Geheimdeals trotz Prämienschock: Parlament muss Opferung des Öffentlichkeitsprinzips bei Medikamentenpreisen verhindern

Im Rahmen der «Massnahmen zur Kostendämpfung» (Paket 2 der KVG-Revision), über die der Nationalrat heute abstimmt, sollen Hinterzimmer-Preisabsprachen mit den Pharmakonzernen im Nachhinein legalisiert werden. Wie der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) nun bestätigt, handelte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hier bislang ohne gesetzliche Grundlage. Zudem sollen diese Geheimdeals vom Öffentlichkeitsgesetz ausgeschlossen werden – ein brandgefährlicher Präzedenzfall, gegen den auch Medienverbände protestieren. Das Parlament darf die der Profitmaximierung statt den Prämienzahler*innen dienende Geheimkrämerei von Bundesrat und BAG deshalb keinesfalls absegnen.

Ein Hauptgrund für den neuerlichen Prämienschock sind die stetig steigenden Medikamentenpreise, welche inzwischen einen Viertel der Kosten der obligatorischen Krankenversicherung ausmachen. Statt auf preisstabilisierende Transparenz setzen Bundesrat und BAG aber auf Hinterzimmer-Vereinbarungen mit den Pharmakonzernen. Public Eye kritisiert diese Geheimdeals, weil sie entgegen den Behauptungen von Bundesrat und Behörde nicht zu sinkenden Kosten und einem schnellen Zugang für Patient*innen führen, sondern die Macht dieser Industrie weiter zementieren. Wir wollten deshalb wissen, wie diese Absprachen zwischen dem BAG und der Pharmaindustrie bei zehn der teuersten Krebsmedikamenten konkret aussehen. Weil die tatsächlichen Preise – ohne rechtliche Grundlage! – heute schon nicht mehr publiziert werden, hatten wir die entsprechenden Unterlagen auf Grundlage des Öffentlichkeitsgesetzes verlangt. 

Diese Dokumente hat uns das BAG zwar geliefert, aber mit Schwärzungen an fast allen relevanten Stellen. In seiner Stellungnahme zum diesbezüglichen Schlichtungsverfahren zwischen Public Eye und dem BAG stellt der EDÖB klar, dass das Amt damit dem Wunsch der vorab konsultierten Verhandlungspartner, also der Pharmakonzerne nachkommt. Dieses Vorgehen schränkt laut EDÖB «die Verhandlungsmacht der betroffenen Behörde ein und führt zu einem Verlust ihrer Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit». Aufgabe des BAG sei es, «die Bevölkerung mit wirksamen und günstigen Arzneimitteln zu versorgen, um die Gesundheitskosten zu senken, und nicht, die Pharmakonzerne zufrieden zu stellen». 

Der von der Gesundheitskommission empfohlene Ausschluss der Geheimrabatte bei Medikamentenpreisen aus dem Öffentlichkeitsgesetz, über den der Nationalrat heute abstimmt, wäre noch gravierender als die aktuelle Schwärzungspraxis. Die Dokumente könnten gar nicht mehr angefordert und die Schwärzungen nicht mehr angefochten werden. Auf dem Altar von Profitinteressen würde die behördliche Rechenschaftspflicht gegenüber der Bevölkerung und damit ein demokratisches Grundprinzip geopfert. Und das ausgerechnet bei jenem Thema, das den Menschen in der Schweiz momentan am meisten Sorgen macht: die steigenden Prämien aufgrund der explodierenden Gesundheitskosten. Gegen die Einschränkung des Öffentlichkeitprinzips protestiert in einem Brief an alle Nationalrät*innen auch eine breite Allianz aus Medienverbänden. Das Parlament muss diesen sozial- und staatspolitischen Präzedenzfall unbedingt verhindern. Und die Parteien – von der SP über die FDP bis zur SVP – müssen ihr in der amtlichen Vernehmlassungsantwort gegebenes Transparenz-Versprechen zur Verhinderung dieses gefährlichen Dammbruchs heute unbedingt halten.  

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