Der Zugang zu Impfstoffen ist wichtiger als die Geschäftsinteressen der Pharmakonzerne!

Viele Länder haben immer noch keinen Zugang zu Covid-19-Impfstoffen, deren Patente von einigen wenigen Pharmakonzernen gehalten werden. Der Bundesrat muss sich für einen breiten weltweiten Zugang zu Impfstoffen und Medikamenten gegen Covid-19 einsetzen und entsprechenden Druck auf die Pharmaindustrie ausüben – auch wenn dies deren Geschäftsmodell widerspricht. Dies ist die Kernforderung einer Petition, die heute von Amnesty International und Public Eye lanciert wurde.

In ihrer Petition fordern Amnesty International und Public Eye, dass die Schweiz vorübergehende Ausnahmen vom Schutz des geistigen Eigentums bei Covid-19-Behandlungen, -Tests und -Impfstoffen unterstützt. Die Petition ruft den Bundesrat zudem dazu auf, die Teilnahme von Schweizer Pharmaunternehmen an der Wissensaustausch-Plattform der Weltgesundheitsorganisation WHO zu fördern. Schliesslich fordert sie den Bundesrat auf, die mit den Pharmaunternehmen abgeschlossenen Verträge über den Kauf von Impfstoffen, die mit Steuergeldern bezahlt werden, öffentlich zu machen.

Ausnahmen vom Patentschutz

«Reiche Länder, darunter die Schweiz, haben mehr als die Hälfte des Impfstoffvorrats gekauft, obwohl sie nur 16% der Weltbevölkerung ausmachen. Demgegenüber ist in 100 Ländern noch keine einzige Person geimpft worden. Einer der Gründe dafür ist, dass es nur wenige Unternehmen sind, welche die Impfstoffe herstellen. Diese kontrollieren die Patente, während viele andere Unternehmen das Know-how hätten, ebenfalls Impfstoffe zu produzieren», sagt Pablo Cruchon, Verantwortlicher für die Covid-19-Kampagne bei der Schweizer Sektion von Amnesty International.

Deshalb sollte die Schweiz einer vorübergehenden Lockerung des Patentschutzes durch Ausnahmeregelungen vom TRIPS-Abkommen (Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums) zustimmen: «Diese Ausnahmeregelungen würden die Aufhebung von Patenten und des Schutzes des geistigen Eigentums von Covid-19-Behandlungen, -Tests und -Impfstoffen ermöglichen und deren Produktion durch weitere Hersteller, insbesondere im globalen Süden, erleichtern», so Pablo Cruchon.

Beitritt zur Wissensaustausch-Plattform der WHO

Im Mai 2020 gründete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den «Covid-19 Technology Access Pool (C-TAP)» mit dem Ziel, dass Pharmaunternehmen Daten und Wissen bündeln, die Produktionslizenzierung erleichtern und den Technologietransfer an andere potenzielle Hersteller beschleunigen können. Allerdings hat sich bisher kein einziges Pharmaunternehmen der Plattform angeschlossen. «Die Pharmakonzerne, welche die ersten Covid-19-Impfstoffe entwickelt haben, müssen ihre Forschung, ihr Wissen und ihre Technologie teilen. Dies würde es anderen pharmazeutischen Unternehmen ermöglichen, auf der Grundlage dieser Fortschritte aufzubauen und ihre eigene Impfstoffproduktion aufzunehmen oder zu beschleunigen», sagt Patrick Durisch, Verantwortlicher für Gesundheitspolitik bei Public Eye. Amnesty International und Public Eye fordern den Bundesrat somit auf, alles zu tun, damit die in der Schweiz ansässigen Pharmakonzerne dem C-TAP beitreten.

Zusätzliche Informationen

In einem am 9. März veröffentlichten Bericht untersucht Public Eye die Methoden, mit denen Pfizer, Roche und Novartis die Coronavirus-Krise systematisch zu ihrem Vorteil ausnutzen. Sie zeigt auch die Verantwortung der Schweiz und anderer reicher Länder bei der Unterstützung des Geschäftsmodells der Pharmakonzerne und der ungerechten Verteilung von Impfstoffen.

Empfehlungen von Amnesty International an die Regierungen zur temporären Lockerung des Patentschutzes im Rahmen des TRIPS-Abkommens bei der WTO

Informationen zum «Covid-19 Technology Access Pool (C-TAP)»

Mehr Infos hier oder bei:

Oliver Classen, Mediensprecher, 044 277 79 06,   

Gabriela Hertig, Expertin Gesundheitspolitik, 044 277 79 91,