Öl, andere Schmiermittel und die Kreml-Connection: Gunvors düstere Deals im Kongo

Ein auf zweijährigen Recherchen beruhender Report von Public Eye enthüllt heute, mit welchen Mitteln sich der weltweit viertgrösste Rohstoffhandelskonzern Gunvor von Genf aus Zugang zum schwarzen Gold der Republik Kongo verschafft hat. Eine zentrale Rolle spielt dabei genau jene Freundschaft eines Gunvor-Mitgründers zum russischen Präsidenten, die beide lange geleugnet haben. Wegen des Verdachts, dass dabei Schmiergelder geflossen sind, die in der Schweiz gewaschen wurden, hat die Bundesanwaltschaft schon 2012 ein Strafverfahren eröffnet. Neue Fakten und exklusive Dokumente belegen nun erstmals, dass die Schweizer Firma seitdem zwei weitere höchst fragwürdige Anläufe genommen hat, um wieder mit Brazzaville ins Geschäft zu kommen. Dies belegt ein mit versteckter Kamera gefilmtes Video, das den aktiven Bestechungsversuch eines Ex-Gunvor-Managers zeigt. Kein Wunder ist Gunvor nun auch direkt ins Visier der Schweizer Justiz geraten, wie die Bundesanwaltschaft gestern bestätigt hat.

Zwischen 2010 und 2012 hat Gunvor der Republik Kongo, einem der ärmsten und korruptesten Länder Afrikas, Rohöl im Wert von 2,2 Milliarden Dollar abgenommen und mit unüblich hohen Gewinnmargen weiter verkauft. Um zu diesen lukrativen Deals zu kommen, spielte das Genfer Handelshaus zwei Trümpfe: Einerseits nutzte Gunvor seine enge Verbindungen zu Putin, um sich in Moskau für ein wirtschaftliches Kooperationsabkommen Russlands mit Kongo einzusetzen. Andererseits gewährte Gunvor der staatlichen Ölgesellschaft SNPC Vorfinanzierungskredite über insgesamt 750 Millionen Dollar und avancierte damit quasi zur Hausbank der kongolesischen Regierung.

Möglich machten diese Deals aber erst zwei so dubiose wie hoch dotierte Mittelmänner. Insgesamt belaufen sich die von Gunvor bezahlten Kommissionen auf fast 32 Millionen Dollar. Einer dieser beiden Türöffner transferierte über Schweizer Konten mehrere Millionen an in Hongkong domizilierte Gesellschaften. Von deren elf Eigentümern gibt es bei einigen starke Hinweise auf Verbindungen zum organisierten Verbrechen in China, andere wurden schon wegen Finanzvergehen verurteilt. Dienten diese Zahlungen also der Bestechung kongolesischer Amtsträger? Zwei Schlüsselfiguren, die inzwischen von Gunvor entlassen wurden, haben diese Absicht bestätigt: Einer im Frühling 2017 gegenüber der Bundesanwaltschaft, der andere unfreiwillig in einem geheimen Video, das Public Eye gesehen hat (zu Kap. 6 scrollen). Darin schlägt der ehemalige Finanzchef von Gunvor explizit vor, die Bestechungsgelder künftig über eine russische Firma fliessen zu lassen, umso weiteren Ärger mit der Schweizer Justiz zu vermeiden.

In Kenntnis der unmittelbar bevorstehenden Publikation des Public Eye-Reports hat Gunvor gestern die Nachrichtenagentur Reuters darüber informiert, dass nun auch gegen die Firma selbst ermittelt wird, und zwar wegen «Organisationsmängeln», dem einzigen Strafrechtsartikel, der auf Firmen (statt Personen) angewendet wird. Mit der Bekanntgabe dieser Erweiterung des laufenden Verfahrens hat Gunvor kommunikativ die Flucht nach vorne angetreten. Inhaltlich wälzt der Konzern seine Verantwortung aber weiter auf seine Angestellten ab, in diesem Fall auf jenen aus dem Video.

Aus seinen Deals in der Republik Kongo hat der mit einem Umsatz von 47 Milliarden Dollar viertgrösste Rohstoffhändler der Welt einen geschätzten Profit von 114 Millionen Dollar geschlagen. Unsere Recherchen zeigen, dass solch illegitime Praktiken zum Geschäftsmodell eines der wichtigsten Schweizer Ölkonzerne gehören oder zumindest bis 2014 gehört haben. Trotzdem unterstellt die Schweiz als global führender Rohstoffhandelsplatz diesen Hochrisikosektor keiner speziellen Aufsicht oder Regulierung. Ein erster Schritt zur Risikominimierung wäre die Einführung einer rechtlich verbindlichen Pflicht zur Offenlegung von Zahlungen von Rohstoffunternehmen an Produktionsländern, die auch für die in der Schweiz dominierenden Handelsfirmen gilt. Ende 2016 hat der Bundesrat in der Vorlage der Aktienrechtsreform aber genau den Rohstoffhandel von der Zahlungstransparenzpflicht ausgenommen. Ist es Blindheit oder Komplizenschaft, dass die Schweizer Politik weiter auf den guten Willen der Rohstoffkonzerne vertraut und sie lediglich um «ein integres und verantwortungsvolles Geschäftsgebaren bittet?

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