Steuervergehen und Korruption

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Im Rohstoffhandel ist das Risiko für Steuervergehen, aggressive Steuervermeidung, Korruption und unlautere Einflussnahme besonders hoch. Dies liegt an einer inexistenten oder laxen Politik, den hohen Preisen einiger Rohstoffe, der Beteiligung sogenannter politisch exponierter Personen sowie der Intransparenz über die beteiligten Akteure sowie der Transaktionen selbst. Diese Praktiken führen indirekt oft zu Menschenrechtsverletzungen, da sie die Möglichkeiten und Mittel der Staaten zum Schutz der Menschenrechte ihrer Bevölkerung beeinträchtigen.

Im Warenhandel besteht ein erhebliches Risiko für Transfer Misprincing, der Manipulation von unternehmensinternen Verrechnungspreisen. Transparency International definiert dies so: «Wenn sich Mutter- und/oder Tochtergesellschaften des gleichen Unternehmens in verschiedenen Ländern einigen, den Preis ihrer internen Transaktionen zu manipulieren, um so niedrigere Gewinne in Ländern mit höheren Steuersätzen zu deklarieren und somit ihre Gesamtsteuerzahlungen reduzieren.» Das Risiko der Steuerhinterziehung wird durch die hohen Exportwerte einiger Rohstoffe noch erhöht, aber auch durch die Steuerpolitik der Produktionsländer sowie der Länder, in denen diese Unternehmen ihre Niederlassung haben (oft Niedrigsteuerländer). Die Existenz von Offshore-Steueroasen und steuerfreien Jurisdiktionen verstärkt oder fördert dies sogar.

Ein bemerkenswerter Fall von Transfer Mispricing trat 2011 in Argentinien auf, beteiligt waren die vier grössten Getreidehändler der Welt: ADM, Bunge, Cargill und LDC. Der argentinische Steuer- und Zolldienst leitete eine Untersuchung der vier Unternehmen ein, nachdem die Preise für Agrarrohstoffe im Jahr 2008 sehr stark angestiegen waren, die vier Unternehmen dem Steueramt für dieses Jahr jedoch keine Gewinnsteigerung gemeldet hatten. Der Untersuchungsbericht warf den Unternehmen vor, falsche Verkaufserklärungen abgegeben und Gewinne durch Steueroasen oder durch ihren Hauptsitz abgeleitet zu haben. In einigen Fällen - so der Bericht - hätten sie Phantomfirmen zum Kauf von Getreide benutzt und die Kosten in Argentinien überhöht, um die im Land erzielten Gewinne zu reduzieren. Nach Angaben der Steuer- und Zollbehörden des Landes beliefen sich die unterschlagenen Steuern auf fast 1 Mia. USD.

Die beteiligten Unternehmen weisen die Vorwürfe zurück. Bislang haben die argentinischen Steuerbehörden nicht auf die Anfrage von Public Eye zum aktuellen Stand des Verfahrens geantwortet, aber Bunge hat in seinem Jahresbericht 2020 Rückstellungen verbucht, die darauf hindeuten, dass das Verfahren noch andauert: «Am 31. Dezember 2021 hat die argentinische Tochtergesellschaft von Bunge Einkommensteuerbescheide und Bussgeldbescheide bis und mit 2009 erhalten, in Höhe von ca. 1,288 Mio. argentinischen Pesos (rund 15 Mio. US-Dollar) zuzüglich anwendbarer Zinsen auf den ausstehenden Betrag erhalten.»

Korruptionsrisiko

Das Risiko für Korruption ist im Rohstoffhandel gross, nicht nur bei Öl , Metallen oder Erzen,  sondern auch bei Agrarrohstoffen. Dieses erhöhte Risiko lässt sich durch mehrere Faktoren erklären:

  • In den Produktionsländern sind agro-industrielle Produzenten, Land- oder Plantagebesitzerinnen oder Eigentümer bedeutender Verarbeitungsanlagen und logistischer Vermögenswerte oft in die politische Elite eingebettet oder eng mit ihr verbunden. Diese politisch exponierten Personen (PEP) können erheblichen Einfluss auf bestimmte Stufen der globalen Rohstoff-Wertschöpfungsketten ausüben, wie z.B. die Kontrolle über Exporte sowie verwandte Politikbereiche. Allein diese Tatsache macht den Handel mit Agrarrohstoffen zu einer riskanten Angelegenheit. In Staaten, in denen die Rechtsstaatlichkeit schwach ist, wie es manchmal in den Produktionsländern der Fall ist, steigt das Risiko erheblich.
  • Während die Summen im Agrarrohstoffhandel geringer sind als bei den meisten anderen Rohstoffen und es keine Lizenzgebühren gibt, können die Einnahmen aus dem Verkauf landwirtschaftlicher Rohstoffe dennoch recht hoch sein.
  • Die mangelnde Transparenz der Besitzstrukturen und der tatsächlichen Geschäfte erhöht das Risiko zusätzlich.
  • Das Fehlen spezifischer Vorschriften, wie sie für den Bankensektor gelten, welche Handelsunternehmen daran hindern, Geschäfte mit PEP zu tätigen.
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Nur wenige Korruptionsfälle werden jemals aufgedeckt, doch einer davon betrifft den Getreidegiganten ADM. Im Jahr 2013 bekannte sich eine ADM-Tochtergesellschaft vor einem US-Gericht schuldig und stimmte zu, mehr als 17 Mio. US-Dollar an Bussgeldern zu zahlen. ADM setzte damit ein Strafverfahren aus wegen der Zahlung von Bestechungsgeldern an ukrainische Regierungsbeamte, um Rückerstattungen der Mehrwertsteuer zu erhalten. In einer parallelen Klage stimmte ADM einem Urteil zu, in dem das Unternehmen zur Zahlung von Ausgliederungs- und Vorverurteilungszinsen in Höhe von rund 37 Mio. US-Dollar verurteilt wurde. Die Gesamthöhe der Sanktionen übertraf allein in diesem Fall 54 Mio. US-Dollar.

Die Verstrickung mit Regierungsvertretern kann sogar noch einen Schritt weiter gehen. Im November 2017, nach der Veröffentlichung der «Paradise-Papers», in denen fragwürdige Off-Shore-Geschäfte aufgedeckt wurden, präsentierte die französische Fernsehsendung «Cash Investigation» eine Reihe von zwielichtigen Geschäften, die von Louis Dreyfus in Brasilien getätigt wurden. Im Jahr 2010 schloss sich der Genfer Händler mit einer Tochtergesellschaft des weltweit grössten Sojaproduzenten Amaggi zusammen, um die Firma «Amaggi & LD Commodities Ltda» zu gründen. Amaggi gehört der Familie von Blairo Maggi, dem ehemaligen Landwirtschaftsminister und Grossgrundbesitzer, bekannt als «Sojakönig». Als das Joint Venture mit LDC entstand, war er noch Gouverneur des Bundesstaates Mato Grosso. Im selben Jahr eröffnete Amaggi & LD Commodities Ltda einen Trust-Fonds mit Sitz auf den Kaimaninseln. Die wirtschaftlich Berechtigten des Trusts waren alle Mitglieder der Familie Maggi. Blairo Maggi selbst behauptet, nie Geld vom Trust erhalten zu haben.

Die Anschuldigungen gegen Maggi hätten bei LDC jedoch die Alarmglocken läuten lassen müssen, da gegen Maggi seitens der brasilianischen Justiz eine Untersuchung wegen Korruption und Geldwäsche lief, und zwar betreffend seine Amtszeit als Gouverneur von Mato Grosso. Die damalige Maggi-Administration steht im Verdacht, ein System von monatlichen Bestechungsgeldern aufgebaut zu haben, die im Austausch für politische Unterstützung an staatliche Gesetzgeber gezahlt wurden. Bei ihren Geschäftsaktivitäten in Brasilien verliess sich LDC demnach bewusst auf eine politisch exponierte Person. Bei der Gründung des Joint Ventures im Jahr 2010 spielte Blairo Maggi eine bedeutende Rolle in der Regierung, und war bereits bekannt dafür, sein Mandat für seine privatwirtschaftlichen Aktivitäten zu missbrauchen, was klare Interessenkonflikte darstellt.

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Manchmal geht das politische Engagement multinationaler Konzerne über die Umgehung von Steuerregelungen und das Zahlen von Bestechungsgeldern hinaus. Ein besonders schwerer Fall betrifft die Schweizer Firma Chiquita, die zwischen 1989 und 1999 nicht davon zurückschrak, paramilitärische Gruppen in Kolumbien direkt zu finanzieren. Zwar hat das Unternehmen zugegeben, Geld an eine Gruppe gezahlt zu haben, doch es versuchte gleichzeitig, sich selbst als Opfer von Erpressung durch ebendiese Gruppe darzustellen. Die Verfahren gegen Chiquita sind noch nicht abgeschlossen, auch wenn das Unternehmen ein Strafverfahren der US-Regierung durch Zahlung einer Geldstrafe von 25 Mio. US-Dollar im Jahr 2007 geregelt hat. 

Im Mai 2017 forderten Menschenrechtsorganisationen den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) auf, vierzehn ehemalige und aktuelle Führungskräfte und Mitarbeiter von Chiquita wegen Komplizenschaft bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzuklagen. Darüber hinaus, im August 2018, erhob der kolumbianische Generalstaatsanwalt Anklage gegen 13 ehemalige Führungskräfte von Chiquita wegen zahlreicher Fälle von Massenmord durch paramilitärische Gruppen zwischen 1997 und 2004. Die Angeklagten werden sich vor Gericht gegen den Vorwurf der Unterstützung von Terrorismus rechtfertigen müssen. Im April 2020 reichte EarthRights International als Vertreter von mehr als 200 kolumbianischen Klägern, deren Familienangehörige ermordet wurden oder die selbst Opfer von Gewalt durch Paramilitärs wurden, eine neue Klage gegen Chiquita in den USA ein. Dieser Fall veranschaulicht den Zusammenhang zwischen Korruption und Menschenrechtsverletzungen und zeigt, dass solche Machenschaften sehr reale und gravierende Auswirkungen auf das Leben der Menschen haben kann.