Konzernlobby gewinnt im Ständerat: Alibi-Gegenvorschlag ohne Wirkung verabschiedet

Der Ständerat hat heute einen Alibi-Gegenvorschlag verabschiedet. Damit hat sich die Konzernlobby durchgesetzt. Konzerne wie Glencore und Syngenta sollen nicht für angerichtete Schäden geradestehen müssen, sondern bloss einmal im Jahr eine Hochglanzbroschüre veröffentlichen.

Nach dem heutigen Entscheid des Ständerats wird die Schweiz höchstwahrscheinlich nächstes Jahr über die Konzernverantwortungsinitiative abstimmen. Der von Bundesrätin Keller-Sutter kurzfristig zurechtgezimmerte Alibi-Gegenvorschlag fand im Ständerat eine Mehrheit. Diese Vorlage wird selbstverständlich nicht zu einem Rückzug der Initiative führen, da sie keinerlei verbindliche Regeln bringt, welche Menschenrechtsverletzungen durch Konzerne verhindern.

Die Mehrheit des Ständerats stellt sich mit dem heutigen Entscheid schützend vor skrupellose Grosskonzerne wie Syngenta und Glencore und will, dass diese Konzerne auch in Zukunft nicht für Menschenrechtsverletzungen geradestehen müssen. Der verabschiedete Alibi-Gegenvorschlag bringt keinerlei Verbesserungen, soll aber den Stimmberechtigten vorgaukeln, dass es die Konzernverantwortungsinitiative nicht mehr brauche.

Dick Marty ist überzeugt, dass die Bevölkerung dieser Trickserei nicht auf den Leim gehen wird: «Ich bin überzeugt, dass der Alibi-Gegenvorschlag die Stimmberechtigten nicht verunsichern wird. Denn wir alle wissen, dass gerade die skrupellosesten Grosskonzerne noch so gerne Hochglanzbroschüren veröffentlichen. Konzerne wie Glencore werden erst anständig wirtschaften, wenn Menschenrechtsverletzungen auch Konsequenzen haben und sie dafür geradestehen müssen.»

«Die multinationalen Konzerne werden erst anständig wirtschaften, wenn Menschenrechtsverletzungen auch Konsequenzen haben und sie dafür geradestehen müssen.»

Abstimmung nächstes Jahr

Die Abstimmung findet wahrscheinlich im Herbst/Winter 2020 statt. Der Abstimmungskampagne sieht Dick Marty gelassen entgegen: «Die grosse Unterstützung – gerade auch aus Wirtschaftskreisen – stimmt mich optimistisch. Ich bin sehr zuversichtlich, denn unsere Initiative fordert eine Selbstverständlichkeit. Wenn Konzerne das Trinkwasser vergiften oder ganze Landstriche zerstören, sollen sie dafür geradestehen.»

Breite Unterstützung

Bereits heute geniesst die Initiative sehr breite Unterstützung:

120 Menschenrechts-, Umwelt-, Entwicklungs- und Konsumentenorganisationen

Wirtschaftskomitee aus über 160 Unternehmer/innen

Über 120 Politiker und Politikerinnen aus BDP, CVP, EVP, GLP, FDP und SVP im «Bürgerlichen Komitee für Konzernverantwortung»

Schweizer Bischofskonferenz, der Schweizerische Evangelische Kirchenbund, die Schweizerische Evangelische Allianz (durch ihre AG Interaction), der Verband Freikirchen Schweiz sowie zahlreiche weitere kirchliche Akteure

300 Lokalkomitees mit Tausenden Freiwilligen

Chronologie Diskussion im Parlament

Nach über zwei Jahren Beratungen in 20 Kommissionssitzungen und trotz zweimaliger klarer Zustimmung des Nationalrates hätte der Ständerat heute die Gelegenheit gehabt, einen breit getragenen Kompromiss zu verabschieden. Dieser beinhaltete zwar erhebliche Abstriche gegenüber der Konzernverantwortungsinitiative, hätte aber doch zu minimalen Regeln gegen die schlimmsten Menschenrechtsverletzungen durch Konzerne geführt.

Die Volkswirtschaftsdirektorenkonferenz, breite Teile der Wirtschaft (z.B. Coop, Migros, Manor oder ein beträchtlicher Teil der Westschweizer Wirtschaft) hatten sich hinter den Gegenvorschlag gestellt. Und die Initianten und Initiantinnen hatten angekündigt, im Falle einer definitiven Verabschiedung die Initiative zurückzuziehen.

Jetzt liegt es am Nationalrat, ob er an seinem Gegenvorschlag festhalten will. Mit dem heutigen Entscheid des Ständerats ist aber eine Abstimmung sehr wahrscheinlich geworden.

Das fordert die Initiative

Die Initiative will Konzerne mit Sitz in der Schweiz verpflichten, die Menschenrechte nicht zu verletzen und die Umwelt nicht zu zerstören. Damit sich alle Konzerne an das neue Gesetz halten, sollen Verstösse in Zukunft Konsequenzen haben. Konzerne sollen deshalb für Menschenrechtsverletzungen geradestehen, welche ihre Tochterfirmen verursachen.