Public Eye lehnt Schweizer Modell zur Umsetzung der OECD-Mindeststeuer ab

Public Eye begrüsst die Bemühungen der OECD/G20, das internationale System der Unternehmenssteuern gerechter auszugestalten. Die in der Schweiz geplante Umsetzung nützt jedoch vor allem den multinationalen Konzernen, sie führt nicht zu einer Umverteilung in Länder des globalen Südens. Deshalb lehnt Public Eye die Steuervorlage vom 18. Juni ab.

Die von der OECD/G20 vorgeschlagene Steuerreform sollte eigentlich ein erster Schritt sein, um die von Konzernen bezahlten Steuern unter den Staaten fairer zu verteilen. Bereits die 2021 veröffentlichten Eckwerte offenbarten jedoch jede Menge Schlupflöcher.

  • Zum Beispiel sind aus Säule 1 der Reform, die eine Besteuerung der Gewinne in den Absatzmärkten anstatt den Sitzstaaten vorsieht, die Rohstoffhändler ausgenommen. Rohstoffe, ob Energie- oder Agrarrohstoffe, fallen gemäss der Begründung der OECD nicht unter diese Regel, da sie verarbeitet werden und dann in Endprodukten landen, die von anderen Firmen abgesetzt und somit versteuert werden.
  • Aus der Säule 2, die einen Mindeststeuersatz von 15% für Geschäftseinheiten einer multinationalen Unternehmensgruppe vorsieht, die einen konsolidierten jährlichen Umsatz von 750 Millionen Euro erreicht, sind Erträge aus der Schifffahrt ausgenommen.

Um diese Säule 2 geht es nun bei der Abstimmung vom 18. Juni.

Die Schweiz setzt seit jeher auf eine Tiefsteuerpolitik und ominöse Steuergeschenke an Konzerne. Zwar musste sie auf Druck der OECD im Rahmen ihrer 2019 vom Volk klar angenommenen Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) diverse Steuerprivilegien abschaffen. Die für unser Land vom Parlament vorgeschlagene Umsetzung der OECD/G20-Reform schlägt jedoch genau in die alte Bresche und führt den Umverteilungsgedanken ad absurdum. Bereits in der Vernehmlassungsantwort hatte sich Public Eye deshalb ­– erfolglos ­–gegen die vorgeschlagene Umsetzung und für konkrete Verbesserungen eingesetzt.

Gewinne dürften weiterhin verschoben werden

Zwar soll mit der «nationalen Ergänzungssteuer» in der Schweiz der Steuersatz für multinationale Konzerne auf das OECD-Minimum von 15% angehoben werden, wodurch Multis in der Schweiz allenfalls höher besteuert würden. Die allfälligen Mehreinnahmen für die Schweiz führen jedoch nicht zu einer gerechten Umverteilung, zum Beispiel an die Länder des globalen Südens. Der gängigen Praxis, Konzerngewinne in Sitzstaaten wie die Schweiz zu verschieben, schiebt die Reform nämlich keinen Riegel. Den rohstoffreichen Ländern des globalen Südens, die meist viel höhere Gewinnsteuersätze (von 25 bis 35%) aufweisen, kommt der höhere Steuersatz in der Schweiz deshalb nicht zugute. Im Gegenteil: Der Druck, ihre Steuersätze zu senken und dem OECD-Satz anzugleichen, ist gross.

Mit der nationalen Umsetzung schafft die Schweiz zudem weitere Ungerechtigkeiten: Nur 25% der Mehreinnahmen aus der neuen Mindeststeuer sollen gemäss dem Vorschlag des Parlaments beim Bund bleiben. Die restlichen 75% sollen an die Kantone gehen, was vor allem die Tiefsteuerkantone Zug und Genf (Rohstoffhändler) sowie Basel-Stadt (Pharma) begünstigt. Die Mehreinnahmen würden vor allem zur Standortförderung und Subventionierung gewisser Konzerntätigkeiten (Forschung und Entwicklung) verwendet und nur zu einem kleinen Teil der Allgemeinheit zugutekommen. Gemäss einem Artikel der Tamedia-Zeitungen will etwa der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler nicht das gesamte Geld «direkt zu den Firmen zurückschieben». ein Drittel soll auch für die Subventionierung von Kitas, den Öffentlichen Verkehr oder den Bau von preisgünstigen Wohnungen eingesetzt werden. Die Tendenz ist jedoch klar, denn Tännler kann sich auch vorstellen, Gelder an Rohstoffkonzerne wie Glencore zurückzuzahlen, damit diese ihre Minen umweltbewusster betreiben.

Noch sind diese Vorschläge nicht in Stein gemeisselt, klar ist jedoch: Von der Reform profitieren vor allem jene Konzerne, deren Gewinne als Folge von Pandemie und Krieg in der Ukraine am meisten zunahmen: die Pharma- und Rohstofffirmen.

Der Umsetzungsvorschlag in der Schweiz enthält zudem weitere Schlupflöcher, weshalb unklar ist, inwiefern die Reform überhaupt zu Mehreinnahmen führen wird. Unter anderem diskutiert das Parlament momentan die Einführung einer Tonnage-Steuer – einer alternativen Gewinnsteuer, nach welcher Schifffahrtsunternehmen und gewisse Rohstoffhändler nicht mehr nach Profit, sondern nach Ladekapazität ihrer Schiffe besteuert würden. Diese «Subvention» einer spezifischen Branche ist zwar konform mit der OECD-Reform, würde aber den 15%-Mindestsatz untergraben und wohl eher zu Minder- als zu Mehreinnahmen führen.

Schweiz hatte gegen höheren Steuersatz gekämpft

Im Erarbeitungsprozess der OECD-Reform hatte sich die Schweiz aktiv für eine massive Verschlechterung eingesetzt. Ursprünglich hatten die USA 2021 einen Mindeststeuersatz von 21% vorgeschlagen. Zusammen mit anderen Tiefsteuerländern wie Luxemburg und Irland hatte ihn die Schweiz auf 15% hinuntergehandelt.

Eine weitere Steuerreform, von der vor allem die Konzerne profitieren, ist untragbar. Wenn die Schweiz tatsächlich an einem gerechten, internationalen Steuersystem interessiert ist, muss sie auf die Einführung dieser Mindeststeuer verzichten und den Ländern des globalen Südens die Möglichkeit lassen, diese Reform zu ihren Gunsten umzusetzen. Zusätzlich muss sich die Schweiz an der Ausarbeitung eines inklusiven und demokratischen globalen Steuerabkommens beteiligen. Eine dahingehende Resolution wurde an der UNO-Generalversammlung im November 2022 einstimmig angenommen. Auch die Schweiz stimmte damals zu, wenn auch mit einigen Vorbehalten.