Syngenta für die Schweiz am Klimagipfel: Mehr Gift braucht der Planet
Florian Blumer, 5. November 2025
Nachrichten über den weltgrössten Pestizidkonzern mit Sitz in Basel drehen sich selten um Klimaschutz. Wenn es nicht um steigende Gewinne geht, dann macht Syngenta wegen den Auswirkungen seines Geschäfts auf Menschen und Umwelt internationale Negativschlagzeilen. Dies besonders in einkommensschwächeren Ländern, wo Syngenta einen grossen Teil seiner Umsätze mit dem Verkauf jener Pestizide generiert, die in der Schweiz und der EU verboten sind, weil sie Trinkwasser verseuchen, Bienen töten oder Anwender*innen vergiften.
Verständlich also, dass Syngenta seit Jahren viel in eine Imagekorrektur investiert, die den Agrochemieriesen als Treiber einer nachhaltigen Landwirtschaft und kompromisslosen Klimaschützer zeigen soll. Die Weltgemeinschaft müsse «den Klimawandel entschieden angehen», heisst es auf seiner Webseite. Besonders in der Pflicht sei die Landwirtschaft, die einen grossen Einfluss auf die «Gesundheit des Planeten» habe. Deren Praktiken müssten sich «fundamental ändern».
Wahre Worte! Doch welche Wirkung hätte die Kur, die Syngenta der Erde verschreiben will? Gemeinsam mit Public-Eye-Landwirtschaftsexpertin Carla Hoinkes haben wir das Rezept unter die Lupe genommen. Und sind zum Schluss gekommen: Gesunden würde daran eher der selbsternannte Arzt als die Patientin.
Degenerative Landwirtschaft
So hat sich der Basler Chemieriese bis heute nicht einmal ein Reduktionsziel für seine Wertschöpfungskette gesetzt, obwohl die erdölintensive Herstellung der Grundstoffe für seine Pestizide den Löwenanteil seiner Treibhausgasemissionen ausmacht. Wie hoch sie genau sind, weiss niemand, denn Syngenta deklariert sie auf Ebene der Konzerngruppe nicht.
Syngentas Therapieprogramm heisst «Regenerative Landwirtschaft». Das klingt erst einmal ganz gesund. Denn das erklärte Ziel dieses von einer Graswurzel-Bewegung und engagierten Bäuerinnen und Bauern weltweit vorangetriebenen Konzepts ist es, ausgelaugte Anbauflächen durch ganzheitliche, agrarökologische Methoden wieder fruchtbar zu machen. Mit dem wichtigen Nebeneffekt, dass diese auch wieder mehr Kohlenstoff binden können.
Die Methoden dafür wurden bewusst nur so weit eingegrenzt, dass lokale Anpassungen möglich bleiben. Was sich Konzerne wie Syngenta prompt zu Nutze machen: Ihnen geht es nicht um Ganzheitlichkeit, sondern um die Anpassung einzelner, möglichst schmerzfreier Rezepte auf ihr Geschäftsmodell.
So setzt Syngenta stark auf «Low-» oder «No-Till», also die Reduktion oder Elimination des Pflügens zur Bodenschonung. Dies kann die Bodengesundheit auch tatsächlich verbessern. Nur: Syngenta ersetzt den Einsatz des Pflugs zur Beseitigung von Unkraut nicht etwa mit ökologischen Alternativen, sondern mit der grossflächigen Anwendung von Herbiziden. Besonders absurd: In seiner Klimaberichterstattung nennt Syngenta ausgerechnet seinen auf dem Wirkstoff Paraquat basierenden Unkrautvernichter Gramoxone als Förderer von klimafreundlicher Landwirtschaft. Paraquat ist hochgiftig und für Menschen schon in geringen Dosen tödlich, weshalb er mittlerweile in über 70 Ländern verboten ist.
Der Konzern aber deutet Herbizid-Anwendung bereits als Regeneration. Laut seinem Nachhaltigkeitsbericht sollen demnach 2024 weltweit schon über 16 Millionen (!) Hektar Land «von Regenerativer Landwirtschaft profitiert» haben. Wie aus dem Kleingedruckten hervorgeht, reicht bereits die Anwendung einer einzelnen Methode – wie die Anwendung von Unkrautvernichtern – um in diese Rechnung aufgenommen zu werden.
Für das Netzwerk «Regeneration International», dem bäuerliche Organisationen aus allen Kontinenten angehören, ist klar: Diese Form der Landwirtschaft ist nicht regenerativ, sondern «degenerativ». Denn die chemischen Pestizide schaden der Bodenfruchtbarkeit, statt sie zu verbessern. Ein Feldvergleich über 40 Jahre zeigte, dass die gesundesten und produktivsten Böden jene waren, die ohne Chemie bewirtschaftet wurden. Dazu eignen sie sich auch am besten zur Kohlenstoffbindung.
Deregulieren fürs Klima?
Doch wider alles bessere Wissen über die Nebenwirkungen und Ursachen der Leiden des Patienten hält Doktor Syngenta an seiner Verschreibung fest: «Pflanzenschutz» – Syngenta-Sprech für Pestizide – sei auch «Klimaschutz», schreibt Syngentas Nachhaltigkeitschefin Petra Laux auf der Firmenwebseite. Man müsse Bauern mit Pestiziden und Präzisionstechnologie ausstatten, damit sie mehr auf weniger Fläche, und damit mit geringerem Fussabdruck, produzieren können. Laux spielt damit auch auf den längst widerlegten Mythos an, wonach es Pestizide brauche, um die Welt ernähren zu können.
Das Problem liegt gemäss Syngenta denn auch vielmehr darin, dass die (All-)Heilmittel aus seinem Arzneischrank nicht frei genug erhältlich seien. Deshalb fordert Laux zur Rettung des Klimas nicht nur eine Förderung der «Regenerativen Landwirtschaft», sondern auch eine weniger strenge Regulierung von Pestiziden.
Genau das erreichten Syngenta & Co. letztes Jahr in Brasilien, dem wichtigstem Absatzmarkt des Basler Konzerns: Der dortige Kongress winkte mit der mächtigen Agrarlobby im Rücken und gegen den Willen des Präsidenten starke Verwässerungen der nationalen Pestizidregulierung durch.
Ähnliche Töne werden wohl an der COP in Belém zu hören sein. Denn es ist ebendiese Petra Laux, die im Klimaschützer*innen-Team von Albert Rösti & Co. mitreisen und mitreden darf.
«Fürchtest du dich vor Gift? Du isst die rote Hälfte, ich die weisse.» (Königin zu Schneewittchen)
Florian Blumer ist gelernter Journalist und arbeitet seit 2 Jahren als Reporter und Rechercheur bei Public Eye.
Kontakt: florian.blumer@publiceye.ch
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