Preise patentierter Medikamente: Die Schweiz muss sich zu mehr Transparenz verpflichten

Angesichts der explodierenden Preise für patentierte Medikamente muss der Bundesrat bei den Verhandlungen mit Pharmaunternehmen volle Transparenz schaffen, um eine gerechte Preissetzung zu gewährleisten. Dafür muss auf die Praxis der „Schaufensterpreise“ verzichtet werden, wie es ein im März vorgelegtes Postulat fordert. Auf internationaler Ebene muss die Schweiz eine Initiative Italiens unterstützen, die eine Offenlegung der Forschungskosten und der effektiven Preise in jedem Land verlangt. Public Eye wird sich am „Fair Pricing Forum“, das heute in Südafrika eröffnet wird, für diese Massnahmen einsetzen – einschließlich der Anwendung von Zwangslizenzen im Falle exzessiver Preise.

Die zweite Ausgabe des „Fair Pricing Forum“, das von der Weltgesundheitsorganisation WHO in Johannesburg ausgerichtet wird, fokussiert auf den „fairen“ Preis von Medikamenten – also Preise, die einerseits die Forschung stimulieren und andererseits den Zugang aller zu erschwinglichen Therapien ermöglichen. Im Rahmen einer öffentlichen Debatte unter dem Titel „No fair price without transparency“ wird Public Eye heute gemeinsam mit Partnern die Mitgliedstaaten auffordern, eine italienische Initiative zu unterstützen, die vollständige Transparenz bezüglich Forschungs- und Entwicklungskosten sowie der Festlegung von Medikamentenpreisen fordert. Der italienische Vorschlag ist Gegenstand einer Resolution, die an der WHO-Versammlung im Mai in Genf diskutiert werden wird.

Obwohl sich die Schweiz zu dieser Resolution noch nicht offiziell geäußert hat, zeigen erste Gespräche mit dem zuständigen Bundesamt für Gesundheit, dass es sich schwer tut, sich von der defensiven Position der Pharmaunternehmen zu distanzieren, welche die tatsächlichen Kosten für Forschung und Entwicklung als eines ihrer bestgehüteten Geheimnisse wahren. Die Schweiz als Sitzstaat der Pharmariesen Roche und Novartis würde mit einer Unterstützung der Resolution ein starkes Signal zugunsten des öffentlichen Interessens aussenden. Schliesslich betont unsere Regierung immer wieder, dass man bereits über ein transparentes Preissystem verfüge.

Aktuelle Recherchen des Schweizer Fernsehens zeigen jedoch, dass dies bei weitem noch nicht der Fall ist. Im Januar machte die „Rundschau“ publik, welchen Druck Roche auf das BAG ausgeübt hatte, um einen hohen „Schaufensterpreis“ für das Brustkrebsmedikament Perjeta zu erzielen. Die Strategie ist einfach: einen möglichst hohen, fiktiven Preis festlegen, der für internationale Preisvergleiche herangezogen wird, und gleichzeitig den Krankenkassen auf nationaler Ebene Rabatte gewähren. Im Falle von Perjeta konnte Roche den effektiven Preis der Behandlung in der Schweiz dank dieser Strategie diskret erhöhen, indem der Konzern die Höhe der Rabatte anpasste. Die Sendung „Mise au Point“ des Westschweizer Fernsehens deckte im Februar zudem die astronomischen Gewinnmargen von bis zu 85 Prozent auf, die der Basler Pharmariese mit dem Medikament Herceptin, das ebenfalls zur Behandlung von Brustkrebs eingesetzt wird, erwirtschaftet. Die Markteinführung neuer und äusserst teurer Krebsmedikamente führt immer häufiger zu Fällen von mit Rabatten gekoppelten fiktiven Preissetzungen – was politische Reaktionen zur Folge hat. Ein Postulat, das im März vom Aargauer Nationalrat Cédric Wermuth (SP)  eingereicht wurde, fordert den Bundesrat auf, der Praxis der „Schaufensterpreise“, welche sogar vom Bundesrat selbst als problematisch punkto Transparenz angesehen wird, ein Ende zu setzen.

Der Bundesrat wird zudem noch auf zwei weitere parlamentarischen Anfragen von Nationalrat Angelo Barrile (SP/ZU) zur umstrittenen Preissetzung antworten müssen: Erstens auf ein Postulat, das eine Berichterstattung über alle geplanten Maßnahmen zur Eindämmung des Kostenanstiegs bei patentierten Medikamenten fordert. Diese machten 2017 75 Prozent der über das obligatorische Krankenkassensystem abgerechneten Medikamentenausgaben aus. Zweitens eine Motion, welche eine Erleichterung der Erteilung von Zwangslizenzen im öffentlichen Interesse fordert. Die Tatsache, dass diese Vorstösse über das gesamte politische Spektrum hinweg Zustimmung finden, zeigt, wie wichtig es ist, dass die Behörden schnell und entschlossen handeln. Das gilt ebenso für den fixfertigen Zwangslizenzantrag für Perjeta, den Public Eye diesen Januar Gesundheitsminister Alain Berset übergeben hat und der bislang unbeantwortet geblieben ist.

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Patrick Durisch (anwesend am WHO-Forum in Johannesburg), Gesundheitsbeauftragter
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