Patentmissbrauch, Intransparenz, Preistreiberei: Wie das Coronavirus die Profitstrategien von Big Pharma entlarvt

Die Pandemie bringt das Geschäftsmodell, mit dem die pharmazeutische Industrie auf Kosten der Gesellschaft ihre Gewinne optimiert, zu voller Blüte. In einem brisanten Report deckt Public Eye einerseits die zehn Methoden auf, mit der Pfizer, Roche oder Novartis die Covid19-Krise systematisch zu ihrem Vorteil nutzen. Und zeigt andererseits, wie die politische Komplizenschaft reicher Länder wie der Schweiz zur aktuellen Verknappung und ungerechten Verteilung von Impfstoffen führt.

Die Pandemie macht strukturelle Missstände besonders sichtbar: Das gilt auch für die problematischen Prinzipien, denen die Pharmabranche seit Jahren schon ihre astronomischen Umsatzrenditen verdankt. Für die Entwicklung und Zulassung mehrerer Vakzine in Rekordzeit haben Wissenschaft und Industrie zwar Anerkennung verdient. Die Hoffnung auf schnelle Erfolge wurde durch die Privatisierung des Wissens und die daraus folgende Verknappung der Vakzine aber wieder zunichte gemacht. Auch sonst klafften Rhetorik und Realität in der Pharmabranche und der sie beschützenden Politik nie weiter auseinander als in dieser globalen Gesundheitskrise. Das belegt der auf fast 3000 Publikationen beruhende Recherchebericht «Big Pharma takes it all», den Public Eye heute vorlegt und dessen Kernbefunde auch in einem Faktenblatt verfügbar sind. 

Die Studie analysiert erstmals all jene Strategien, mit denen die Pharmakonzerne grundsätzlich ihre finanziellen Risiken minimieren und Gewinnmargen optimieren. Und zeigt, dass diese «10 Geschäftsgebote» auch bei den (staatlich hochsubventionierten!) Produkten zur Diagnose, Behandlung und Bekämpfung des Covid19-Virus zur Anwendung kommen. Dazu gehört der Missbrauch von Monopolmacht durch Patente, was zu überhöhten Preisen, künstlicher Verknappung und fehlendem Zugang führt – primär in Entwicklungs- und Schwellenländern, zunehmend aber auch bei uns. Weitere «Erfolgsfaktoren» von Big Pharma, die jetzt besonders sichtbar werden, sind die Verweigerung jeglicher Transparenz und öffentlichen Rechenschaft, die Konzeption klinischer Studien zum eigenen Vorteil sowie das Profitieren von Steuergeldern ohne Gegenleistung. 

Diese Praktiken sind mitverantwortlich für den weltweiten, in finanzschwachen Staaten aber besonders akuten Mangel an Impfstoffen und anderen medizinischen Mitteln gegen das Coronavirus. Statt jedoch Gegensteuer zum schädlichen Geschäftsmodell der Pharmakonzerne zu geben, wird es von deren Sitzstaaten, darunter der Schweiz, politisch nun noch aggressiver verteidigt. Deshalb fordert Public Eye vom Bundesrat, der Suspendierung des WTO-Abkommens über geistiges Eigentum während der Pandemie («TRIPS Waiver») nicht entgegenzuwirken, die WHO-Initiativen für einen gerechten Zugang zu Impfstoffen zu unterstützen («Covax» rsp. «C-TAP») und die Schweizer Verträge mit deren Produzenten zu veröffentlichen. Big Pharma hingegen muss im Rahmen von C-TAP alle Eigentumsrechte und alles Know-how teilen, die eigenen und öffentlichen Investitionen in Covid19-Technologien separat ausweisen sowie – ganz grundsätzlich – endlich aufhören, aus der weltweiten Gesundheitskrise kommerzielle Vorteile zu ziehen. 

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