizer Justiz hat Arias während der Verhandlungsphase zwischen Petroecuador und den beiden asiatischen Unternehmen vertrauliche Informationen an die Gunvor-Gruppe weitergegeben. Der ecuadorianische Beamte hatte dafür ein grosses Dankeschön erhalten und zwischen Februar 2013 und Februar 2017 insgesamt 7,4 Millionen US-Dollar kassiert.

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Die Peré-Brüder waren für die Verteilung der Bestechungsgelder verantwortlich und fungierten als Transmissionsriemen zwischen Raymond K. und allen Beamten, die sich dem ecuadorianischen Öl in den Weg stellten. Ihre beiden Offshorefirmen  Energy Intelligence & Consulting und Oil Intelligence unterzeichneten mehrere «Service Agreements» mit der Filiale der Gunvor-Gruppe in Singapur. Zwischen Januar 2013 und Januar 2020 erhielten die beiden auf den britischen Virgin Islands registrierten Offshorefirmen die bereits erwähnten 91,8 Millionen US-Dollar für ihre Dienste, die darin bestanden, den Abschluss von Ölverträgen zu erleichtern und einen Teil dieses Geldes zur Bestechung ecuadorianischer Beamter zu verwenden.

Sie verfügten u.a. über ein Konto bei der UBS in Zürich, das auf den Namen der Energy Intelligence & Consulting lautete. Von Januar 2013 bis August 2014 wurden von Gunvor Singapur in 23 Überweisungen fast 11 Millionen US-Dollar auf dieses Konto eingezahlt. Davon wurden 1,7 Millionen in zehn Raten auf das Konto einer mit Nilsen Arias verbundenen Firma auf Curaçao überwiesen. Der hochrangige Angestellte von Petroecuador erhielt auf sein Konto 562’000 US-Dollar in sieben Raten von der UBS Zürich, die über eine panamaische Firma der Brüder Peré weitergeleitet wurden. Seine Frau wurde mit fast 230’000 Dollar belohnt, die ebenfalls in Panama direkt aus der Schweiz überwiesen wurden.  Diese Bestechungsgelder wurden zwischen Februar 2013 und Oktober 2014 bezahlt. 

Kontaktiert durch Public Eye lehnte die UBS eine Stellungnahme ab.

In seinem Notizbuch notierte Antonio Peré gewissenhaft alle Schmiergeldzahlungen. Von Banküberweisungen über Panama bis hin zu Bargeldlieferungen in grossen Hotels vor Ort und einer Uhr von Patek Philippe im Wert von 70’000 US-Dollar, die Nilsen Arias im Namen eines Gunvor-Mitarbeiters offeriert wurde. Dieses Büchlein wurde von der Justiz beschlagnahmt und ermöglicht einen umfassenden Blick auf die Korruption in Ecuador. Bei seiner Anhörung vor der US-Justiz wurde Antonio Peré gefragt, ob er jemals einem Kunden geholfen habe, einen Vertrag mit der Regierung ohne Bestechung zu erhalten: «Ich bin mir nicht sicher», antwortete er. «Ich kann mich an keinen solchen Fall erinnern». Nilsen Arias, den Antonio liebevoll «Mi gordo» (mein Dicker) nennt, gibt an, dass er 13,5 Millionen US-Dollar von Gunvor und seinen Konkurrenten Vitol oder Trafigura erhalten habe. Die Konkurrenten von Gunvor sollen in Ecuador die gleichen korrupten Netzwerke und Muster verwendet haben. 

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Schritt 5: Journalist*innen nicht trauen

Die Staatsanwälte des US-Justizministeriums, die von Fernando Villavicencio, einem ehemaligen Gewerkschafter bei Petroecuador, der zum Investigativjournalisten wurde, alarmiert worden waren, hatten seit 2012 gegen Gunvor und seine Netzwerke ermittelt. Aber erst Jahre später, im Februar 2018, gelingt es ihnen, Raymond K. durch die Vermittlung der Peré-Brüder, die bereits mit der US-Justiz zusammenarbeiten, in die Falle zu locken. Der Gunvor-Mittelsmann, der vom FBI in einem schicken Restaurant in Miami abgehört wurde, lässt sich zu einigen Indiskretionen über ecuadorianische Bestechungsgelder hinreissen. Zwei Jahre später legt er ein Geständnis ab. 

Public Eye hat Gunvor eine detaillierte Liste von 33 Fragen vorgelegt. Der Konzern hat diese nicht beantwortet, da die Frist zu kurz sei, und auf die entsprechenden Medienmitteilungen verwiesen. Gunvor pflege eine uneingeschränkte Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden; die eigene Compliance-Abteilung habe grosse Fortschritte gemacht. Gunvor erinnert daran, dass der Konzern seit 2020 nicht mehr mit externen Mittelsleuten zusammenarbeite und schreibt, dass keine der von der US-Justiz erwähnten Personen derzeit für Gunvor arbeitet. Zum Empfehlungsschreiben eines Kadermitarbeitenden heisst es: «Das Justizministerium hat nie erklärt, dass Herr X {Stéphane D.} ein Ziel seiner Ermittlungen ist oder gewesen ist. Die Behauptung oder Andeutung des Gegenteils wäre falsch und würde erneut strafrechtlich verfolgt werden.»

Für Ecuador hatten die Verträge von Gunvor katastrophale Folgen. 

Die Schulden des Landes sind seit dem Amtsantritt von Rafael Correa weiter gestiegen, während immer tiefer im Amazonas-Regenwald nach Rohöl gebohrt wird. Zwischen 2009 und 2016 musste Ecuador für die Rückerstattung seiner Kredite in Höhe von 18,47 Milliarden US-Dollar bluten.

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«Das vereinbarte Volumen zeigt, dass fünfmal mehr Öl eingesetzt wurde, als zur Deckung der Schulden wirklich erforderlich war», heisst es in einem Bericht der Prüfungskommission des ecuadorianischen Kongresses unter der Leitung von Fernando Villavicencio. Geschätzter Fehlbetrag zu Marktpreisen: fast 5 Milliarden US-Dollar. 

Der Journalist ging schliesslich in die Politik, wurde zwischen 2021 und 2023 Senator und kandidierte danach für das Amt des ecuadorianischen Präsidenten. Während einer politischen Kundgebung wurde Fernando Villavicencio am 9. August 2023 auf offener Strasse von Auftragskillern ermordet, was ein ganzes Land in einen Schockzustand versetzte. Der Zugang zu seinem Mobiltelefon war Gegenstand eines intensiven Machtkampfes in Ecuador, wo er vielen ein Dorn im Auge war. Mehr oder weniger freundlich gesinnte Personen kämpften um seine Geheimnisse und eine Kopie der Daten wurde schliesslich an das US-amerikanische FBI weitergeleitet. Dies könnte ein Auslöser für weitere Fälle sein, die ähnlich gelagert sind wie «Gunbor».

Recherche von Public Eye (2021): «Wie Gunvor das Amazonasgebiet plündert»