Mr. Rupert, be nice to workers!

Offener Brief an Johann Rupert; VR-Präsident von Richemont, drittgrösster Luxusgüterkonzern der Welt mit Sitz in Genf; Sohn von Anton Rupert, Begründer des Imperiums im Südafrika der 1940er-Jahre und reichster Mensch Afrikas.

Sehr geehrter Herr Rupert

Erst einmal möchte ich mich bei Ihnen bedanken. Sie erinnern sich, ich hatte am Mittwoch letzte Woche im Saal des Hotel Intercontinental in Genf das Wort ergriffen, um anlässlich der GV von Richemont das Management und den Verwaltungsrat zu bitten, sich um eine Lösung im Fall Montblanc zu bemühen. 

Ich möchte mich dafür bedanken, dass Sie darauf persönlich geantwortet hatten. Und ich freue mich über Ihre Aussage, dass Sie unsere Texte lesen und unsere Arbeit schätzen.

Umso erstaunter war ich über den Vorwurf, wir würden «Meinungen statt Fakten» verbreiten. Und es ist bedauerlich, dass Sie in der Folge auf den Kern des Problems und unsere Frage gar nicht erst eingingen. Wir sind nämlich nach wie vor überzeugt, dass eine Lösung des Falls nicht nur für die ausgebeuteten Arbeiter dringlich ist, sondern auch im Interesse Ihres Unternehmens sein müsste. 

Gut dokumentierte Fakten

Sie haben es an der GV selbst gesagt: In Italien gibt es Probleme in der Produktion. Sie sind gut dokumentiert. Das Geschäftsmodell, migrantische Arbeiter, die kaum eine Alternative haben, zwölf Stunden am Tag, an sechs bis sieben Tagen die Woche, zu einem Stundenlohn von rund drei Euro schuften zu lassen, ist weit verbreitet. Solche Verhältnisse herrschten auch bei der Firma «Z Production» in der Industrieregion Florenz, einem direkten Zulieferbetrieb ihrer Tochterfirma «Pelletteria Richemont». Wir haben darüber berichtet.

© Héloïse Detraz / Public Eye
Unterstützung von der Strasse: Vor dem Eingang zur GV protestierten ehemalige «Z Production»-Arbeiter (rechts mit Fahne Asghar Muhammad), Sudd-Cobas-Aktivist*innen und Sympathisant*innen.

Es ist ein Fakt, dass keine der durchgeführten Kontrollen diese ausbeuterischen Verhältnisse ans Licht gebracht hat – auch dass Verdachtsmomenten wie der bei diesen Kontrollen wiederholt festgestellten Abwesenheit eines automatischen Zeiterfassungssystems offenbar nicht nachgegangen wurde. 

Und es ist ebenso Fakt, dass ein Undercover-Report des Fernsehsenders Al-Jazeera im Herbst 2024 dieselben ausbeuterischen Verhältnisse bei einem weiteren Zulieferbetrieb von Montblanc enthüllt hat.

Von nichts gewusst?

Sie haben in Ihrer Antwort an der GV noch einmal ihre Sicht der Dinge dargelegt, wonach die Kündigung des Vertrags mit «Z Production» erfolgt sei, weil die Firma unerlaubterweise Aufträge an Subfirmen weitergegeben habe und zudem unkooperativ gewesen sei. Sie bekräftigten, dass es nichts damit zu tun gehabt habe, dass drei Wochen zuvor 13 Arbeiter eine Vereinbarung mit der Fabrikleitung unterschrieben hatten – ein Übereinkommen, welches die Ausbeutung beendete und ihnen Anstellungen zu legalen Bedingungen garantierte.

Wir können die Aussage nicht überprüfen. Wir können uns aber schlicht nicht vorstellen, dass Ihre lokale Tochterfirma «Pelletteria Richemont», direkter Auftraggeber von «Z Production», nichts von den wochenlangen Streiks der Arbeiter mitbekommen haben soll, welche diese zusammen mit der lokalen Gewerkschaft Sudd Cobas durchgeführt hatten und die schliesslich zur Regularisierung der Arbeitsverhältnisse der 13 Arbeiter geführt haben. 

Wenn es Ihnen tatsächlich ernst ist damit, den Ihnen gemäss eigener Aussage bekannten Risiken der Produktion in Italien etwas entgegenzusetzen: Wäre es dann nicht zwingend, dass Sie mit Gewerkschaften wie Sudd Cobas zusammenarbeiten? Dass sie deren Hinweise auf Missstände in ihrer Lieferkette ernst nehmen und mit ihnen Lösungen für betroffene Arbeiter suchen – anstatt Gewerkschaftsvertreter zu verklagen?

«We’re nice to people», haben Sie an der GV gesagt, bei Richemont behandle man Mitarbeitende gut. Hätten Menschen wie die ehemaligen «Z Production»-Arbeiter Ali Hassan oder Asghar Muhammad, die letzte Woche ebenfalls nach Genf gereist sind, um vor dem Eingang zum Hotel Intercontinental Aktionär*innen und Medien auf ihre Not aufmerksam zu machen, nicht eine ebensolche Behandlung verdient?

Jahrelang haben diese unter ausbeuterischen Bedingungen Montblanc-Accessoires produziert. Dann, als ihnen endlich menschenwürdige Arbeitsbedingungen gewährt wurden, erfuhren sie, dass Richemont ihrem Arbeitgeber den Vertrag gekündigt hat – was schliesslich dazu führte, dass sie ihre Stelle verloren.

Die GV-Aktion in Kürze: Blog-Autor Florian Blumer, Sudd-Cobas-Aktivistin Francesca Ciuffi und der ehemalige «Z Production»-Arbeiter Ali Hassan im Video.

Sehen Sie Richemont nicht in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass diese Menschen wieder eine Anstellung in der Lieferkette des Konzerns erhalten und sie für ihr erlittenes Leid entschädigt werden?

Sorgen Sie für Gerechtigkeit!

Sie haben an der GV gesagt, Richemont sei ein Konzern, der bei der Wahrnehmung der Verantwortung in seiner Lieferkette vorangehe. Lassen Sie ihren Worten Taten folgen. Gehen Sie auf die Arbeiter*innen und die Gewerkschaft zu. Sorgen Sie für Gerechtigkeit!

Und veranlassen Sie, dass Ihr Ableger in Florenz regelmässige Kontrollen in seinen Zulieferbetrieben durchführt, die ans Licht bringen, wenn dort Menschen ausgebeutet werden – damit heute und in Zukunft Arbeiter*innen nicht mehr dasselbe Schicksal erleiden müssen wie Ali Hassan oder Asghar Muhammad. 

Ein erster Schritt dazu wäre, dass Sie offenlegen, in welchen Betrieben Richemont seine Ledertaschen und anderen Aaccessoires in der Toskana produzieren lässt. Schliesslich heisst es auf der Website von Richemont: «Unsere Gruppe basiert auf einer transparenten und auf Integrität ausgerichteten Kultur, zu der wir alle durch unser tägliches Handeln beitragen, sowohl individuell als auch kollektiv.»

Ich freue mich auf Ihre Antwort.
Freundliche Grüsse
Florian Blumer
 

„Luxustaschen machen Ihr Leben angenehmer, lassen Sie träumen und zeigen Ihren Nachbarn, dass es Ihnen gut geht.“ (Karl Lagerfeld)

Florian Blumer ist gelernter Journalist und arbeitet seit 2 Jahren als Reporter und Rechercheur bei Public Eye. 

Kontakt: florian.blumer@publiceye.ch

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