Kein Stoff für eine Weihnachtsgeschichte

Zürich, 06.12.2005 - In den letzten Monaten gingen weit über tausend Postkarten von Konsumentinnen und Konsumenten an die Schweizer Spielzeuganbieter. Die Absender verlangten Auskunft über die sozialen und ethischen Standards bei der Herstellung von chinesischem Spielzeug. Das Fazit ist ernüchternd: Die Antworten – so sie überhaupt eintrafen – streuen den Empfängern vor allem Sand in die Augen. Wirkliche Anstrengungen zur Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen sind höchstens in Ansätzen vorhanden.

An der Medienkonferenz der drei Organisationen Erklärung von Bern (EvB), Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft (GSTF) und Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) gab es am heutigen Nikolaustag wenig Lob, dafür umso mehr Tadel an die Adresse der Schweizer Anbieter von Spielwaren.

75 % des weltweiten Spielzeugangebots werden mittlerweile in China produziert. China produziert rasch, effizient und vor allem günstig. Dies nicht zuletzt, weil in Tausenden von chinesischen Spielzeugfabriken minimale Standards nicht beachtet werden. Aktuelle Berichte von unabhängigen Nicht-Regierungsorganisationen zeigen, dass missbräuchliche Arbeitsbedingungen die Regel und nicht die Ausnahme sind.

Missachtete Gesetze, getäuschte Kontrolleure

Eine Studie der schwedischen Nicht-Regierungsorganisation SwedWatch zeigt beispielsweise, dass acht von neun der untersuchten Fabriken gegen chinesische Arbeitsgesetze verstossen: Statt der erlaubten 36 Stunden Überzeit werden pro Monat 150 geleistet, in der Hochsaison von Mai bis September zum Teil ohne einen einzigen Freitag.

Der Staat lässt keine unabhängigen Arbeitnehmerorganisationen zu. Sieben von neun Fabriken täuschen die Kontrolleure: ArbeiterInnen werden geschult, damit sie die „richtigen“ Antworten geben, einen „Arbeitsvertrag“ haben sie nur während der Inspektionszeit in der Hand. Im zweiten, aktuellen Bericht stellt China Labor Watch fest, dass nur eine von elf untersuchten Fabriken die Arbeitsgesetze beachtet.

Während sich im Textilbereich erste Erfahrungen und Erfolge abzeichnen, hat sich in der Spielwarenindustrie also noch nichts bewegt: Eine umfassende Studie der Clean Clothes Campaign (CCC), die auf 670 Interviews in mehreren vorwiegend asiatischen Ländern basiert, zeigt dasselbe Bild. Dieser Bericht untersuchte die Qualität der Kontrollen. Die so genannten Sozialaudits sind nicht das Papier wert, auf das sie gedruckt werden: Das Management der Firmen übt Druck aus, lügt und betrügt, um positive Berichte zu erwirken. Für Falschaussagen werden Bestechungsgelder bezahlt. Zentral ist deshalb, dass unabhängige Kontrollen zusammen mit lokalen Vertretern, Nicht-Regierungs-Organisationen und Gewerkschaften durchgeführt werden können.

Konsumenten: Sand in die Augen

Die unhaltbaren Zustände in den chinesischen Fabriken, insbesondere den Spielzeugherstellern, sind im Westen bekannt. Die Konsumentinnen und Konsumenten wollen wissen, ob chinesische Produkte unter fairen Bedingungen hergestellt wurden: Das zeigt eine Aktion der Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft (GSTF) sowie der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) in diesem Herbst sehr eindrücklich: Mit Hunderten von Postkarten verlangten die KonsumentInnen von den Anbietern Aufschluss, unter welchen Arbeitsbedingungen die Waren aus China hergestellt wurden.

Die Antworten fielen ernüchternd aus: Die Franz Carl Weber AG fand es beispielsweise nicht nötig, auf die Anfragen überhaupt eine Antwort zu geben. Der Spielwaren Verband Schweiz verweist auf einen löchrigen, ungenügenden ICTI-Kodex und zeigt keine Anstalten, von seinen Mitgliedern einen international anerkannten Standard zu verlangen. Migros und Coop können auf erste Ergebnisse ausweisen, es besteht aber weiterhin dringender Handlungsbedarf. Globus, Hasbro Schweiz AG, Manor AG und Mattel AG beschränken sich vorwiegend darauf, mit schönen Worten („Wir tun unser Möglichstes“) die Anfragen abzuwimmeln.

Verantwortung wahrnehmen

EvB, GSTF und SKS stellen deshalb klare Forderungen:

Alle am Spielwarenverkauf beteiligten Firmen sollen:

  • internationale Arbeitsstandards, wie sie von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) definiert wurden, anerkennen und umsetzen;
  • mit glaubwürdigen Kontrollen die Einhaltung der Kodizes überprüfen und die Fabrikbelegschaft ohne Zwang an der unabhängigen Verifizierung beteiligen;
  • über die Herkunft der Spielwaren, die ergriffenen Massnahmen und die Resultate der Kontrollen transparent informieren;
  • von den chinesischen Behörden die Zulassung von freien und unabhängigen Arbeitnehmerorganisationen als Voraussetzung für die Umsetzung des Arbeitsrechts verlangen.

Die Abnehmerfirmen und deren Verantwortliche für den Einkauf sollen:

  • am Anfang einer Geschäftsbeziehung auf der Einhaltung der Arbeitsstandards bestehen;
  • keine unrealistischen Liefertermine verlangen;
  • faire Preise mit der Fabrik aushandeln;
  • stabile und langfristige Beziehungen mit Lieferfirma und Fabrik pflegen;
  • nicht mit Anreizsystem (z.B. Gratifikation für hohe Marge) das Sozialdumping fördern.

Faire Arbeitsbedingungen sind kein Weihnachtsgeschenk an die Arbeiterinnen und Arbeiter in China, sondern ein Gebot der Fairness und der Verantwortung. Dennoch müssten dies die Konsumentinnen und Konsumenten nicht teuer bezahlen: Eine faire Produktion würde zu keiner nennenswerten Preiserhöhung der Spielwaren führen.