NGO-Rute für den Disney-Konzern

Zürich, 06.12.2007 - Die chinesische Nichtregierungsorganisation SACOM macht öffentlichen Druck, damit bei den dortigen Disney-Lieferanten endlich die Arbeitsgesetze eingehalten werden. Die Erklärung von Bern (EvB) unterstützt die SACOM-Kampagne und reicht deren Forderungen weiter an Disney-Schweiz.

Sicher sind auch dem Sankt Nikolaus die Missstände in den chinesischen Disney-Fabriken bekannt. Statt Geschenke hat der Unterhaltungskonzern nämlich eine Rute verdient: „Oft arbeiten wir 350 Stunden im Monat, zu Spitzenzeiten sogar 400 Stunden“, erzählt der 31-jährige Cui über seinen Job bei Haowei Toys, einem der Zulieferbetriebe von Disney in China. „Überstunden werden gar nicht oder unzureichend ausbezahlt.“ Wie in der Fabrik Haowei in Shenzhen werden die Arbeitsrechte auch bei den Lieferanten Tianyu und Yonglida in Dongguan systematisch missachtet. Seit Jahren versucht die chinesische Nichtregierungsorganisation SACOM (Students and Scholars against Corporate Misbehavior) einen konstruktiven Dialog mit der Walt Disney Company aufzubauen – erfolglos. Nun geht SACOM in die Offensive und veröffentlicht seit September 2007 jeden Monat einen Bericht über eine von Disneys Skandalfabriken in China. Damit sich dort etwas ändert unterstützt die EvB die SACOM-Forderungen und ruft dazu auf, die Haowei-Belegschaft über die EvB-Website mit einem Protestmail an Disney zu unterstützten.

Die EvB ist überzeugt, dass es den Disney-Filmen zutiefst widerspricht, wenn Menschen so geschunden werden wie in den chinesischen Fabriken. Deshalb richtete die EvB die SACOM-Forderungen auch an den Schweizer Zweig des Disney-Konzerns, die Walt Disney Studios Schweiz AG (Zürich), (siehe Brief an den Verantwortlichen bei Walt Disney Studios) welche die Filme bei uns vertreibt. Disney Schweiz soll die Einhaltung der fundamentalen Arbeitsrechte gegenüber ihrem Mutterkonzern einfordern. Denn nicht nur internationale Kernkonventionen und chinesische Gesetze, sondern sogar die im Disney-Kodex formulierten Arbeitsgesetze werden in China permanent verletzt. «Würden die Urheberrechte bei uns ebenso missachtet, würde dies den Disney-Konzern in den Ruin treiben», findet der EvB-Textilexperte Stefan Indermühle. Dies müsste Disney Schweiz massiv stören. Denn der Erfolg der Filme beruht auch auf dem erfolgreichen Merchandising der Disney-Figuren.

Disney hat seit über zehn Jahren einen Verhaltenskodex, der den Sozialstandard für alle Disney-Lieferanten definiert. Was ist angesichts dieser Berichte davon zu halten? „Der Kodex ist ganz klar nur eine Richtlinie, aber keine Garantie“, sagte Jim Leung, regionaler Verantwortlicher für Disneys Arbeitsstandard-Programm. Anfang November 2007 traf er sich in Hongkong mit einer Delegation von SACOM und der österreichischen Entwicklungsagentur Südwind. „Wenn wir von Missständen erfahren, so gehen wir ihnen nach und versuchen, sie zu beheben.“ Konkrete Maßnahmen konnte Leung aber kaum nennen. Trotz den dokumentierten Missständen brüstet sich die Tianyu-Fabrik mit einem ICTI-Zertifikat, das der Weltverband der Spielwarenindustrie vergibt. Dieser Persilschein ist irreführend. Der Verband verschliesst weiterhin die Augen vor der Realität und leistet der Industrie mit der ICTI-Zertifizierung einen Bärendienst. Solche Skandalfälle passen nicht in die Adventszeit, während welcher fast die Hälfte aller Spielwaren verkauft werden.