Kampagne für bezahlbare Medikamente

Patente, Intransparenz und irrwitzige Preise
Mit dem Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights; TRIPS 1995) wurde auf internationaler Ebene ein neuer Mindeststandard für die Erteilung von Patenten, auch auf Medikamente, festgelegt. Dank des durch Patente gewährten Monopols können die Pharmaunternehmen für ihre Medikamente und Behandlungen immer höhere Preise bestimmen. Um diese zu rechtfertigen, beziehen sich die Pharma-Firmen unbeirrt auf die angeblich hohen Ausgaben für Forschung & Entwicklung. Die tatsächliche Höhe dieser Kosten ist allerdings eines der bestgehüteten Geheimnisse der Branche. Verpflichtungen zur Offenlegung der tatsächlichen Kosten gibt es keine, und der Nutzen neuer Medikamente kann nicht immer wissenschaftlich belegt werden.
Report: Protect patients, not patents
Public Eye, Mai 2018.
Die öffentliche Gesundheit steht auf dem Spiel
Patente wurden ursprünglich eingeführt, um die Balance zwischen privaten und öffentlichen Interessen zu wahren. Dieses Gleichgewicht hat sich aber schon seit längerem zugunsten der Pharmabranche verschoben, deren Nettogewinn oft 20% ihres Umsatzes übersteigt. Überhöhte Medikamentenpreise führen dazu, dass viele Patientinnen und Patienten nicht die Behandlung erhalten, die am besten geeignet für sie wäre: War der fehlende Zugang zu lebensnotwendigen Medikamenten einst ein Problem in Entwicklungs- und Schwellenländern, so betrifft er heute auch reiche Länder wie die Schweiz. Die Regierungen sind machtlos gegen die Allmacht der Pharmariesen und schaffen es dadurch nicht, das Recht ihrer Bevölkerung auf Gesundheit zu garantieren. Das derzeitige staatliche Preiskontrollsystem ist für patentierte Arzneimittel in Monopolsituationen unwirksam.

Im Land der Pharma steht nicht der Patient an erster Stelle
In der Schweiz machen Medikamente einen signifikanten Teil der Gesundheitskosten aus. Mit den steigenden Medikamentenpreise schiessen auch die Krankenkassenprämien in die Höhe: Dem Bundesamt für Statistik zufolge beliefen sich die Kosten für Medikamente 2016 auf 6,5 Milliarden Franken, sprich mehr als 20% der Ausgaben der obligatorischen Krankenversicherung. Um den Ausgaben Herr zu werden, greifen die Behörden zu einem fragwürdigen Mittel: Die Limitierung der Vergütung, was bis zur Rationierung führen kann. Eine solche Entscheidung schränkt den Zugang zu bestimmten lebensrettenden Behandlungen stark ein oder erschwert ihn, wie das jüngste Beispiel neuer Hepatitis-C-Behandlungen gezeigt hat.
Krebs – Eine einträgliche Krankheit
Die Behandlungskosten von Krebs – weltweit eine der häufigsten Todesursachen – haben schwindelerregende Höhen erreicht. In der Schweiz machen Krebsmedikamente einen grossen Teil der Gesundheitskosten von Medikamenten aus. Es ist keine Seltenheit mehr, dass eine Behandlung mehr als 100‘000 Franken pro Person und Jahr kostet – 30% mehr als ein mittleres Jahresgehalt im Jahr 2016.
Perjeta: Ein beispielhafter Fall
Fast 540‘000 Franken – so viel musste eine Krankenkasse über einen Zeitraum von sechs Jahren für die Behandlung einer Schweizer Brustkrebspatientin insgesamt bezahlen. Zum Einsatz kam eine Kombination aus zwei Krebsmedikamenten des Basler Pharmariesen Roche: Herceptin (mehr als 70 Milliarden Franken Umsatz seit der Markteinführung) und Perjeta, das 2012 auf den Markt kam und dessen Kosteneffizienz als ungünstig eingestuft wird. Roche vertreibt drei von vier Medikamenten gegen diesen Krebstyp (HER2+) und verfügt über eine dementsprechend dominante Position.
Heilungschancen dürfen keine Geldfrage sein – weder in der Schweiz noch sonst wo

Das Recht auf den bestmöglichen Gesundheitsstandard ist ein fundamentales Menschenrecht. Dazu gehört auch das Recht auf Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten. Das derzeitige Preismodell, in dem die Pharmaunternehmen die Preise nach eigenem Ermessen festlegen können, bedroht jedoch die Nachhaltigkeit der Gesundheitssysteme und das Prinzip der universellen Gesundheitsversorgung weltweit.
Die Lösung: Zwangslizenzen
Um die negativen Folgen von Patenten abzufangen, gewähren die sogenannten TRIPS-Flexibilitäten einen gewissen Spielraum. Die Zwangslizenz ist dabei das effektivste Instrument, um die Preise zu senken und den Zugang zu lebensnotwendigen Medikamenten zu gewährleisten. Sie erlaubt einem Dritten, beispielsweise einem Generika-Hersteller, ein bestimmtes Medikament trotz bestehendem Patentschutz zu produzieren und zu vertreiben. Zwangslizenzen sind aber auch wiederholt Gegenstand aggressiver Fehlinformationskampagnen und diplomatischen Drucks, weil sie die finanziellen Interessen der Pharmaindustrie gefährden.
Um exzessiven Medikamentenpreisen entgegenzuwirken und das Problem bei dessen Wurzel anzupacken, «verschreiben» zahlreiche Schweizer und internationale Experten Zwangslizenzen. Wir haben sie gefragt, weshalb.
Das meinen Expertinnen und Experten dazu
Unsere Kampagne "Für bezahlbare Medikamente"
In Zusammenarbeit mit der Krebsliga hat Public Eye im Mai 2018 eine schweizweite Kampagne lanciert. Mit der Sammelbeschwerde «für bezahlbare Medikamente» forderten wir den Bundesrat auf, überteuerte Medikamentenpreise zu bekämpfen und zu Zwangslizenzen zu greifen, wenn dies nötig ist. Hohe Medikamentenpreise sind nicht unvermeidlich! Sie können und müssen von unseren Behörden bekämpft werden. 33‘103 Menschen haben die Sammelbeschwerde unterschrieben. Public Eye übergab die Unterschriften im September 2018 dem Eidgenössischen Departement des Innern (EDI). Der Ball liegt nun beim Bundesrat, der Farbe bekennen muss, ob er die Sorgen der Bevölkerung und das Menschenrecht auf Gesundheit höher gewichtet als die Profitinteressen der Pharmakonzerne.
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© Sebastien Gerber
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