Die Rolle von Anwält*innen und anderen «Korruptionsvermittlern»

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In der Schweiz sind Anwält*innen, Berater*innen und Treuhänder*innen in vielen Fällen nicht dem Geldwäschereigesetz (GwG) unterstellt, beispielsweise bei der Errichtung jener rechtlichen Strukturen, die zur Verschleierung illegaler Aktivitäten genutzt werden können. Damit besteht ein grosses Risiko, dass diese Berufsgattungen bei korrupten Praktiken oder Geldwäscherei eine vermittelnde Rolle einnehmen.

Eine Studie der Financial Action Task Force (FATF), die internationale Standards gegen Geldwäscherei setzt, wies bereits 2010 auf die Mängel der Schweizer Gesetzgebung hin, die die Aktivitäten dieser «Dienstleister*innen» nicht ausreichend reguliert:

«‚Gatekeeper‘ hüten die Tore des Finanzsystems, welche potenzielle Nutzniesser*innen dieses Systems, darunter Geldwäscher*innen, passieren müssen. Aufgrund ihres Status können sie Zugang zu verschiedenen Funktionen gewähren, die Kriminellen beim Verschieben oder Verbergen ihrer Gelder helfen könnten.»

Die OECD kritisiert, dass Anwält*innen, Notar*innen, Buchhalter*innen und Treuhänder*innen sowie andere Dienstleister*innen für Trusts und Firmen, wenn sie solche Konstrukte gründen oder verwalten, nicht dem GwG unterliegen.

Anwältinnen und Anwälte

In der Schweiz nehmen viele Anwält*innen auch eine vermittelnde Rolle ein und bieten ihren Mandant*innen schlüsselfertige Lösungen. Dazu gehören die Schaffung anonymisierter Strukturen, die Eröffnung von Bankkonten und die Verwaltung von Vermögen. Manchmal verteidigen sie sogar vor Gericht die Firmen, die sie selbst gegründet und verwaltet haben, ebenso wie deren Besitzer, sofern diese überhaupt bekannt sind.

In der Praxis melden Anwält*innen bei der MROS nur sehr selten einen Verdacht auf Geldwäscherei. Von über 7705 Verdachtsmeldungen, die die MROS 2019 erhielt, kamen gerade einmal 5 von Anwält*innen oder Notar*innen, also 0,06%.

Dieser minimale Beitrag zur Geldwäschereibekämpfung könnte daran liegen, dass sich Anwält*innen hinter ihrem Berufsgeheimnis verstecken. Anwält*innen und Notar*innen sind in Bereichen, in denen sie an das Berufsgeheimnis gebunden sind – beispielsweise die Rechtsvertretung und -beratung – nicht verpflichtet, den Behörden einen Verdacht zu melden. Die Anlageberatung, die Vermögensverwaltung und die Verwaltung von Gesellschaften oder Trusts fallen zwar grundsätzlich nicht unter das Berufsgeheimnis, aber bei vielfältigen Tätigkeiten kann das leicht übersehen werden.

Und laut GwG gelten die Pflichten für Anwält*innen auch nur dann, wenn sie direkten Zugriff auf die verwalteten Vermögen haben. Die Beratung, Gründung oder Verwaltung von Strukturen wie Briefkastenfirmen oder Trusts sind aktuell nicht davon erfasst.

Anwält*innen, profitieren somit von einer eklatanten Lücke im Schweizer Geldwäschereidispositiv.

Werden diese Tätigkeiten nicht ebenfalls erfasst, fehlen der Gesetzgebung wichtige Zähne im Kampf gegen Geldwäscherei.

Das Parlament hat es offensichtlich nicht eilig, hier einen Riegel vorzuschieben: Es hat soeben eine Änderung des Geldwäschereigesetzes (GwG) verabschiedet, aus dem eine solche «Beraterklausel» gestrichen wurde. Diese hätte endlich auch Sorgfaltspflichten für Anwält*innen und Treuhänder*innen beinhaltet, die Dienstleistungen für Firmenkonstrukte oder Trusts erbringen. Dabei wäre es höchste Zeit, wie der Strafrechtsprofessor und Korruptionsexperte Mark Pieth es ausdrückt, «den Blick auf Genf zu richten, an die Rue Général-Dufour, wo Anwälte Offshore-Konstrukte errichten».

Treuhänderinnen und Treuhänder

Wie die OECD schon kritisierte, stellen auch die Schweizer Behörden in einem Bericht fest, dass die «Hauptgefahr, die Schweizer Unternehmen in Bezug auf Geldwäscherei im Zusammenhang mit mutmasslicher Korruption im Ausland darstellen, […] von den von ihnen beigezogenen Beratungs- und Vermögensverwaltungsgesellschaften, Finanzdienstleistern und Treuhändern» ausgeht (NRA, Korruption als Geldwäschereivortat)

Im Falle der Treuhänder*innen liegen die gesetzlichen Schwachstellen nicht allein in der Art der Aktivitäten, sondern auch in deren Überwachung und den fehlenden Daten. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) beauftragt eine Selbstregulierungsorganisation (SRO), die zu prüfen hat, ob Treuhänder*innen die Sorgfaltspflichten des GwG einhalten. Angaben zu Sanktionen gegen Treuhänder*innen, die ihre Geldwäschereibekämpfungspflichten nicht einhalten, sind nicht öffentlich und es gibt keine Daten darüber, wie viele Treuhänder*innen Beratungsleistungen erbringen, die nicht dem GwG unterliegen.