Vitol – Die Erdölkönigin Kasachstans

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Die Recherche von Public Eye zu Vitols Geschäften in Kasachstan deckt auf, wie der Rohstoffkonzern mittels eines diskreten Joint Ventures Verbindungen mit politisch exponierten Personen einging und sich so zum grössten Rohölexporteur des zentralasiatischen Landes machte.

Seit 1990 regiert Nursultan Nasarbajew Kasachstan als erster und bisher einziger Präsident. Während dieser fast 30 Jahren an der Spitze des überaus rohstoffreichen Landes konnte der Clan rund um den Autokraten kolossale Vermögen anhäufen.

Vitol erobert das schwarze Gold

Auch von Beginn an dabei ist Vitol. Mit dem Aufkaufen kleiner Restmengen an Rohöl fand die Schweizer Rohstoffhandelsfirma eine Nische, die ihr den Eintritt in den vielversprechenden kasachischen Markt erlaubte. 2014 verkaufte Vitol bereits 21 Prozent der kasachischen Erdölexporte. Ab dem folgenden Jahr erhielt die Genfer Firma Zugang zu den beiden grössten Erdölfeldern des Landes, im Austausch gegen einen Kredit an die staatliche Erdölgesellschaft KazMunayGas in der Höhe von 5,2 Milliarden Dollar.

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Die Genfer Rohstoffhandelsfirma Vitol ist einer der grössten Exporteure kasachischen Erdöls.

Die rätselhafte Ingma

Für diesen rasanten Aufstieg rief Vitol zu Beginn des neuen Jahrhunderts ein diskretes Joint Venture mit dem Namen Ingma Holding BV ins Leben, deren Aktionäre dem Milliardär Timur Kulibajew, dem Schwiegersohn des kasachischen Dauerpräsidenten Nursultan Nasarbajew, nahestehen. Exklusive Dokumente zeigen, dass von dieser Partnerschaft mit Vitol indirekt auch Kulibajew profitierte, der von 1997 bis 2011 in den grössten staatlichen Ölgesellschaften Kasachstans Leitungsfunktionen innehatte und der auch heute noch die Schlüsselfigur im Energiesektor ist. Von 2009 bis 2016 hat Ingma 93 Milliarden Dollar Umsatz gemacht und über eine Milliarde an Dividenden an seine Aktionäre ausgeschüttet, unter anderem auch auf Schweizer Bankkonten.

Grundlegende Massnahmen

Der Fall von Vitol in Kasachstan verdeutlicht einmal mehr die Notwendigkeit, den Rohstoffhandelssektor verbindlich zu regulieren ─ auf drei Ebenen:

Im Hinblick auf das hochriskante Geschäftsmodell von Unternehmen wie Vitol ist gerade dieser letzte Punkt von zentraler Bedeutung. Im Gegensatz zu den Banken, die wegen dem Geldwäschereigesetz politisch exponierte Personen (PEPs) genau unter die Lupe nehmen müssen, haben Rohstoffkonzerne diesbezüglich keinerlei rechtliche Verpflichtungen. Vitols Geschäfte in Kasachstan zeigen exemplarisch, wie gewisse Rohstoffhandelsfirmen nicht davor zurückschrecken, mit PEP Gemeinschaftsunternehmen zu betreiben und ihnen so Dividenden zukommen zu lassen. Auf diese Weise können Kommissionszahlungen vermieden werden, die viel augenfälliger auf Korruption hinweisen. 

Es ist höchste Zeit, dass den Rohstoffhändlern gesetzliche Sorgfaltspflichten im Geschäft mit politisch exponierten Personen auferlegt werden, um Korruptionsrisiken zu vermeiden. Die Einführung von Sorgfaltspflichten hätte eine doppelte Wirkung. Erstens präventiv, indem sie die Firmen zwingen würde, die richtigen Fragen zu stellen und ihre Praktiken zu dokumentieren. Und zweitens repressiv, da sie es ermöglichen würde, Verstösse zu ahnden.

Obwohl der Bundesrat die besondere Verantwortung der Schweiz als weltweit führender Handelsplatz anerkennt, hat er bislang keinerlei wirksame Massnahmen zur Eindämmung der damit verbundenen Risiken ergriffen. Anstatt korrupte kasachische Oligarchen und deren kolossale Vermögen mit offenen Armen zu empfangen, muss der Bundesrat mit einer Rohstoffmarktaufsicht endlich entschieden gegen den Schweizer Beitrag zum «Rohstofffluch» vorgehen.

Weitere Informationen:

Licht in dunkle Geschäfte Recherchen zum Rohstoffhandel