Ukraine-Konferenz in Lugano: Gastgeberin Schweiz muss endlich ihre Kriegsfinanzierung stoppen

Mit der internationalen Ukraine Recovery Conference in Lugano will die Schweiz einen Beitrag zum Wiederaufbau des Landes nach der Zerstörung durch russische Panzer und Raketen leisten. Putins Angriffskrieg legt aber unterdessen weiter ukrainische Städte in Schutt und Asche. Statt sich nur als Hort der humanitären Hilfe zu profilieren, muss der Bundesrat darum auch alle ihm zur Verfügung stehenden Hebel nutzen, um die Finanzierung dieser menschenverachtenden Aggression zu stoppen. Als bevorzugtes Gastland kremlnaher Oligarchen wie auch als Drehscheibe für den Handel mit russischem Öl, Getreide und Kohle trägt die Schweiz hier besondere politische Verantwortung, wie diverse Recherchen von Public Eye zeigen.

Seit den 1990er-Jahren ist die Schweiz ein sicherer Hafen für russische Wirtschaftsmagnaten, deren Vermögen sich dem wilden Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft sowie persönlicher Nähe zum Kreml verdanken. Public Eye hat eine Galerie von 32 dieser Milliardäre von Putins Gnaden (darunter zwei Frauen) und ihren «Swiss Connections» publiziert. Unsere Recherchen zeigen, wie systematisch dabei die Schweizer «Standortvorteile» genutzt werden: die Offshore-Industrie zur Gründung von Briefkastenfirmen, der unregulierte Rohstoffhandelsplatz zum Geld verdienen und die mangelhafte Finanztransparenz zum Geld verstecken. Unbemerkt von der Öffentlichkeit hat sich die Schweiz zudem zur zentralen Drehscheibe für russische Kohle entwickelt. Drei Viertel aller Exporte aus Russland laufen heute über Zug und die Ostschweiz, wie eine exklusive Untersuchung von Public Eye zeigt. Obwohl seit Ende April ein Embargo für russische Kohle in Kraft ist, weiss das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) bis heute nicht einmal, welche russischen Kohleproduzenten und Handelsfirmen in der Schweiz ansässig sind, geschweige denn, wem sie gehören.  

Public Eye hat auch aufgedeckt, dass in der Schweiz ansässige Rohstoffkonzerne trotz internationalem Druck weiter die grössten Abnehmer von russischem Rohöl sind. Demnach werden weiter um die 60% von Putins schwarzem Gold und der daraus gewonnen Raffinerieprodukte zumeist über Genfer Firmen gehandelt. Einige Branchenführer sind lange schon strategische Partner des Kremls. Seit Kriegsbeginn haben zudem einige kleine, undurchsichtige Unternehmen begonnen, via Schweiz grosse Mengen russischen Öls zu handeln. Der Krieg in der Ukraine und die russische Blockade der Exporthäfen führen überdies zu einer Verknappung von Getreide und anderen für die Welternährung lebenswichtigen Landwirtschaftsgütern. Die explodierenden Preise bescheren den Schweizer Agrarhändlern Rekordprofite und immer mehr Entwicklungs- und Schwellenländern historische Hungerkrisen. Die Schweiz als globale Agrarhandelsdrehscheibe muss diese Krisengewinne an das UN-Welternährungsprogramm umverteilen. 

Wir fordern vom Bundesrat, alle von der EU beschlossenen Sanktionen gegen Oligarchen und russische Energierohstoffe unverzüglich und vollständig umzusetzen und sich in Brüssel dafür einzusetzen, dass diese möglichst schnell auf den Import und Handel mit Gas ausgeweitet werden. Die Schweiz braucht zudem endlich eine spezialisierte Behörde für diesen intransparenten Hochrisikosektor, die sicherstellt, dass ihre Rohstoffhändler die Sanktionen gegen Russland nicht umgehen. Mit der Vergabe von Lizenzen würde eine solche Rohstoffmarktaufsicht, wie sie Public Eye 2014 schon entworfen hat, die wirtschaftlichen Nutzniesser von Tarnfirmen bekannt machen und dafür sorgen, dass über die Schweiz gehandelte Rohstoffe nicht aus sanktionierten Ländern oder Konfliktgebieten stammen. Mit diesen Massnahmen sowie der Schaffung einer Task Force, die aktiv und international koordiniert nach Vermögenswerten sanktionierter Personen sucht, kann die Schweiz massgeblich dazu beitragen, Putin endlich den Geldhahn zuzudrehen. Dass die Schweiz mit der Organisation der «Recovery-Konferenz» in Lugano politische Verantwortung für den Wiederaufbau in der Ukraine übernimmt, ist zu begrüssen. Damit dieses humanitäre Engagement in der internationalen Gemeinschaft wie auch im eigenen Land glaubwürdig bleibt, muss die Schweiz die EU-Sanktionen konsequent umsetzen und ihren Rohstoffplatz wirksam regulieren. 

Mehr Infos hier oder bei: 

Oliver Classen, Mediensprecher, +41 44 277 79 06, oliver.classen@publiceye.ch 

Robert Bachmann, Rohstoffexperte, +41 44 277 79 22, robert.bachmann@publiceye.ch