Geldwäschereigesetz: «Red flags» auf dem Bundeshaus
Robert Bachmann, 30. September 2025
Als Mitarbeiter der Compliance-Abteilung einer Grossbank war es vor einigen Jahren meine Aufgabe, sogenannte Red Flags zu finden, also Hinweise darauf, dass eine finanzielle Transaktion oder das Verhalten eine*r Bankkund*in potenziell mit Geldwäscherei in Verbindung stehen könnte. Fand ich eine solche Red Flag, hiess es genauer hinschauen und herausfinden, was dahintersteckt.

Heute beobachte ich für Public Eye die politischen Prozesse in der Schweiz, zuletzt die Reform des Geldwäschereigesetzes (GwG), die in der vergangenen Herbstsession des Parlaments zu Ende gegangen ist. Während der Debatten im National- und Ständerat, in Gesprächen mit Parlamentsmitgliedern und beim Lesen der Kommissionsberichte bin ich in den letzten zwei Jahren über diverse Red Flags gestolpert: unerwartete Äusserungen, die mich stutzen liessen, oder Fussnoten mit brisanterem Inhalt als auf den ersten Blick ersichtlich. Kleine Hinweise darauf, mit welch harten Bandagen im Bundeshaus gekämpft wurde. Hier meine Red Flags zur GwG-Reform:
#1 – Der halbrunde Tisch
Wie üblich begann die Reform mit einer Vernehmlassung: 25 Kantone, die Parteien und alle übrigen interessierten Kreise schickten ihre Meinung zum neuen Gesetz. Zusammen 106 Stellungnahmen, darunter auch die von Public Eye. Danach beugte sich im Herbst 2024 als erstes die Rechtskommission des Ständerats über den Gesetzesvorschlag des Bundesrats. Deren Mitglieder waren mit den vorgeschlagenen Sorgfaltspflichten für Anwält*innen und Treuhänder*innen aber so unzufrieden, dass sie den Bundesrat beauftragten, einen neuen Entwurf zu schreiben.
Nun aber durften sich nicht mehr alle interessierten Kreise äussern, sondern nur noch die direkt Betroffenen. Erst viel später, im Mai 2025, schuf die Kommission in einem Bericht darüber Transparenz: «…sie [die Kommission] hat die Verwaltung damit beauftragt, ihr unter Einbezug eines runden Tisches der betroffenen Berater einen Vorschlag für einen Vorentwurf zu unterbreiten…». In der Fussnote steht, wer an diesem Tisch sass: Anwaltsverband, Notarenverband, Treuhandverband, Expertsuisse, Economiesuisse sowie der Versicherungsverband und die Bankiervereinigung. Die anderen 99 Organisationen, die sich in der Vernehmlassung geäussert hatten, hatten plötzlich nichts mehr zu sagen. Entsprechend krass wurde das Gesetz verwässert.
#2 – Der Vertrauensverlust
In der Sommersession diskutierte der Nationalrat das Transparenzregister der wirtschaftlich Berechtigten von Unternehmen, das Teil der GwG-Reform war. Damit soll ein nationales Register über die wahren Eigentümer von Briefkastenfirmen eingeführt werden. Diese international längst und breit angewendete Massnahme hilft den Behörden, Wirtschaftskriminellen und Terrorismusfinanzierung auf die Schliche zu kommen. Gestutzt hatte ich beim Votum von Nationalrat (und Anwalt) Philipp Matthias Bregy zur Frage, ob das Bundesamt für Statistik (BfS) Zugang zum Register haben soll: «Als Vertreter der Mitte-Partei ist es ziemlich schwierig, Vertrauen in dieses Amt zu haben», sagte er. Der Mitte-Präsident als Westentaschen-Trump: Sobald etwas nicht genehm ist, wird einfach mal kurz die Legitimität eines ganzen Bundesamtes in Frage gestellt. Das ist unwürdig und schadet der Schweizer Demokratie.
#3 – Alternative Realitäten
Es gehört zur Politik, aber gestaunt habe ich trotzdem, wie unverfroren in den Ratssälen offensichtlich unwahre Tatsachen hinausposaunt wurden. Ein paar Beispiele: «Die Schweiz sollte für ihre Geldwäschereibekämpfung schon jetzt Bestnoten bekommen», bei der Frage, ob das Transparenzregister eingeführt werden soll (99 Länder haben es bereits, die Schweiz – als einziges Land in Europa – nicht). Oder: «Mit diesem Register werden Sie die Geldwäscherei nicht wirklich bekämpfen» (wenn von der internationalen Standardsetzerin FATF über die OECD über diverse NGOs sich alle über den Nutzen dieses Register für Strafverfolgungsbehörden einig sind). Gefährlich wird es aber dann, wenn solch alternative Realitäten den Weg ins neue GwG finden: So hat der Ständerat in Artikel 2 des GwG festgehalten, dass «aufgrund des tiefen Risikos» Immobilienverkäufe grossmehrheitlich von den Sorgfaltspflichten für Berater*innen ausgenommen werden. Worauf die kleine Kammer die Behauptung stützt, bleibt schleierhaft. Auf den 38-seitigen Bericht über «Schlupflöcher für Geldwäscherei im Schweizer Immobiliensektor» von Transparency International sicher nicht.
#4 – Einflüstern per Gesetz
In voraussichtlich zwei Jahren wird die Financial Action Task Force (FATF), eine internationale Expertengruppe zur Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung, die eben beschlossene Reform prüfen und bewerten. Und dabei selbstverständlich alle interessierten Kreise anhören. Bei den Gesprächen der Behörden mit der FATF sollen nun allerdings auch die Branchenvertreter anwesend sein. Denn in Artikel 41a GwG steht neu, eingefügt von der Anwaltslobby im Ständerat, dass die «Wirtschafts- und Berufsverbände […] die Mitglieder der Schweizer Delegation an Evaluationsgespräche mit dem FATF-Prüfungsgremium begleiten.» Wenn künftig also Vertreter*innen des Finanzdepartements mit der FATF sprechen, wird ihnen ein Anwalt im Nacken sitzen und einflüstern, wie das Schweizer Geschäftsmodell mit Geldern jeglicher Herkunft am besten zu schützen ist.
Diese Red Flags aus zwei Jahren Bundeshaus-Debatte um die GwG-Reform zeigen: Die Anwaltslobby dominierte die Verhandlungen, schwächte zentrale Regeln und sicherte sich sogar direkten Einfluss auf internationale Prüfungen. Klare Alarmzeichen auf den übermässigen Einfluss eines im Parlament übervertretenen Wirtschaftszweigs.

Robert Bachmann ist Finanz- und Rohstoffexperte bei Public Eye. Davor arbeitete er in der Korruptions- und Geldwäschereibekämpfung der Credit Suisse sowie für das EDA, unter anderem in der Ukraine und der Demokratischen Republik Kongo.
Kontakt: robert.bachmann@publiceye.ch
LinkedIn: @RobertBachmann
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