Was die Schweiz mit dem Rohstoff-Fluch zu tun hat

© Pep Bonet/Noor/Keystone
Zwei Drittel aller Energie- und Metall-Ressourcen und ein Grossteil der Agrarrohstoffe stammen aus Ländern des globalen Südens. Doch diese rohstoffreichen Länder und ihre Bevölkerungen leiden unter dem Rohstoff-Fluch: der Tatsache, dass sie durch vermehrte Korruption, wachsende Ungleichheit und Konflikte kaum von ihrem Reichtum profitieren.

Die Kernfrage des Rohstoff-Fluchs lautet: Warum verharren Länder, die reich an mineralischen und fossilen Ressourcen sind, dennoch in bitterer Armut? Käme der Rohstoff-Reichtum effektiv der Bevölkerung in südlichen Ländern zugute, könnten bis 2030 gegen 540 Millionen Menschen den Weg aus der Armut finden.

Kein unabwendbares Schicksal

Rohstoffabhängige Länder wie Botswana, Kanada, Indonesien, Norwegen oder Oman nutzen ihren natürlichen Reichtum umsichtig. Und auch in Afrika ist das durchschnittliche Wachstum der rohstoffreichen Länder höher als jenes der rohstoffarmen. Trotzdem ist unbestritten, dass rohstoffreiche Länder stärker wachsen könnten und müssten, als es tatsächlich der Fall ist.

Noch deutlicher wird das Problem, wenn statt Wachstumszahlen Entwicklungsindikatoren betrachtet werden. Die Mehrheit der Länder mit der weltweit höchsten Kindersterblichkeit sind rohstoffreiche afrikanische Länder. In Nigeria oder Angola etwa nahm die Armut trotz vom Ölboom getriebener Wachstumsraten signifikant zu. Und Äquatorialguinea liegt in Bezug auf das BIP pro Kopf weltweit zwar an 39. Stelle, auf dem UNO-Index der menschlichen Entwicklung hingegen belegt das Land nur Rang 135 (von 188) (2017).

Tiefe Entwicklungsindikatoren in rohstoffreichen Ländern © Public Eye

Die Erklärung für das Auseinanderklaffen von Wirtschaftswachstum und menschlicher Entwicklung liegt in einer extrem ungleichen Einkommensverteilung. Angola ist dafür das Paradebeispiel: Trotz Erdölboom lebt über 40% der Bevölkerung immer noch unter der Armutsgrenze. Gleichzeitig wurde die Tochter des angolanischen Präsidenten, Isabel dos Santos, 2013 als erste afrikanische Frau auf der Forbes-Milliardärsliste geführt.
Der von Ex-UNO-Generalsekretär Kofi Annan mitherausgegebene «Africa Progress Report» (2013) nennt einen Hauptgrund für die anhaltende Armut in rohstoffreichen Ländern: «Wie gut Regierungen in der Lage sind, einen fairen Teil der Rohstoff-Export­einnahmen für den öffentlichen Haushalt zu sichern, hängt von der Effizienz des Steuersystems und dem Verhalten der Investoren ab.»

«Viele Länder (…) verlieren Einnahmen durch eine unzureichende Verwaltung von Konzessionen, aggressive Steuer­vermeidung, Steuer­­hinterziehung und korrupte Praktiken.»

Die (mangelnde) Verantwortung der Förder- und der Handelsfirmen

Die fehlende Abschöpfung des Rohstoffreichtums in den Förderländern ist gemäss dem «Africa Progress Report» direkt mit dem Verhalten der Rohstoffunternehmen verknüpft. Ohne eine gerechtere Verteilung der Rohstofferträge zwischen den Förderländern und den zumeist ausländischen Firmen gibt es also keine Milderung des Rohstoff-Fluchs. Auch der Oxford-Professor und Berater der britischen Regierung Paul Collier betont die Verantwortung der Unternehmen: «Im Unterschied zu rein produktiven Aktivitäten schafft die Rohstoff-Förderung sowohl Renten als auch Profite, wenn in sich werthaltige Stoffe aus dem Boden geholt werden. (…) Spektakuläre Profite von Rohstoffunternehmen sind deshalb höchstwahrscheinlich Rentenabschöpfung: Unternehmen eignen sich die Ressourcen von armen Menschen an. Dieses Verhalten demonstriert nicht einen ausserordentlich hohen Geschäftssinn, sondern eine ausserordentlich geringe Unternehmensethik.»