Die Schweiz: Ein Hub für Offshore-Gesellschaften

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In den letzten Jahren haben massive Datenlecks die problematische Rolle von Schweizer Berater*innen bei der Schaffung und Verwaltung von undurchsichtigen Strukturen, insbesondere von Offshore-Gesellschaften im Ausland, aufgezeigt. Dies stellt ein «erhöhtes Risiko» für den Ruf der Schweiz dar.

Die Meldungen an die MROS belegen eindeutig, wie häufig juristische Personen (z.B. Briefkastenfirmen, Trusts, Stiftungen) in Korruptionsfälle verwickelt sind. Die gesammelten Daten zeigen, dass in Geschäftsbeziehungen, die wegen Korruptionsverdachts gemeldet werden, weitaus mehr Unternehmen (fast 60%) vorkommen als Einzelpersonen.

Das schmutzige Geld aus grossen internationalen Korruptionsfällen wird sehr oft von Offshore-Firmen im Ausland beherbergt. Die Schweiz spielt jedoch eine Schlüsselrolle, denn diese Strukturen werden häufig hierzulande verwaltet, durch Treuhandgesellschaften oder Anwaltskanzleien. In neun von zehn bei der MROS gemeldeten Fällen haben die Firmenkonstrukte, die mutmasslich zur Wäsche von Korruptionsgeldern genutzt werden, ihren Sitz im Ausland, grösstenteils haben sie ihren Sitz in Mittelamerika und der Karibik.

Unter Offshore-Gesellschaft versteht man eine Firma, die in ausländischen Rechtsgebieten, meistens mit privilegierter Besteuerung sowie einem regulatorischen Umfeld, das Vertraulichkeit garantiert, gegründet wird. Im April 2016 enthüllten die Panama Papers das umfangreiche Geschäft von Firmen mit Sitz in Offshore-Jurisdiktionen (z.B. Panama, Britische Jungferninseln) und deren massive Verstrickung in illegale Affären. Die Vermittler*innen, die solche Firmen gründen, wurden ins Rampenlicht gerückt. Die Anwaltskanzlei Mossack Fonseca hatte sogar Firmen gegründet, ohne deren wirtschaftlich Berechtigte überhaupt zu kennen.

Der Skandal deckte auch die zwielichtige Rolle der Schweiz auf: Über 38’000 der vom International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) identifizierten Offshore-Gesellschaften waren von Schweizer Vermittler*innen gegründet worden.

Ein Forscher der Universität Sussex stellte die in den Panama und Paradise Papers (2017) erwähnten Briefkastenfirmen mit Verbindung zu politisch exponierten Personen (PEP) kartografisch dar. Seine Studie zeigt die Rolle der Schweiz als «wichtige internationale Drehscheibe bei der Vermittlung von PEP-Briefkastenfirmen».

Neben von der Schweiz aus gegründeten Firmen sind auch viele andere Offshore-Firmen durch Bankkonten mit der Schweiz verbunden, die hierzulande auf ihren Namen eröffnet wurden.

Die Bundesverwaltung wies 2017 darauf hin, dass solche Unternehmen ein «erhöhtes Risiko» für die Finanzplätze Zürich, Genf und Lugano darstellen.

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Komplexe Strukturen und Konstrukte

In der Schweiz und auf internationaler Ebene gibt es Unternehmensstrukturen, die zu einem festen Bestandteil der globalen Finanzlandschaft geworden sind. Sie können jedoch auch illegalen Zwecken wie der Geldwäscherei oder der Bestechung dienen. Intransparente Firmenkonstrukte ermöglichen es, rechtswidrige Aktivitäten zu vertuschen und gleichzeitig die Anonymität der wirtschaftlich Berechtigten zu wahren.

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  • Die Rolle von Sitzgesellschaften in Korruptionsaffären

    Sitzgesellschaften, auch Domizilgesellschaften genannt, üben keine operative Tätigkeit aus, d.h. sie betreiben weder Produktion noch Handel. Sie werden auch als «Briefkastenfirmen» bezeichnet, weil ihre Hauptfunktion in den meisten Fällen darin besteht, einer Firma eine Postadresse zuzuweisen, ohne dass diese normale operative Tätigkeiten hätte.

    Domizilgesellschaften mit Sitz in der Schweiz oder im Ausland sind in 38% der nachgewiesenen Korruptionsfälle in der Schweiz involviert. Laut Schweizer Behörden stellen sie eine grosse Gefahr im Kampf gegen Geldwäscherei dar. Ihre Beteiligung bzw. ihren Einsatz illustriert unter anderem die Korruptionsaffäre Odebrecht. Die Bundesanwaltschaft sprach in diesem Zusammenhang von einem «ausgeklügelten System von Firmen» für die Zahlung von Schmiergeldern und hob die Rolle der Vermittler*innen hervor.

  • Trusts sehr oft mit Geldwäscherei in Verbindung

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    Trusts sind in der Regel keine juristischen Personen. Ihre rechtliche Struktur liegt irgendwo zwischen einer Treuhandgesellschaft und einer Stiftung. Bestimmte Vermögenswerte können einer oder mehreren Personen (trustees) anvertraut werden, die diese verwalten und für einen durch die Gründungsperson (settlor) vorgegebenen Zweck verwenden. Trusts können eine*n oder mehrere Begünstigte*n (beneficiary) haben. Ihre Struktur ist sehr undurchsichtig.

    Das Schweizer Recht kennt diese Rechtsform nicht. Als Rechtsform anerkannt werden Trusts erst seit der Ratifizierung des Haager Trust-Übereinkommens, das in der Schweiz seit 2007 in Kraft ist.

    Bei Trusts besteht ein hohes Risiko, dass sie mit der Geldwäscherei von Bestechungsgeldern in Zusammenhang stehen. Bestechung macht einen Drittel der mutmasslichen Vortaten in Verbindung mit Trusts aus, die der MROS zwischen 2013 und 2015 gemeldet wurden.

Die Rolle von Schweizer Unternehmen in Korruptions- und Geldwäschereisystemen

Auch Schweizer Firmen werden als Vehikel für Korruption und Geldwäsche genutzt, sei es als sogenannte operative Gesellschaften oder als Sitzgesellschaften. Gerade letztere können in der Schweiz immer noch die Identität der wirtschaftlich Berechtigten verbergen.

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  • Operative Gesellschaften

    Eine Gesellschaft gilt als operativ, wenn sie zur Ausübung einer industriellen oder gewerblichen Tätigkeit gegründet wurde. In Fällen mutmasslicher Geldwäscherei im Zusammenhang mit Auslandskorruption handelt es sich bei den beteiligten juristischen Personen aus der Schweiz meist um operativ tätige Aktiengesellschaften, häufig aus den Bereichen Beratung und Finanzverwaltung. Ein perfektes Beispiel ist der Fall Odebrecht. Vermögenswerte, die aus Bestechung fremder Amtsträger stammen, gelangen selten direkt auf Schweizer Bankkonten. Meistens werden sie zuerst über andere Rechtsgebiete in das legale Finanzsystem eingeführt und landen anschliessend auf Schweizer Bankkonten.

  • Sitzgesellschaften

    Zwar verfolgen Gesellschaften ohne operative Tätigkeit nicht zwangsläufig zweifelhafte Zwecke, doch wird diese Gesellschaftsform am häufigsten verwendet, wenn es darum geht, die Identität der wirtschaftlich Berechtigten in der Schweiz zu vertuschen. Bis vor kurzem kamen Schweizer Kapitalgesellschaften, Genossenschaften und Stiftungen in den Genuss des privilegierten kantonalen Steuerstatus für Domizilgesellschaften. Auch Trusts, Stiftungen oder Treuhandgesellschaften konnten von diesem Status profitieren. Seit der Unternehmenssteuerreform im Jahr 2019 gilt das Steuerprivileg für Domizilgesellschaften nicht mehr. Aufgrund des fehlenden öffentlichen Registers zu den wirtschaftlichen Berechtigten gelten Sitzgesellschaften weiterhin als missbrauchsanfällig.

Eine dubiose belarussische Bank in den Händen einer Freiburger Briefkastenfirma

2012 beschloss das US-Finanzministerium, die belarussische Bank Credex unter dem Patriot Act von 2001 auf eine schwarze Liste zu setzen. Die US-Behörden verdächtigten die Bank – gemessen an ihrem Kapital auf Platz 22 in ihrem Land – der Geldwäscherei. Zwischen Januar und März 2010 soll sie rund eine Milliarde Dollar an Offshore-Firmen mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln und in anderen Jurisdiktionen überwiesen haben. Zum besagten Zeitpunkt befand sich die Bank zu 96,82% im Besitz der Briefkastenfirma Vicpart Holding. Die Firma mit Sitz in Freiburg verfügte weder über ein Büro noch hatte sie Mitarbeitende. Ihre Adresse befand sich in einem Freiburger Gebäude, in dem über zweihundert Unternehmen registriert sind. Geleitet wurde sie von einem Geschäftsführer aus Genf – wobei sich ihre Geschäftstätigkeiten darauf beschränkten, die Credex-Aktien zu halten. Ähnliche Massnahmen haben die US-Behörden seit 2001 erst gegen neun weitere Finanzinstitute ergriffen. Es ist ihnen nie gelungen, die tatsächlichen Eigentümer von Vicpart ausfindig zu machen. Die Freiburger Firma wurde im Januar 2013 aufgelöst.