«Jetzt geht es ihnen an den Kragen»

Der Rohstoffhändler Gunvor hat ein neues Problem: Anderthalb Jahre nach seiner Verurteilung durch die Schweizer Justiz wegen «Organisationsmängeln» im Zusammenhang mit Korruption in der Republik Kongo und in Côte d’Ivoire steht der Rohstoffhändler erneut im Mittelpunkt eines undurchsichtigen Bestechungsfalls.

In Genf werden die Missgeschicke von Gunvor in Ecuador von der Geschäftswelt aufmerksam verfolgt. Im Oktober 2019 war der Genfer Rohstoffhändler bereits wegen Korruption bei Ölverträgen in Kongo-Brazzaville und Côte d’Ivoire verurteilt worden. Nun sagen diverse Insider*innen gegenüber Public Eye, dass ihnen der aktuelle Fall wie eine schlechte Neuauflage desselben Films vorkommt, nur diesmal wohl mit viel schwerwiegenderen Folgen.

«Diesmal haben die Amerikaner das Sagen, da könnte es zu einer sehr, sehr hohen Busse kommen», schätzt ein Anwalt, der in diesem Sektor tätig ist. «Jetzt geht es ihnen an den Kragen.» Der Skandal in Afrika kostete Gunvor insgesamt 94 Millionen Franken (4 Millionen Franken Busse und 90 Millionen für eine Ersatzforderung). Public Eye hatte den Fall 2017 im Bericht «Gunvor im Kongo» dokumentiert.

Report: Gunvor im Kongo

Öl, Schmiergeld, Politik.
Die Abenteuer einer Genfer Firma in Brazzaville.
Eine Geschichte in sechs Akten.

 

Explodierende Beträge

Das Ausmass der ecuadorianischen Affäre schockiert viele.

«70 Millionen US-Dollar Provisionen, wovon 22 Millionen an ecuadorianische Beamte gingen. Das sind gigantische Beträge: um ein Vielfaches höher als im Fall Kongo-Brazzaville»,

meint ein Händler. Er glaubt, dass es diesmal für Gunvor sehr schwierig wird zu behaupten, ein krimineller Mitarbeiter habe allein gehandelt und seine Vorgesetzten getäuscht, um solche massiven Zahlungen auszulösen.

Ein ehemaliger Mitarbeiter von Gunvor hat sich schliesslich schuldig bekannt. Das US-amerikanische FBI hatte seine Gespräche aufgezeichnet und ihn daraufhin in die Mangel genommen. Er schilderte, wie die korrupten Deals zustande kamen und zeigte auf, dass seine Vorgesetzten die Verantwortung dafür tragen. Die von der US-Justiz veröffentlichte Anklageschrift hält fest, dass innerhalb des Handelshauses «weitere Personen (...) wussten, dass diese Zahlungen zumindest teilweise zur Bestechung ecuadorianischer Beamter verwendet werden würden».

Nun muss noch die genaue Verantwortungskette ermittelt werden. In Genf wird über hochrangige Gunvor-Führungskräfte spekuliert, deren Namen bereits in der Kongo-Affäre aufgetaucht sind, die aber damals nicht zur Rechenschaft gezogen wurden: etwa den Leiter der Rohölabteilung und den damaligen Verantwortlichen für das Geschäft in Europa und Asien. Oder in Bezug auf Ecuador die damals für Finanzen zuständige Person in Singapur.

Die Zahlung der gigantischen Provisionen, die für die ecuadorianischen Vermittler bestimmt waren, hat Gunvor von Singapur aus veranlasst, sagt die amerikanische Justiz. Die Millionen sollen auf Bankkonten in der Schweiz, in Panama und auf den Cayman-Inseln gelandet und dann teilweise an ecuadorianische Beamt*innen weitergeleitet worden sein.

© Reuters
Torbjörn Törnqvist, CEO von Gunvor, an der «Oil & Money» Konferenz in London.

Die Banken werden nervös

Diverse Banken, welche die Geschäfte von Gunvor finanzieren, werden langsam nervös. «Lernt denn das Management von Gunvor nichts dazu? Es ist schockierend!», meint ein Banker in Bezug auf CEO Torbjörn Törnqvist. Auch dieser wurde wegen dem Kongo-Skandal zu keinem Zeitpunkt belangt.

Auf eine Anfrage von Public Eye reagiert Gunvor mit einer allgemein gehaltenen Mitteilung über ihre Compliance-Standards im Bankwesen: Betreffend Korruption gelte ein «Null-Toleranz-Ansatz», der das Unternehmen dazu gebracht habe, «auf den Einsatz von Vermittlern bei der Geschäftsentwicklung zu verzichten». Gunvor erklärt, vorbehaltlos mit den US-Justizbehörden zu kooperieren.

Unter dem Gesichtspunkt der Rückfälligkeit sollte sich eigentlich auch die Schweizer Justiz für diesen neuen Fall interessieren.

Denn während gegen Gunvor in der Schweiz wegen Aktivitäten in Kongo-Brazzaville und Côte d’Ivoire ermittelt wurde, liefen die Geschäfte in Lateinamerika mit ähnlichen Methoden glänzend. Auf Nachfrage teilt die Bundesanwaltschaft mit, sie äussere sich «zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu diesem neuen Fall».

Eben hat Gunvor erfreuliche Ergebnisse vorgelegt: 50 Milliarden US-Dollar Umsatz und 320 Millionen Gewinn im Jahr 2020. Da sich der Rohstoffhändler in Afrika die Finger verbrannt hat, in Ecuador auf der schwarzen Liste steht und in den USA in Ungnade gefallen ist, dürfte er künftig neue Gefilde ansteuern. Ende März sagte Torbjörn Törnqvist gegenüber Reuters, er wolle seine Erdölgeschäfte in Russland wiederaufnehmen. «Wir erhalten immer mehr Öl von dort», hielt er fest. Unter den aktuellen Umständen könnte sich diese Rückkehr zu den Wurzeln noch etwas beschleunigen.

Agathe Duparc

Unterstützen Sie unsere Arbeit für einen sauberen Rohstoff­handels­platz Schweiz