Handel im Kontext: Aussenwirtschaftspolitik

In der Aussenwirtschaftspolitik – und damit auch bei den Handelsbeziehungen – kommen Wirtschaftsinteressen immer wieder in Konflikt mit dem Schutz von Menschenrechten. Weil die Schweiz keine gesetzliche Grundlage hat, um diesen höchst relevanten Politikbereich zu regeln, fordert Public Eye ein griffiges Aussenwirtschaftsgesetz. Dieses muss Grundsätze, Ziele und Prioritäten definieren, nach denen aussenwirtschaftliche Beziehungen gestaltet werden – inklusive Mitwirkungsverfahren für die Zivilgesellschaft, um die Transparenz und demokratische Legitimation der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik zu verbessern.

Die Handelspolitik und besonders die bilateralen Freihandelsabkommen sind ein zentraler Pfeiler der Aussenwirtschaftspolitik. Wie muss eine schweizerische Aussenwirtschaftspolitik ausgestaltet sein, um eine nachhaltige und menschenrechtskonforme Handelspolitik – und zukunftsgerichtete Aussenwirtschaftsbeziehungen im Allgemeinen – sicherzustellen?

Beispielsweise stellt sich die Frage nach dem handelspolitischen Umgang mit Produkten aus Zwangsarbeit, nachdem der Bundesrat aufgrund der Erfahrungen mit China vom lange aufrecht erhaltenen Paradigma vom «Wandel durch Handel» abzurücken scheint; und dies über den konkreten Fall von chinesischen Importen aus der Region Xinjiang hinaus. Unter welchen Voraussetzungen sollen Handelsbeschränkungen (Handelssanktionen und Embargomassnahmen) im Fall von schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen erlassen werden, und nach welchen Regeln?

Denn bei totalitären Regimes stellt das Spannungsfeld zwischen Wirtschaftsinteressen und dem Schutz von Menschenrechten und anderen Nachhaltigkeitsanliegen eine besondere Herausforderung dar.

Darauf überzeugende Antworten zu finden ist umso dringlicher, als autokratische Regierungen weltweit zunehmen. Dabei geht es nicht alleine um den Abschluss weiterer Freihandelsabkommen, sondern um schweizerische Wirtschaftsbeziehungen im Allgemeinen, z.B. mit Weissrussland, der Türkei oder aktuell mit Burma.

© Keystone / Xinhua / Xing Guangli
2013 unterzeichnen der chinesische Handelsminister Gao Hucheng und Bundesrat Johann Schneider-Ammann in Peking ein umstrittenes Freihandelsabkommen.

Angesichts der sich in vielen Ländern verschlechternden Menschenrechtssituation, die im Fall der uigurischen Bevölkerung in China als Verbrechen gegen die Menschlichkeit (und damit als eine Verletzung von zwingendem Völkerrecht) eingestuft wird, muss die Schweiz in ihren aussenwirtschaftlichen Beziehungen klare Rote Linien definieren, um zu verhindern, sich dem Vorwurf der Komplizenschaft auszusetzen. Auch im Umweltbereich erfordert die Dringlichkeit, gegen die Klimakrise, den Biodiversitätsverlust und die Zerstörung natürlicher Ressourcen vorzugehen, ein rasches und konsequentes Handeln in allen Politikbereichen, auch in der Handelspolitik; und eine breit angelegte Diskussion zu Roten Linien, die zur Verhinderung weiterer Umweltzerstörung nicht überschritten werden dürfen.

Strategie ohne Gesetzesgrundlage

Der Bundesrat hat Ende 2021 eine neue Strategie zur Aussenwirtschaftspolitik verabschiedet. Diese ist jedoch einseitig auf die Wohlstandsförderung der Schweizer Bevölkerung und damit auf die eigenen Wirtschaftsinteressen ausgerichtet. In den verfassungsrechtlichen Grundlagen sind in Artikel 54(2) neben dem Einsatz für die schweizerische Wohlfahrt aber auch die Achtung der Menschenrechte und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen als aussenpolitische Ziele definiert – daran muss sich die Aussenwirtschaftspolitik orientieren

Diese Verfassungsbestimmungen gelten jedoch als normativ schwach; sie müssen konkretisiert werden. Zwar existiert ein Bundesgesetz über aussenwirtschaftliche Massnahmen aus dem Jahr 1982. Dieses enthält jedoch vorwiegend technische Verfahrensbestimmungen, beschränkt sich auf den Schutz der Schweizer Wirtschaft und bietet keine inhaltliche Orientierung für eine zeitgemässe Politikgestaltung der Aussenwirtschaft.

Die Schweiz braucht ein Aussenwirtschaftsgesetz

Ein wichtiges Anliegen eines Aussenwirtschaftsgesetzes (AWG) ist es demnach, die schweizerischen Wirtschaftsinteressen im Ausland in einer Weise zu fördern, die mit den aussenpolitischen Zielen und internationalen Verpflichtungen in Einklang steht. Grundlegende Fragen zu unseren Handelsbeziehungen sollen nicht länger punktuell und im Rahmen von Verhandlungen zu Freihandelsabkommen entschieden werden, sondern transparenten, gesetzlich definierten Grundsätzen, Zielen und Prioritäten folgen.

So wäre im AWG beispielsweise zu klären, welche Voraussetzungen für präferenzielle Handelsbeziehungen erfüllt sein müssen, und wie solche Abkommen auszugestalten sind, um der Schweiz den notwendigen Handlungsspielraum in Bezug auf Menschenrechtsschutz zu sichern. Damit verknüpft ist die Frage, welche wirtschaftspolitischen Massnahmen gegenüber totalitären Regimes angezeigt sind und welche Regeln für Handelssanktionen und Embargomassnahmen gelten sollen.

Menschen in blauer Arbeitskleidung wie im Zwangsarbeitslager und mit Masken protestieren vor dem Bundeshaus gegen das Freihandelsabkommen mit China. Auf einem Transparent steht: Zwangslager in China. 23'000 fordern: Freihandelsabkommen neu verhandeln! #NoComplicity" © Franziska Rothenbühler / GfbV
Das Freihandelsabkommen mit China wurde und wird von zivilgesellschaftlichen Gruppen aufgrund der Menschenrechtslage in China immer wieder kritisiert.

Verbesserte Transparenz und demokratische Legitimation

Bundesrätliche Vorgaben im aussenwirtschaftlichen Bereich und deren Umsetzung durch die Verwaltung sind wenig transparent und entziehen sich dadurch der öffentlichen Diskussion, insbesondere bei den Aussenhandelsbeziehungen. So sind die vom Bundesrat erteilten Verhandlungsmandate für Freihandelsabkommen im Unterschied zur EU nicht öffentlich, was eine Debatte über Zielvorgaben, Prioritäten und Rote Linien verhindert. Diese Intransparenz wird auch von der NZZ kritisiert: «Die Zeit der Geheimdiplomatie, in der die Obrigkeit nach langem Wirken hinter verschlossenen Türen den staunenden Untertanen ein Verhandlungsergebnis präsentiert, ist vorbei.»

Neben den materiellen Bestimmungen sollte ein Aussenwirtschaftsgesetz denn auch die Mitwirkungsverfahren festlegen.

Die Strategie zur Aussenwirtschaftspolitik verspricht eine «partizipative Aussenwirtschaftspolitik» - diese muss nun eine solide Rechtsgrundlage erhalten. Das Parlament und die Zivilgesellschaft müssen frühzeitig Einfluss auf die Ausgestaltung der Aussenwirtschaftspolitik nehmen können. Eine verbesserte Mitsprache, transparente Prozesse zur Umsetzung von Zielvorgaben und nachvollziehbare Entscheidungsverfahren zum Umgang mit Zielkonflikten stärken die demokratische Legitimation der Aussenwirtschaftspolitik.