Pionierstudie zeigt immer mehr Seitenwechsel im Pharmasektor – Public Eye fordert besseres Risiko-Dispositiv

Eine Analyse von Public Eye zeigt zum ersten Mal das Ausmass des «Revolving-Door»-Phänomens zwischen der Pharmaindustrie und zwei eidgenössischen Regulierungsbehörden, Swissmedic und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG). Die steigende Zahl von Seitenwechseln erhöht deutlich das Risiko von direktem Einfluss der Pharmabranche auf die Schweizer Arzneimittelpolitik. Es gibt zwar erste gesetzliche Bestimmungen dazu, doch diese müssen im Rahmen der nächsten Korruptionsstrategie dringend verstärkt werden, um Interessenkonflikte wirksam zu bekämpfen und die Transparenz zu verbessern.

In Kürze: 

  • Public Eye hat 284 Fälle von Stellenwechseln zwischen Pharmaunternehmen und den für diesen Sektor zuständigen Regulierungsbehörden (Swissmedic, BAG) identifiziert.
  • Dieses Phänomen nimmt zu, insbesondere in politischen Schlüsselbereichen wie der Zulassung oder der Preisfestsetzung von Medikamenten.
  • Der aktuelle gesetzliche Rahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten wird von der Staatengruppe gegen die Korruption des Europarats (Greco) und der Eidgenössischen Finanzkontrolle als unzureichend erachtet.
  • Public Eye fordert konkrete Reformen, damit das öffentliche Interesse klaren Vorrang vor privaten bzw. kommerziellen Interessen hat.

Public Eye wollte wissen, wie gängig und verbreitet der berufliche Seitenwechsel zwischen Unternehmen und Behörden in der politisch besonders einflussreichen Pharmabranche ist. Wie erfolgreich dieser Schlüsselsektor der Schweizer Wirtschaft lobbyiert, ist hinlänglich bekannt. Mit Unterstützung des Zürcher Recherchekollektivs WAV identifizierten und analysierten wir alle in öffentlichen Quellen dokumentierten «Drehtür-Fälle» der letzten drei Jahrzehnte, die Swissmedic oder das BAG involvierten. Das Ergebnis dieser Pionier-Auswertung: Insgesamt 284 Seitenwechsel belegen eine problematische, weil systemische Nähe zwischen der pharmazeutischen Industrie und der Bundesverwaltung. Überraschender Nebenbefund: Zwei Drittel dieser Seitenwechsel fanden vom privaten in den öffentlichen Sektor statt.

Die Arzneimittelregulierung ist besonders exponiert. Bei Swissmedic betreffen mehr als die Hälfte der Fälle die heikle Marktzulassung – jene Stelle, die bestimmt, wann die Einnahmen für ein Medikament zu Sprudeln beginnen. Auch in anderen sensiblen Bereichen – klinische Studien, neuartige Therapien, Preisfestsetzung – sind erhebliche Raten von Seitenwechseln zu verzeichnen. Diese Durchlässigkeit betrifft alle Hierarchieebenen und hat bezüglich Wissenstransfer auch Vorteile. Hinsichtlich potenzieller Interessenkonflikte und Korruptionsgefahr sind aber Bedenken angebracht.

Dass der aktuelle rechtliche Rahmen diesen Risiken nicht gerecht wird, finden auch die Staatengruppe gegen die Korruption des Europarats (Greco) und die Eidgenössische Finanzkontrolle. Es gibt zwar Geheimhaltungspflichten oder die Möglichkeit des Ausstands bei Befangenheit, doch die Intransparenz über deren Anwendung lässt das Vertrauen der Bevölkerung in die Behörden schwinden.

Anlässlich der Anti-Korruptionsstrategie 2025-2028, die der Bundesrat bald verabschieden sollte, fordert Public Eye deshalb eine Verschärfung dieses Dispositivs, und zwar konkret durch die Einführung einer generellen Karenzfrist von mindestens 12 Monaten, deren Ausweitung auf mehr Funktionen wie auch für Wechsel von der Privatwirtschaft in den öffentlichen Dienst und schliesslich die Veröffentlichung relevanter Seitenwechsel. Nur so lässt sich eine echte demokratische Kontrolle und die Unabhängigkeit unserer Gesundheitsbehörden gewährleisten.

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