Öffentliche Beschaffung

Jedes Jahr kauft die öffentliche Hand für rund 40 Milliarden Franken ein, unter anderem Güter, die im Ausland produziert werden wie beispielsweise Textilien für Armee, Polizei oder Spitäler, IT-Produkte für die Verwaltung, Steine für Strassen und Plätze, oder Nahrungsmittel für Personalrestaurants. Bei der Beschaffung dieser Güter müssen verbindliche Sozial- und Nachhaltigkeitskriterien gelten, forderte Public Eye bei der Revision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB). Das am 21. Juni 2019 verabschiedete Bundesgesetz BöB bietet neu einen grösseren Spielraum für nachhaltige Beschaffung, den es nun konsequent zu nutzen gilt.

Von den jährlich rund 40 Milliarden Franken entfallen rund 20% auf den Bund, 40% auf Kantone und 40% auf Gemeinden. 2017 hat der Bund Textilien und Bekleidung im Wert von 63.8 Millionen CHF eingekauft und gehört damit zu einem der wichtigsten Kunden auf dem Berufsbekleidungsmarkt.

Diese Beschaffungen nachhaltig zu gestalten, ist für die öffentliche Hand keine freiwillige Aufgabe: Artikel 2 der Bundesverfassung erklärt die nachhaltige Entwicklung zum Staatsziel, und die nachhaltige öffentliche Beschaffung ist im Unterziel 12.7 der UNO Agenda 2030, zu der sich auch die Schweiz verpflichtet hat, explizit erwähnt. Auch bekennt sich der Bund in der „Strategie Nachhaltige Entwicklung“ zur Umsetzung der Agenda 2030 und zur Vorbildfunktion, die er in seinem Konsumverhalten einnehmen will. Im 2019 revidierten Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) legt der Artikel 2 neu fest, dass das Gesetz „den wirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltigen Einsatz der öffentlichen Mittel“ bezweckt:

Bund, Kantone und Gemeinden stehen somit in der Pflicht, ihre Beschaffung sozial und ökologisch nachhaltig zu gestalten und weder aktiv noch passiv Arbeits- und Menschenrechts­verletzungen in der Produktion der Beschaffungsgüter zuzulassen. 

Eine konsequent auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Nachfrage der öffentlichen Hand schafft zudem eine Grundlage, damit sich sozial und ökologisch engagierte Unternehmen auf dem Markt positionieren und etablieren können.

Verschiedene Medienberichterstattungen zeigen, dass es noch viel Handlungsbedarf gibt:

  • Eine Recherche der SonntagsZeitung ergab, dass Schweizer Zivilschutz-Uniformen unter prekären Bedingungen unter anderem in indischen Slums hergestellt wurden. Verschlungene Produktionswege, Intransparenz und mangelnde Kontrollen begünstigen solch skandalöse Produktionsbedingungen (Tagesanzeiger, 9.9.2012).
  • Der Produktionsstandort Europa gilt im Vergleich zu Asien für viele als Garantie für faire Arbeitsbedingungen. Ein Irrglaube, denn wie die Recherchen von Public Eye und ein Beitrag des Kassensturz (12.6.2012) zeigen, werden auch in Europas Kleiderfabriken Löhne weit unter der Existenzsicherung gezahlt.
  • Dass das kein Einzelfall ist und sich Beschaffungsstellen immer noch wenig bis gar nicht an Nachhaltigkeitskriterien orientieren, zeigt auch der Beitrag in der Rundschau (16.11.2016). Darin wird berichtet, dass die neuen Kampfstiefel, die Schweizer Rekruten erhalten, in Rumänien zu einem Hungerlohn von nicht einmal zwei Franken pro Stunde produziert werden.

Revision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen

Was wir tun

  • Während gut zehn Jahren engagierte sich Public Eye zusammen mit anderen NGOs dafür, dass das Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen in der revidierten Fassung verbindliche Sozial- und Nachhaltigkeitskriterien für die Beschaffung sowie die konsequente Kontrolle der Einhaltung dieser Kriterien aufnimmt.
  • Mit der Kampagne zur Beschaffungspraxis und den Produktionsbedingungen von Berufsbekleidung haben wir 2012 exemplarisch aufgezeigt, wie drängend die Probleme bei Risikogütern wie Bekleidung und Textilien sind.
  • Bei Anhörungen in Kommissionen und in Gesprächen mit Expertinnen und ParlamentarierInnen haben wir uns von 2014-2019 aktiv an der Revisions-Debatte beteiligt. Im Rahmen der Vernehmlassung 2014/2015 haben wir juristisch geprüfte Vorschläge gemacht, wie Sozialkriterien konkret und kohärent ins neue Beschaffungsgesetz eingebaut werden könnten.

Das neue Gesetz bietet Spielraum

Dank der langjährigen Arbeit von Public Eye zusammen mit der «NGO-Koalition öffentliche Beschaffung» bietet das 2019 revidierte Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) heute einen neu definierten gesetzlichen Spielraum, um die Nachfrage der Schweiz zielgerichtet in Richtung eines nachhaltigen Konsum zu lenken. Wichtig ist es, dass dieser Spielraum in der Beschaffungspraxis konsequent genutzt wird, sowohl bei der Ausgestaltung der Verordnung, der kantonalen und kommunalen Gesetze, der Herausgabe von Beschaffungsrichtlinien sowie im Beschaffungsalltag auf Ebene Bund, Kantone und Gemeinden.

Lesen Sie dazu unser Positionspapier mit der Einschätzung zum revidierten BöB.

  • © Christophe Bott / Keystone
  • © Christian Beutle / Keystone
  • © Laurent Gillieron / Keystone
Öffentliche Beschaffung umfasst auch Textilien, bspw. Berufsbekleidung für Spitäler, Militär und Polizei

Was Sie tun können

  • Fordern Sie in Ihrer Gemeinde Transparenz über die Beschaffungspraxis, im Speziellen bei Berufsbekleidung. 
  • Setzen Sie sich dafür ein, dass in Ihrer Gemeinde sozial- und umweltverträglich beschafft wird.
  • Falls Sie selbst Berufsbekleidung tragen: Fragen Sie nach, wo die Kleider hergestellt werden, und ob bei der Beschaffung auf Arbeitsrechte und Ökologie geachtet wurde: Fordern Sie eine sozial- und umweltverträgliche Beschaffung.
  • Falls Sie ein politisches Amt innehaben, Amtspersonen kennen oder Mitglied einer politischen Partei sind: Setzen Sie sich dafür ein, dass die Vorschläge für die Verankerung sozial und ökologisch nachhaltiger Beschaffungspraktiken der «NGO-Koalition öffentliche Beschaffung» via politische Gremien unterstützt werden und an Gewicht gewinnen. Lesen Sie dazu unser Positionspapier mit der Einschätzung zum revidierten BöB.

Mehr Informationen zu nachhaltiger Beschaffung:


Öffentliche Beschaffung und soziale Kriterien: In seinem aktualisierten Arbeitspapier "Die Berücksichtigung sozialer Aspekte im Rahmen der öffentlichen Beschaffung" analysiert der Rechtsanwalt Marc Steiner die Ausgangslage und die Optionen des Gesetzgebers aus rechtlicher Sicht. Es wird klar, dass die Schweiz ihren rechtlichen Spielraum bisher nicht nutzt.