Zucker-Skandal: In Afrika stellt Nestlé seinen Profit weiter über die Gesundheit von Babys
Zürich, Lausanne, 18. November 2025
In Kürze:
• Laboranalysen zeigen, dass das von Nestlé in 20 afrikanischen Ländern verkaufte Cerelac-Babygetreide bis zu 7,5 Gramm zugesetzten Zucker pro Portion enthält, während solche Produkte in der Schweiz und Europa ohne Zuckerzusatz sind.
• Die WHO warnt seit langem davor, dass eine frühe Gewöhnung an Zucker einen wichtigen Risikofaktor für Fettleibigkeit darstellt, die in Afrika stark zunimmt.
• Afrikanische Organisationen verlangen von Nestlé, diesen inakzeptablen Doppelstandard einzustellen und erinnern daran, dass «alle Babys gleich» sind.
Unser Report knüpft an die Enthüllungen vor anderthalb Jahren an. Zusammen mit afrikanischen Organisationen hat Public Eye diesmal rund hundert Cerelac-Getreidebreie, die in 20 Ländern des Kontinents verkauft werden, von einem Referenzlabor analysieren lassen. Das Ergebnis: Über 90% dieser Produkte für Babys ab sechs Monaten enthalten zugesetzten Zucker – im Durchschnitt fast sechs Gramm pro Portion, also etwa eineinhalb Würfel. Das sind 50% mehr als der in unserer ersten Untersuchung ermittelte Durchschnitt, die sich auf Asien und Lateinamerika konzentrierte. Und doppelt so viel wie der damals in Indien ermittelte Gehalt, dem weltgrössten Markt für diese Babynahrung. Der höchste Wert: 7,5 Gramm pro Portion in einem in Kenia erhältlichen Produkt. In der Schweiz und in den wichtigsten europäischen Märkten von Nestlé werden diese Lebensmittel ohne Zuckerzusatz verkauft.
In Indien, wo unsere Rechercheresultate eine Welle der Empörung ausgelöst hatten, hat Nestlé im Oktober letzten Jahres 14 zuckerfreie Cerelac-Produkte eingeführt. In Afrika und anderen einkommensschwachen Ländern verstösst der Marktführer aber weiter gegen die Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation. Fettleibigkeit – auch bei Kindern – nimmt auf dem afrikanischen Kontinent in alarmierendem Tempo zu und viele Länder sind mit einer „doppelten Mangelernährung“ konfrontiert, d.h. Untergewicht und Fettleibigkeit existieren parallel.
In Südafrika, wo Public Eye vor Ort war, vertrauen Generationen von Müttern seit Jahrzehnten auf Nestlé. In Eastern Cape, der ärmsten Provinz, geben die befragten Frauen den grössten Teil ihres mageren Einkommens für Nestlé-Babynahrung aus, weil sie ihren Kindern das Beste bieten wollen. Vor Ort prangern Gesundheitsfachleute irreführende Marketingpraktiken an, die Mütter immer noch dazu veranlassen, das Stillen zugunsten industrieller Produkte aufzugeben.
In einem offenen Brief fordern Organisationen aus Benin, Burundi , Elfenbeinküste, Kamerun, Marokko, Mosambik, Namibia, Nigeria, Senegal, Simbabwe, Südafrika, Togo und Tunesien den Schweizer Lebensmittelkonzern auf, jeglichen Zusatz von Zucker in Säuglingsnahrung unverzüglich einzustellen. «Alle Babys haben das gleiche Recht auf gesunde Ernährung – unabhängig von ihrer Herkunft oder Hautfarbe. Tun Sie das Richtige. Nicht nächstes Jahr, nicht morgen, sondern jetzt. Die Welt schaut zu», warnen sie. Letztes Jahr hatte Public Eye mehr als 105’000 Unterschriften gesammelt. Diesen Appell hat Nestlé jedoch bis heute ignoriert.
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