Krieg in der Ukraine Die Schweiz – Putins Kohlekraftwerk

Obwohl die Schweiz ihr letztes Kohlebergwerk vor 75 Jahren geschlossen hat, erlebt die Branche eine Renaissance. Der Finanzplatz Zug hat sich darauf spezialisiert, die grossen russischen Bergbaukonzerne willkommen zu heissen, die jährlich über 225 Mio. Tonnen Kohle auf die Waage bringen – 3,5 Mal mehr als das viktorianische Grossbritannien, das auf dem Russ der industriellen Revolution aufgebaut wurde. Nach der Invasion der Ukraine und der Verhängung des Embargos für russische Kohle bis Ende August steht das helvetische «Kohledreieck», in dem 75% der russischen Exporte gehandelt werden, zum ersten Mal im Rampenlicht. Die Schweizer Behörden, die für die Durchsetzung der Sanktionen zuständig sind, scheinen bereits überfordert zu sein.
  1. Die Produzenten
  2. Die Händler
  3. Die Schweizer Banken
  4. Galerie der Bergbau-Unternehmen

Zug – neu also auch ein Supermarkt für russische Kohle. Ebenso wie Glencore oder Gazprom im lieblichen Innerschweizer Kanton mit ihrem Hauptsitz oder einer Handelsabteilung vertreten sind, haben dem Kreml nahestehende Industriekapitäne Anfang der 2000er Jahre damit begonnen, ihre Holdings und andere Handelszweige in Zug zu errichten. Diese Firmen sind für den Export der in den Minen Sibiriens und des Fernen Ostens geförderten Kohle zuständig. Neben Genf und Lugano bildet Zug den dritten Eckpunkt des helvetischen Kohledreiecks.

Ab dem 29. August sind die Einfuhr, der Verkauf und die Erbringung von Finanzdienstleistungen, wie z. B. Brokerage (Trading), im Zusammenhang mit russischer Kohle in der Schweiz und in Europa vollständig verboten. Peinlich für Zug, das sich in aller Stille als Drehscheibe für diesen gefragten Energieträger aus Russland etabliert hat.

In einem Land, das noch immer keine Task Force zur Identifizierung russischer Gelder eingerichtet hat, ist das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) für die Durchsetzung der Sanktionen zuständig. Das SECO verfügt jedoch nicht über eine offizielle Zählung der Anzahl russischer Handelsunternehmen mit Sitz in der Schweiz. Auf der Grundlage eines Berichts des Bundesamts für Statistik schätzt es die Zahl solcher «russisch kontrollierten» Unternehmen jedoch auf 14, wie es uns bestätigte. Unsere Recherche zeigt, dass es in Tat und Wahrheit viel mehr dieser Handelsfirmen gibt.

In Bern «der Eindruck» der Inspektoren

Laut einer Zählung von Public Eye sind in der Schweiz 240 Firmen im Handelsregister eingetragen, die mit Kohle, Koks oder festen fossilen Brennstoffen handeln, diese transportieren oder damit verbundene Finanzdienstleistungen anbieten. Eine beträchtliche Anzahl dieser Firmen befindet sich im Besitz von Oligarchen oder reichen Geschäftsleuten aus Russland. Unsere Recherchen haben ergeben, dass sich die neun grössten Kohleförderer Russlands in den letzten zwanzig Jahren in Zug oder im Nordosten der Schweiz niedergelassen haben. Nur einer von ihnen hat inzwischen seine Zelte abgebrochen.

Allein im Kanton Zug sind 52 Kohleunternehmen registriert, 12 davon sind direkt von russischen Staatsbürgern kontrolliert.

In der ganzen Schweiz trifft dies auf 25 solcher Firmen zu. Vermutlich sind es sogar noch mehr, da das Schweizer Handelsregister keine Angaben zu den wirtschaftlich Berechtigten enthält.

Der Handel mit Kohle ist dabei besonders undurchsichtig und es gibt kaum Angaben, woher das gehandelte Produkt stammt, was oftmals in ausserbörslichen Geschäften, d.h. ohne den Umweg über eine Börse geschieht. Das SECO ist indes verpflichtet, bei Verstössen gegen das Embargogesetz, das seit dem 27. April die Unterzeichnung neuer Verträge verbietet, strafrechtlich vorzugehen. Die Höchststrafen betragen ein Jahr Gefängnis oder 500’000 Franken Busse; in schweren Fällen sogar fünf Jahre Gefängnis oder eine Million Franken Busse. Einige Fälle können vom SECO an die Bundesanwaltschaft weitergeleitet werden. Das SECO sagt jedoch, es habe «den Eindruck, dass sowohl Händler wie Finanzintermediäre sehr auf die Umsetzung der Sanktionen bedacht sind».

Am Donnerstag, dem 28. April, vier Monate vor Beginn des vollständigen Embargos, während der Rohstoffkonzern Glencore seine Generalversammlung im Casino-Theater in Zug abhält, sind die meisten Büros der Verkäufer von russischer Kohle leer oder scheinen zumindest mit halbem Tempo zu arbeiten. Eine Ruhe, die stark mit den grossen administrativen Manövern kontrastiert, die derzeit laufen: Die Unternehmen setzen ihre russischen Direktoren ab, und Eigentümer, die unter Sanktionen stehen, geben ihre Firmen in neue Hände. Bisher hat jedenfalls noch kein Unternehmen Konkurs angemeldet, bestätigt das kantonale Wirtschaftsdepartement, erinnert aber gleichzeitig an die Schwierigkeiten, den Überblick über die Branche zu haben.

Die Schweiz – ein globales Schwergewicht im Kohlehandel

Repräsentiert durch ein schlichtes Büro in einem unpersönlichen Hochhaus oder einen von unzähligen Namen auf dem Briefkasten einer Treuhandfirma, gehören diese Zuger Firmen in Wirklichkeit zu den grössten Bergbauunternehmen Russlands. Diese Unternehmen konkurrieren mit dem Riesen Glencore auf dem Kohlemarkt und handeln von Schweizer Boden aus mit fast 75% der 212 Mio. Tonnen russischer Kohle, die exportiert werden; das ist das Resultat der Schätzungen von Public Eye, die sich auf die Daten der Unternehmen stützen. Die Schweiz, die sich auf der Klimakonferenz in Glasgow (COP26) im Herbst 2021 dazu verpflichtet hat, «die Kohle in die Geschichtsbücher zu verbannen», ist ein globales Schwergewicht im Kohlehandel.

In dem von Zug, Lugano und Genf gebildeten Kohlendreieck lassen sich drei typische Firmenprofile unterscheiden:

  1. Russische Förderer, die Kohle aus den Minen Sibiriens und dem Fernen Osten des Landes fördern und sie über ihre Handelsbüros, die hauptsächlich an der Baarerstrasse in Zug angesiedelt sind, vermarkten, ohne dass der gefragte Rohstoff jemals Schweizer Boden berührt.
  2. Reine Händler, die die Kohle auf den atlantischen und pazifischen Märkten verkaufen. Die Russen sind hier überrepräsentiert, gleichzeitig herrscht grosse Unklarheit über die wirtschaftlich Berechtigten dieser Unternehmen, die in Genf, Lugano oder Zug entstanden sind.
  3. Schweizer Banken, die trotz ihrer Versprechungen weiterhin den Kohlehandelsstandort Schweiz finanzieren. Die eingesetzten Summen, die in ihrer Buchhaltung zunehmend verschleiert werden, sind seit dem Pariser Abkommen von 2016 kontinuierlich gestiegen.

Die Produzenten: Russ aus Russland

In der zunehmend abgeschotteten Welt der Kohlehändler spielt Glencore zweifellos die Hauptrolle. Der Konzern aus Baar ZG förderte im Jahr 2021 selbst 103,3 Mio. Tonnen Kohle und vermarktete weitere 67,7 Mio. Tonnen, die er von Dritten, insbesondere von russischen Unternehmen wie KTK (siehe Galerie unten), gekauft hatte. Ein Sprecher wollte nicht preisgeben, woher die vom Konzern gehandelte Kohle stammt oder ob er seine russischen Partner darüber informiert hat, dass das Unternehmen die Erfüllung der laufenden Verträge Ende August einstellen wird.

Glencore ist der grösste Kohleexporteur der Welt, abgesehen von staatlichen Unternehmen. Doch in Wirklichkeit macht ihm ein anderes Unternehmen mit Sitz in der Schweiz die Krone des Kohlekönigs streitig. Das ist die Sibirische Energie- und Kohlegesellschaft, besser bekannt unter ihrem Akronym SUEK. Der grösste russische Kohleproduzent, der 2001 vom russischen Milliardär Andrei Melnitschenko (der bis mindestens vor den Sanktionen in der Schweiz wohnte) gegründet worden ist, hat bis 2021 die gewaltige Menge von 102,5 Mio. Tonnen Kohle dem Boden entrissen; dazu kommen 17 Mio. Tonnen, die SUEK von Drittfirmen gekauft hat. Andrei Melnitschenko, der es ablehnt, sich als Oligarch bezeichnen zu lassen, und behauptet, dass er beim Aufbau seines Vermögens keinerlei politische Unterstützung erhalten habe, liess seine Firma im Dezember 2004 bei einem St. Galler Treuhänder domizilieren und verlegte die Holding und den Handelszweig von SUEK später in ein Büro an der Baarerstrasse, das sich den Eingang mit einer Filiale der Zuger Kantonalbank teilt.

Um die Sanktionen zu umgehen, ernannte Andrei Melnitschenko am 8. März, seinem fünfzigsten Geburtstag, seine Frau als Berechtigte (und damit eigentliche Eigentümerin) des Trusts, der SUEK besitzt. Dieses Manöver wurde als «legal» betrachtet, wie uns das SECO bestätigte, da es vor der Verhängung der Sanktionen, nämlich genau am Vortag, durchgeführt wurde. «Weder das Unternehmen noch die Ehefrau wurden bis heute (1. Juni 2022) sanktioniert», fügte ein Sprecher hinzu und verwies auch auf den «Erhalt von Arbeitsplätzen in der Schweiz». Die Beamten müssen nun sicherstellen, dass weder SUEK noch die Frau «Vermögenswerte» an Herrn Melnitschenko überweisen. «Das SECO kontrolliert dies», versicherte ihr Vertreter, ohne weitere Einzelheiten zu nennen. Zur Frage, ob das Ehepaar Melnitschenko in der Schweiz weiterhin gemeinsam besteuert wird, konnte das SECO keine Angaben machen. Zwei Tage nach dem Austausch mit dem SECO wurde Frau Melnitschenko von der EU auf die Sanktionsliste gesetzt. Am 10. Juni hat der Bundesrat auch dieses jüngste Sanktionspaket übernommen.

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Andrej und Aleksandra Melnichenko mit einer Zürcher Galeristin im Dezember 2017. Das in St. Moritz ansässige Paar gehört zu den reichsten Menschen der Schweiz.

Zug, die Stadt der Kohle

Im Schatten des Riesen SUEK haben sich in Zug zur gleichen Zeit andere grosse russische Produzenten angesiedelt. Was haben sie gemeinsam? Sie werden alle von «Selfmade»-Geschäftsleuten gesteuert, welche die Diskretion pflegen und enge Verbindungen zum Kreml unterhalten. Unter anderem: Die russische Kolmar LLC hat sich nicht einmal darum bekümmert, ein Messingschild an dem mit Briefkastenfirmen gefüllten Gebäude anzubringen, in dem ihre 2016 in Zug registrierte Tradingfirma KSL AG ihren Sitz hat. Kolmar ist der aufsteigende Stern am russischen Kohlefirmament. Wie das russische Investigativ-Medium Agents aufdeckte, war dessen Mehrheitsaktionär zumindest bis 2018 die Grosscousine von Wladimir Putin, die mit dem Gouverneur der Kohleregion Kemerowo verheiratet war.

Aus den von uns zusammengestellten Daten (siehe Portraits weiter unten) geht hervor, dass die in Zug (und Appenzell für SDS) vertretenen russischen Bergbauunternehmen im Jahr 2021 eine Kohleproduktion von 226,2 Mio. Tonnen erreichten. Tatsächlich ist von den neun grössten Kohleproduzenten Russlands nur einer nicht mehr in der Schweiz präsent: die sibirische Kuzbassrazrezugol, die im Besitz des Bergbauriesen UGMK ist. Er war der erste Produzent, der mit seiner Appenzeller Niederlassung Krutrade AG, die von 1998 bis 2005 registriert war, auf die Schweiz gesetzt hatte.

Auf Anfrage beantwortete kein einziges dieser russischen Bergbauunternehmen eine detaillierte Liste von Fragen zu ihrer Schweizer Niederlassung, ihren Kohleexporten oder ihrer Strategie im Hinblick auf das Inkrafttreten des Embargos. Von Seiten der Zuger Behörden verlautet, man wisse von keinem Insolvenzverfahren. In einem Land, das sein letztes Kohlebergwerk 1947 geschlossen hat, symbolisiert das neue helvetische Kohledreieck auf einzigartige Weise die Macht und Widerstandsfähigkeit der schädlichsten aller fossilen Energien. Kohle ist derzeit für 40 % des globalen Anstiegs der CO2 -Emissionen verantwortlich.

Der Grossteil der in Russland geförderten Kohle wird allerdings gar nicht durch die Schweiz transportiert. In Europa, dem wichtigsten Absatzmarkt, hat die Kohle zwei Eingangstore. Auf dem Seeweg (37 Mio. Tonnen pro Jahr) wird die Kohle auf grossen Massengutfrachtern transportiert, in den nordeuropäischen Häfen (Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen) entladen und auf dem Rhein nach Deutschland transportiert. Auf dem Landweg (ca. 8 Mio. Tonnen pro Jahr) wird die Kohle direkt per Bahn von Russland nach Polen befördert.

Die Händler: Süchtig machen nach schwarzen Diamanten

«Ein Diamant ist ein Stück Kohle, das gut auf Druck reagiert hat.» Dieses Zitat wird Henry Kissinger zugeschrieben, dem US-Aussenminister in der Nixon-Ford-Ära (1973-1977). Aus geologischer Sicht zweifelhaft, stellt diese Phrase dennoch ein gutes Narrativ dar. Die umweltschädlichste aller fossilen Energien hat auf den Märkten noch nie so sehr geglänzt. Die Überwindung der Pandemie, der Aufschwung, der Krieg in der Ukraine, die Verteuerung des Gases: Alles scheint die Kurse aufzublähen, die sich innerhalb eines Jahres verdreifacht haben. Im Jahr 2022 werden wir so viel Kohle verbraucht haben wie noch nie in der Geschichte der Menschheit.

Trotz der schrittweisen Einführung des Embargos für russische Kohle könnte Russland weiterhin von den steigenden Preisen profitieren. Vorausgesetzt, es finden sich Käufer. Einige Bergbauunternehmen preisen nun auf ihrer Website den «Rekordpreis» für russische Kohle für ausländische Importeure angesichts des «Anstiegs des Dollars und des Euros» an. Mit einer Jahresproduktion von 460 Mio. Tonnen würden die Vorkommen des Landes (die zweitgrössten der Welt) laut dem Bericht 2021 des Mineralölunternehmens BP eine weitere Förderung für mehr als 400 Jahre ermöglichen. Heisst es nicht, dass Diamanten für immer sind? In Russland scheint niemand je daran gezweifelt zu haben.

Europäische Abhängigkeit

Europa ist stark von diesen russischen Bergbauunternehmen abhängig, die 68% seines Kohlebedarfs liefern. «Die grosse Herausforderung besteht darin, 45,4 Mio. Tonnen zu ersetzen», sagt Alex Thackrah, Analyst für den europäischen Kohlemarkt bei Argus Media, der Referenzagentur, die Preisindizes für Spotmärkte erstellt. «Es ist kaum vorauszusehen, was mit den Verträgen mit russischen Unternehmen passieren wird», räumt der Experte ein. «Das wird ein Albtraum werden». Für die Schweiz, die sich zum Knotenpunkt für russische fossile Energieträger entwickelt hat, dürfte es eine Herkulesaufgabe sein.

Auch unser Land kommt noch nicht ohne Kohle aus. 2020 importierte die Schweiz 9’904 Tonnen russische Kohle, was etwa 7% der Gesamteinfuhr von fast 139’000 Tonnen entspricht. Im Jahr zuvor hatten die Importe aus Russland mit 10,7% einen Rekordwert erreicht. Global gesehen macht Kohle immer noch 36% des weltweiten Energiemixes aus.

Der Wilde Westen der Kohle

In Russland ist die Branche von einer besonderen Aura umgeben, mit knallharten Geschäftsleuten und nicht wenigen Grubenunglücken. Es gab eine Reihe von kometenhaften Aufstiegen und plötzlichen Besitzerwechseln, die von Kontroversen, gefährlichen Verbindungen zur Macht und nie geklärten blutigen Episoden begleitet wurden (siehe unten).

Der jüngste Fall ist der Tod von Dmitry Bosov, einem in Zug ansässigen Mehrheitsaktionär der Sibanthracite Group, der im Mai 2020 in seiner Moskauer Villa mit einer Kugel im Kopf aufgefunden wurde, wobei eine Pistole neben ihm lag. Die offizielle Version lautet auf Selbstmord «ohne bekannte Ursache». «Diejenigen, die Dmitry Bosov kannten, glauben nicht, dass etwas den Unternehmer, der die Aluminiumkriege überlebt hat, zum Aufgeben gebracht haben könnte», heisst es in einem Artikel auf der Website des Unternehmens. Einige Wochen zuvor hatte Bosov öffentlich mit einem seiner Partner, Alexander Isaev, gebrochen und ihn der Veruntreuung von Geldern beschuldigt, wie die russische Tageszeitung Kommersant berichtete. Im Oktober 2021 wurde die Sibanthracite Group von Albert Avdolyan aufgekauft, dem neuen starken Mann in der russischen Kohleindustrie, und Bosovs ehemaliger Partner wurde wieder in den Vorstand zurückberufen.

Wladimir Putin sah früh das Potenzial der Kohle

Nach dem Zusammenbruch der UdSSR zu Beginn der 1990er-Jahre begann für die russische Kohleindustrie – wie auch für den Rest des Bergbaus – der Abstieg in die Hölle: Unglücke, ausstehende Löhne, katastrophale Arbeitsbedingungen und Streiks gehörten damals zum Alltag der Arbeiter. Die Branche benötigte eine drastische Verjüngungskur, da sie unter besonders hohen Gestehungskosten aufgrund der grossen Entfernungen zwischen den Minen, den Verarbeitungszentren und den Endverbrauchern litt. Mit der Unterstützung lokaler Gouverneure und Unterstützern im Kreml verbünden sich die Direktoren der Vorkommen und Minen mit jungen Leuten mit unterschiedlichem Profil, um die appetitlichsten Stücke zu privatisieren.

Anfang der 2000er-Jahre bildeten sich Imperien vor dem Hintergrund einer weit verbreiteten Korruption und mafiöser Abrechnungen. Die am wenigsten rentablen Standorte wurden geschlossen, das Land verlegte sich auf den Export und die Produktion konzentrierte sich nach und nach auf rund zehn Unternehmen. In dieser Zeit kaufte der spätere Milliardär Andrei Melnitschenko über die von ihm mitbegründete MDM-Bank reihenweise Beteiligungen an den wichtigsten Kohleunternehmen des Landes und fasste sie im Unternehmen SUEK zusammen. Dazu gehörte auch der Riese «Krasugol» (die Kohlegesellschaft von Krasnojarsk), die nach einigen Irrungen und Wirrungen und mithilfe des damaligen Gouverneurs Alexander Lebed, der zu jener Zeit als Nachfolger von Präsident Boris Jelzin gehandelt wurde, in seinen Besitz gelangte.

Wladimir Putin erkannte schnell das Potenzial der Branche, während die Kohlepreise zwischen 2007 und 2010 explodierten. Im Januar 2012 unterzeichnete er als Premierminister ein umfassendes Industrieentwicklungsprogramm im Wert von 119 Mrd. US-Dollar – davon 8,5 Mrd. aus öffentlichen Mitteln –, mit dem die Infrastruktur (vor allem der Schienen- und Schiffsverkehr) verbessert und die Kohleproduktion bis 2030 angekurbelt werden soll. Ohne Gewissensbisse unterstützt der Kreml seit 2019 aktiv grosse Kohleabbauprojekte in der Arktis.

Gleichzeitig wird Kohle zunehmend auf internationalen Märkten gehandelt und zum Objekt von Finanzprodukten. «Jahrzehntelang wurde Kohle in der Nähe ihrer Produktionsstätten abgebaut und verbraucht», erinnert sich ein Händler mit über 20 Jahren Erfahrung in der Branche. Doch nach den Ölkrisen der 1970er-Jahre wurde Kohle als Alternative weltweit gehandelt. Im Jahr 1980 wurden etwa 150 Mio. Tonnen Kraftwerkskohle gehandelt, heute sind es zehnmal so viel. Die ersten Finanzprodukte wurden um 2003 und 2004 eingeführt, als eine Vielzahl von Finanzvermittlern auftauchten.

Dieser doppelte Trend hat dazu beigetragen, die Schweiz als Handelsdrehscheibe zu profilieren. Während Russland in Genf seine Erdöl-Schachfiguren aufstellt, setzen die Kohleförderer auf Zug mit seiner differenzierten Besteuerung für ausländische Unternehmen (bis 2020) und seinen Finanzintermediären, die eine erleichterte Domizilierung in einer Kanzlei anbieten. In der Branche wird lieber auf die Ruhe des Ortes und die «Tradition der Stabilität und Rechtsstaatlichkeit des Landes» hingewiesen.

Resultat: In der Schweiz gibt es mindestens 25 Kohleunternehmen in russischem Besitz (die Hälfte in Zug, 5 in Genf), darunter 18 reine Händler, die für den Absatz der 212 Mio. Tonnen Jahresexporte nach Europa und auf die asiatischen Märkte zuständig sind. Aufgrund der Undurchsichtigkeit des Sektors gibt es keine Quelle, die systematisch dokumentiert, wie viele Ladungen russischer Kohle an Schweizer Händler weiterverkauft werden.

Glück auf, Schweizer Banken!

Während die Schweiz durch ihre Umwelt- und Energieministerin Simonetta Sommaruga am 15. November 2021 an der UN-Klimakonferenz COP26 die Torpedierung des Kohleausstiegs durch China und Indien anprangerte, arbeitete die Schweiz weiter daran, die grössten Umweltverschmutzer der Welt auf seinen Boden zu locken. Auf der Zuger Seite betont man, dass man russischen Unternehmen nie «gezielt» schöne Augen machen wollte, verweist aber auf die kantonale Konkurrenz: «Im Gegensatz zu anderen Standortmarketing-Organisationen hatten wir nie eine eigene oder gar physische Aktivität in Russland», so der Leiter des lokalen Wirtschaftsdepartements.

Bei diesem Täuschungsmanöver mischen auch Schweizer Banken ordentlich mit.

Wir haben die Finanzströme der multinationalen Kohlekonzerne seit dem Inkrafttreten des Pariser Klimabkommens im Jahr 2016 nachverfolgt. Die in der Schweiz ansässigen Kohleproduzenten haben laut Daten des niederländischen Rechercheunternehmens Profundo fast 2,7 Mrd. US-Dollar bei zehn Schweizer Bankinstituten aufgenommen.

Sibanthracite und SUEK gehören zu den kapitalintensivsten Bergbauunternehmen in Zug: auf den Plätzen 3 und 4 (hinter Trafigura und Glencore), mit Krediten von 224 Mio. bzw. 145 Mio. US-Dollar, die Credit Suisse zwischen 2017 und 2019 gewährt hat. Trotz ihrer Verpflichtung, nur Unternehmen mit einer Strategie für den Kohleausstieg zu unterstützen, ist die zweitgrösste Bank der Schweiz mit fast 1,4 Mrd. US-Dollar, die sie zwischen 2016 und 2021 zugestanden hat, auch der grösste Geldgeber der Branche und steht nach unseren Daten weltweit an zehnter Stelle. Die Medienabteilung von Credit Suisse erklärte, sie könne sich «aus rechtlichen Gründen» nicht zu potenziellen Kunden äussern, und verwies auf ihren Nachhaltigkeitsbericht über ihre Strategie zur Desinvestition im Bereich Kohle. Diese sieht vor, dass bis 2025 keine Kredite mehr an Unternehmen vergeben werden, die mehr als 15% ihrer Einnahmen aus dem Abbau von Kohle oder der Stromerzeugung aus Kohle erzielen, «es sei denn, sie unterstützen die Energiewende». Dieser Satz wird bis 2030 auf 5% gesenkt.

Im Zeitalter des Anthropozäns – des geologischen Zeitalters, ab dem der Mensch in der Lage ist, sein Ökosystem signifikant und langfristig zu verändern – war Kohle noch nie so globalisiert, finanzialisiert und in eine internationale Wertschöpfungskette eingebunden, in der die Schweiz eine führende Rolle spielt. Ein Blick auf die «indirekten» CO-Emissionen bestätigt dies. Berücksichtigt man nur die übertragene Produktion der russischen Kohleförderer in Höhe von 226,2 Mio. Tonnen, so dürften die Schweizer Emissionen um rund 407 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr steigen. Das entspricht der Umweltverschmutzung von 88,5 Mio. Privatautos, dem Vierzehnfachen des Schweizer Fahrzeugbestands.

© Marco Faehndrich / Alliance Sud
Schild an der Friedensdemo in Bern am 26. Februar 2022.

Und es könnte noch schlimmer werden. Die Schwierigkeiten auf dem Gasmarkt (für den Kohle der direkteste Ersatz zur Stromerzeugung ist) und der kontinuierliche Anstieg der Preise für schwarze Diamanten dürften zweifellos das Interesse für Kohle fördern. Für Alex Thackrah vom Londoner Preisinformationsdienst Argus Media ist es undenkbar, die Energiewende mit der Einführung wirksamer Sanktionen gegen russische fossile Brennstoffe zu verbinden und gleichzeitig die Energiesicherheit zu gewährleisten: «Es ist möglich, die russischen Kohlemengen zu ersetzen, aber es wird ziemlich kompliziert, wenn gleichzeitig das Gas abgestellt wird».

Seit dem Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar dieses Jahres haben russische Unternehmen der Europäischen Union laut dem finnischen Forschungszentrum Crea etwa 1,5 Mrd. Euro für ihre Kohle in Rechnung gestellt. Ein Teil dieser Summe machte in Zug halt. Der Kanton berief sich jedoch auf fehlende Statistiken und wollte nicht über den steuerlichen Ertrag von Putins schwarzen Diamanten berichten.

Weitere Informationen

  • Methodik

    Die Profile der russischen Bergbauunternehmen wurden anhand von öffentlichen Daten wie Handelsregistern, der Liste der 200 reichsten Russen des Magazins «Forbes», Artikeln aus internationalen und russischen Medien wie «Agents», «Kommersant» oder «Novaya Gazeta» erstellt. Die Liste des Kohlesektors in der Schweiz wurde durch ein Sichten der Daten aus 23 kantonalen Handelsregistern gewonnen. Diese wurde anschliessend um falsch positive Ergebnisse bereinigt. Der Anteil der in der Schweiz gehandelten russischen Kohle wurde berechnet, indem die Kohleproduktion der Förderer im Verhältnis zu ihren Exporten addiert wurde. Keiner der russischen Kohleförderer beantwortete eine detaillierte Liste von Fragen zu ihren Schweizer Tochtergesellschaften, ihren Kohleexporten oder ihrer Strategie im Hinblick auf das Inkrafttreten des Embargos.

Galerie der russischen Förderer

Public Eye hat sich das helvetische Kohledreieck näher angeschaut. Seit den 2000er Jahren haben sich acht der neun grössten russischen Kohleproduzenten in Zug niedergelassen. Wir haben ihre Niederlassungen identifiziert und die Gruppe sowie ihre Besitzer, kremlnahe Geschäftsleute, porträtiert.

Weitere Informationen

  • SUEK

    SUEK ist der grösste Produzent Russlands und erwirtschaftet über 60% seines Umsatzes von 9,7 Mrd. Euro mit Kohle. Der Konzern fördert jährlich über 100 Mio. Tonnen in 19 Tagebaugruben in sechs Regionen Russlands. Er verkauft auch Kohle weiter, die er von anderen Produzenten erworben hat. Sein Büro in Zug ist heute seine einzige Struktur ausserhalb Russlands.

    Was sind die Verbindungen zur Schweiz?

    • Suek AG, Suek Assets Holding AG und Suek Logistics GmbH, mit Sitz an der Baarerstrasse 37 in Zug.
    • Die Suek AG ist seit 2004 in Zug ansässig. Von dort aus organisiert der Konzern den Verkauf von sibirischer Kohle an den atlantischen Markt, seinen Hauptabsatzmarkt.

    Wem gehört SUEK?

    SUEK ist in den Händen des «schweizerischsten» aller Oligarchen. Andrei Melnitschenko, der mindestens bis zu den Sanktionen in St. Moritz lebt, ist auch Eigentümer des weltweit tätigen Düngemittelherstellers EuroChem, der an derselben Zuger Adresse ansässig ist. Um den Sanktionen zu entgehen, soll er seine Anteile von 92,2% (Stand Ende 2021) am 8. März an seine Frau, das aus dem früheren Jugoslawien stammende Ex-Model Aleksandra Melnitschenko, übertragen haben. Diese wurde am 3. Juni 2022 von der EU ebenfalls sanktioniert.

    Nach dem Zusammenbruch der UdSSR verdiente sich der Oligarch seine ersten Sporen als Devisenhändler in einer Moskauer Wechselstube, bevor er 1993 die MDM-Bank mitgründete. Danach stieg er in drei neue Branchen ein: Düngemittel, Kohle und über die Firma TMK die Herstellung von Rohren für Pipelines und Gasleitungen.

    Melnitschenko hatte einen grossen Teil seines Kapitals durch den Verkauf seiner Anteile an TMK nach dessen Börsengang im Jahr 2006 aufgebaut. Sein Sprecher teilte mit, dass «Andrei Melnitschenko ein Selfmade-Unternehmer ist (...)». Sein Vermögen wurde vom Magazin «Forbes» für das Jahr 2021 auf 16,65 Mrd. Franken geschätzt.

  • SDS

    SDS oder «Sibirskiy Delovoy Soyuz» (Sibirische Handelsunion) ist ein diversifizierter Konzern, der in der chemischen Industrie, im Eisenbahnbau, im Bauwesen und in der Landwirtschaft tätig ist. Sein Hauptgeschäftsfeld bleibt jedoch die Kohleförderung über seine Tochtergesellschaft SDS-Ugol. Der Konzern produziert 27 Mio. Tonnen pro Jahr, von denen laut seiner Website 97% exportiert werden. Er ist der drittgrösste Kohleproduzent in Russland.

    SDS verfügt über einen Hafenterminal im Fernen Osten, transportiert seine Kohle aber auch über Mir Trading per Bahn zum Hafen der lettischen Hauptstadt Riga.

    Was sind die Verbindungen zur Schweiz?

    • MIR Trade AG, Alte Haslenstrasse 5 in Teufen (AR), domiziliert im Februar 2000.
    • Von den grössten russischen Kohleproduzenten in der Schweiz hat sich lediglich SDS-Ugol für einen Standort ausserhalb des Kantons Zug entfernt. Laut dem Informationsdienst Argus Media exportiert der russische Konzern seine gesamte Produktion über «seinen Handelsarm» MIR Trade.

    Wem gehört SDS?

    Der Oligarch Mikhail Fedyaev ist mit 95% der Anteile Eigentümer von SDS. Sein langjähriger Geschäftspartner, der Politiker Wladimir Gridin, Duma-Abgeordneter für die Kreml-Partei Einiges Russland, verkaufte ihm 2021 seine 62% der Anteile.

    Mikhail Fedyaev befindet sich derzeit im Gefängnis und wartet auf sein Urteil wegen «Amtsmissbrauchs» nach einem Grubenunglück im November 2021 in der Listwjazhnaja-Mine (Region Kusbass). Bei einer Explosion waren 51 Menschen ums Leben gekommen. Wladimir Putin hatte ihn öffentlich zur Rechenschaft gezogen. Fedyaev, der auf nicht schuldig plädiert und angibt, nie an der Sicherheit gespart zu haben, droht eine zehnjährige Haftstrafe.

    Fedyaev, der laut dem Magazin «Forbes» (2020) ein Vermögen von 550 Mio. US-Dollar besitzt, begann als Mechaniker in einer Autofabrik. In den 1990er Jahren lernte er Wladimir Gridin kennen und mit der Unterstützung des Gouverneurs der Oblast Kemorovo, Aman Tuleev, sicherten sich die beiden Männer eine Kohlemine.

    Mikhail Fedyaevs Sohn Pawel wurde 2011 für die Partei von Wladimir Putin Abgeordneter der staatlichen Duma (des Parlaments). Seitdem wurde er zweimal wiedergewählt.

  • Evraz

    Evraz ist ein vertikal integriertes Stahl- und Bergbauunternehmen, das an der Londoner Börse notiert ist und über Vermögenswerte in Russland, Kasachstan, den USA, Kanada und der Tschechischen Republik verfügt. Über das Bergwerk Raspadskaja (in Kemerowo, Westsibirien), an dem der Konzern 82% der Anteile hält, besitzt er Vermögenswerte im Kohlebereich. Im Jahr 2010 forderte eine Explosion in dieser Mine 91 Todesopfer und 99 Verletzte. 2021 erreichte die Produktion der Raspadskaja-Mine 23,27 Mio. Tonnen.

    Vor dem Krieg in der Ukraine hatte das Unternehmen das Ziel, seine Kohleaktiva von der Evraz-Gruppe zu trennen. Dieses Vorhaben wurde jedoch abgesagt.

    Was sind die Verbindungen zur Schweiz?

    • East Metals AG, Baarerstrasse 131 in Zug. Die Firma wurde 2002 eingetragen. Als hundertprozentige Tochtergesellschaft der Evraz Group ist sie der Handelsarm, über den die Produkte der Gruppe in die ganze Welt (ausser in die GUS-Staaten) vertrieben werden, darunter auch Kokskohle. East Metals AG verkauft Kohle aus dem Bergwerk Raspadskaja.

    Wem gehört Evraz?

    Der von den Sanktionen getroffene Oligarch Roman Abramowitsch ist neben Alexander Abramow (19,3%) der grösste Aktionär von Evraz (28,6%). Abramowitsch ist der breiten Öffentlichkeit als früherer Eigentümer des Fussballvereins Chelsea FC bekannt. Er gehört zu jener kleinen Gruppe von Oligarchen, die die Wiederwahl von Präsident Boris Jelzin im Jahr 1996 finanzierten. Zu dieser Zeit versteigerte der russische Staat, der kurz vor dem Bankrott stand, seine Anteile an den lukrativsten Unternehmen des Landes im Austausch für Kredite. So kam es, dass Abramowitsch in das Kapital des Ölkonzerns Sibneft einstieg. Im Jahr 2005 wurde Sibneft an Gazprom (später Gazpromneft) verkauft, was dem Oligarchen 13 Mrd. US-Dollar einbrachte. Auf der Grundlage dieses Vermögens kann Evraz, wovon Abramowitsch 57,5% der Anteile hält, weiter florieren.

    Um seinen Status als Oligarch zu behalten, sah Abramowitsch (der den russischen, israelischen und portugiesischen Pass besitzt) sich gezwungen, zu Wladimir Putins politischen Projekten beizutragen. Als er im Jahr 2000 zum Gouverneur von Tschukotka gewählt wurde, musste er Milliarden von Rubeln in diese sehr arme Region im äussersten Nordosten Russlands investieren. Sein Vermögen wird auf 13,48 Mrd. Schweizer Franken geschätzt (Forbes 2021).

  • Sibanthracite Group

    Der 2018 aus dem Zusammenschluss mehrerer sibirischer Kleinproduzenten (darunter die gleichnamige Siberian Anthracite JSC) gegründete, hochspezialisierte Konzern hat seinen Namen von der Anthrazitkohle (auch «Schwarzkohle» genannt), die er in dieser Region abbaut. Mit ihrem hohen Energiegehalt und geringen Verunreinigungen ist diese Kohlequalität für die Metallindustrie bestimmt.

    Die Sibanthracite Group erreichte im Jahr 2021 eine Fördermenge von 22,6 Mio. Tonnen Kohle und beansprucht den ersten Platz bei der Produktion und dem Export von Anthrazit. Das Unternehmen besitzt drei Tagebaugruben in der Region Nowosibirsk (Westsibirien) sowie zwei Gruben in Kemerowo (ebenfalls Westsibirien).

    Was sind die Verbindungen zur Schweiz?

    • Sibanthrancite Overseas AG, Baarerstrasse 10 in Zug. Die 2009 domizilierte Tochtergesellschaft ist für den Export von Kohle bestimmt und betreibt laut Handelsregister «Handel mit Rohstoffen aller Art, insbesondere mit Kohle (...), mit Ausnahme der von den zuständigen Behörden untersagten Geschäfte».

    Wem gehört die Sibanthracite Group?

    Der Oligarch Albert Avdolyan erwarb im Jahr 2021 über die Siban Holding 70% der Anteile an diesem Kohleproduzenten. Die Transaktion hatte einen Wert von 1 Mrd. US-Dollar. Die Sibanthracite Group sollte ihren Firmennamen behalten.

    Der andere Aktionär ist Maxim Barski. Der 52-jährige russisch-armenische Geschäftsmann war lange Zeit kaum bekannt, obwohl er viele verschiedene Unternehmen in den Bereichen Telekommunikation, Bergbau, Kohle und Gas geschluckt hatte. 2021 belief sich sein Vermögen laut dem Magazin «Forbes» auf 1,3 Mrd. US-Dollar. Im Jahr 2016 erwarb er durch das Programm für goldene Pässe die maltesische Staatsbürgerschaft.

    Sibanthracite ist eine weitere Ergänzung zu Albert Avdolyans Kohleimperium und macht seinen Konzern A-Property zum grössten metallurgischen Kohleproduzenten in Russland. Vor ihm war der Milliardär Dmitri Bosow, der die Alltech-Gruppe leitete, Eigentümer. Sein mysteriöser Selbstmord im Mai 2020 war in den russischen Medien ein grosses Thema.

  • Elga Coal

    Der Elga Coal Complex, der sich im Besitz von A-Property befindet, ist seit 2011 einer der grössten Bergbaustandorte in Russland. Der Standort in Jakutien (Ostsibirien) hat den Vorteil, dass er geografisch näher an den asiatischen Märkten liegt als das traditionelle Bergbaugebiet Kusbass. Bis 2035 wollen die Eigentümer des Standorts eine Jahresproduktion von 45 Mio. Tonnen Kokskohle für die Industrie erreichen (derzeit 18 Tonnen). Dies entspricht fast einem Viertel des derzeitigen Exports von Kohle aller Qualitäten.

    Der Ausbau einer 321 Kilometer langen privaten Bahnstrecke von der Elga-Mine nach Ulak nahe der chinesischen Grenze soll die Umlenkung der russischen Exporte auf den asiatischen Markt fördern.

    Was sind die Verbindungen zur Schweiz?

    • Elga Coal Overseas, Baarerstrasse 137 in Zug, eingetragen im Juni 2020

    Wem gehört Elga Coal?

    Im April 2020 erwarb A-Property, die Gruppe des Milliardärs Albert Avdolyan, 51% von Elga von dem hoch verschuldeten Unternehmen Mechel, das sich in den Händen von Igor Zyuzin befand. Sechs Monate später wurde der Rest des Kapitals (49%) von der Gazprombank übernommen (eine Beteiligung, die bei einer Umschuldung von Mechel im Juni 2016 erworben wurde).

    Ein Jahr nach dieser Transaktion soll Avdolyan 5% seiner Anteile an den staatlichen russischen Rüstungskonzern Rostec unter der Leitung von Sergei Tschemesow übertragen haben. Dieser ehemalige KGB-Intimus von Wladimir Putin ist laut russischen Medien einer der Beschützer des russisch-armenischen Oligarchen. Avdoayan, der seine Karriere in der Telekommunikationsbranche begann, hat sich darauf spezialisiert, Unternehmen, die sich in einer Umstrukturierung befinden, zu niedrigen Kosten aufzukaufen. Ab 2019 hat er ein Auge auf den Kohlesektor geworfen, fest entschlossen, ein Imperium aufzubauen.

    Seit seiner Bestellung Ende Mai 2020 leitet Aleksandr Isaev, ein ehemaliger Partner des Kohlemagnaten Dmitri Bosow, das Tagesgeschäft von Elga Coal Complex. Seit Juli 2021 figuriert er auch unter den Direktoren der Zuger Tochtergesellschaft.

  • Kolmar

    Die 2004 gegründete Kolmar LLC (nicht verwandt mit der anderen Zuger Kolmar Group AG) ist der aufsteigende Stern im russischen Bergbausektor. Sie eröffnet neue Minen, baut Verarbeitungsanlagen und Transportinfrastrukturen. Kolmar hat sich auf Kokskohle spezialisiert, die für industrielle Zwecke verwendet wird.

    Kolmar ist der fünftgrösste Exporteur Russlands und plant, seine Produktion von derzeit 12 Mio. Tonnen bis 2023 auf 16 Mio. Tonnen zu steigern. Bei seinem Aufstieg profitierte der Konzern von zahlreichen staatlichen Unterstützungen wie dem Fonds für die Entwicklung des russischen Ostens (38,5 Mio. US-Dollar), Vorzugskrediten und erheblichen Steuervergünstigungen. Laut dem russischen Investigativ-Medium Agents soll Kolmar mindestens 141 Mio. US-Dollar (11 Mrd. Rubel) an staatlichen Geldern erhalten haben.

    Um Kolmar dabei zu helfen, seine Kohle aus den Bergwerken in Jakutien (im Fernen Osten Russlands) auf die vielversprechenden asiatischen Märkte zu exportieren, investierte der Kreml ausserdem stark in die Renovierung zweier Eisenbahnlinien (BAM und Transsibirische Eisenbahn).

    Was sind die Verbindungen zur Schweiz?

    • KSL AG, Bahnhofstrasse 12 in Zug, domiziliert im Jahr 2019
    • Bis 2021 verkaufte die diskrete KSL AG exklusiv die von der Muttergesellschaft Kolmar in Russland geförderte Kohle. Die Website des Zuger Händlers gibt in einer Pressemitteilung an, dass diese Verbindung vor einem Jahr aufgelöst wurde, und weigert sich aus «Sicherheitsgründen», sich zu den wirtschaftlichen Endbegünstigten zu äussern.

    Wem gehört Kolmar?

    Der Konzern wurde 2004 gegründet und 60 % seiner Anteile wurden 2012 von Gunvor und Volga Resources erworben, zwei Unternehmen in der Hand des Oligarchen Gennadi Timtschenko, der seit der Invasion der Krim 2014 unter Sanktionen steht. Gemäss Recherchen des Online-Magazins Agents ging das Unternehmen 2012 in den Besitz des Ehepaars Sergei Tsivilev über –er einehemaliger Militär, der zum Gouverneur der Kohleregion Kusbass katapultiert wurde, sie eine Psychiaterin mit Namen Anna Tsivileva, geborene Putina und eine kleine «Cousine» des starken Mannes im Kreml.Letztere war bis Februar 2018 Vorsitzende des Verwaltungsrats der KSL AG in Zug.

    Im Jahr 2018 erklärte Sergei Tsivilev öffentlich, dass er diesen Vermögenswert an eine dritte Person verkauft habe, deren Identität er nicht preisgeben wollte.

  • Mechel

    Mechel besteht aus mehr als 20 Unternehmen, die Kohle und Metall produzieren. Einst das drittgrösste Bergbauunternehmen Russlands, das auf Kokskohle (die von der Industrie verwendete Kohle) spezialisiert war, wuchs Mechel durch sukzessive Übernahmen, die durch die Beschaffung von Kapital auf den öffentlichen Märkten ermöglicht wurden. Vor etwa zehn Jahren verschuldete sich der Konzern stark, um die Infrastruktur zu entwickeln, mit der er seine Minen mit den internationalen Märkten verbinden kann. Der Konzern hat mittlerweile einen Umsatz von fast 5,6 Mrd. US-Dollar und besitzt Vermögenswerte (Bergwerke, Stahlwerke, Kraftwerke und Häfen) in ganz Russland.

    Eine weitere Besonderheit des Energiekonzerns ist, dass er seit 2004 in Moskau und New York an der Börse notiert ist, wo seine Aktie am Tag nach dem Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar um die Hälfte einbrach. Mechel hat kürzlich von der Regierung die Erlaubnis erhalten, seine Aktien weiterhin ausserhalb der Russischen Föderation zu handeln, obwohl Putin im April ein gegenteiliges Gesetz verabschiedet hatte.

    2021 förderte Mechel 11,3 Mio. Tonnen Kohle und verhandelte über 7,5 Mio. Tonnen Koks und Kraftwerkskohle.

    Was sind die Verbindungen zur Schweiz?

    • Mechel International Holdings AG, Mechel Trading AG, Mechel Carbon AG, Oberdorfstrasse, 11 in Baar (ZG)
    • Das Bergbauunternehmen hat seinen Handelsarm 2005 in Zug domiziliert.

    Wem gehört Mechel?

    Trotz der Börsennotierung des Konzerns besitzt Igor Zyusin immer noch mehr als die Hälfte (51,54%) der Aktien von Mechel; vor zehn Jahren waren es noch mehr als zwei Drittel.

    Igor Zyuzin begann seine Karriere im Alter von 27 Jahren als Vorarbeiter im berühmten Kohlebergwerk Raspadskaja (heute im Besitz von Evraz). Zwei Jahre später vermittelte er bei einem Streik der Bergarbeiter. Danach erklomm er vom Büro ausgehend mit rasender Geschwindigkeit die Karriereleiter und gründete 2003 sein eigenes multinationales Unternehmen.

    Im Jahr 2008 kümmerte sich Wladimir Putin persönlich darum, Igor Zyusin wieder auf Kurs zu bringen. Bei einer Regierungssitzung beschuldigte er den Bergmann vor aller Augen, Kokskohle zu günstig zu exportieren; er verkaufe sie zum halben Preis gegenüber dem für die russische Stahlindustrie, die damals stark angeschlagen war. Vor dem Hintergrund eines Kurssturzes der Mechel-Aktie führte die Untersuchung der russischen Kartellbehörde knapp einen Monat später zu einer Geldstrafe wegen Verstosses gegen das Wettbewerbsrecht.

    Seit dieser Mahnung ist der Mechel-Konzern (und das Vermögen seines Haupteigentümers) nur noch halb so gross wie vor einem Jahrzehnt. Bei Mechel wird nun eine Umstrukturierung angekündigt und 2021 wurden ihre Anteile an Elga Coal an die Gruppe von Albert Avdolyan verkauft.

  • KTK

    KTK gehört über die zypriotische Offshore-Gesellschaft Kilton Overseas Limited zu 49,7% der Safmar Group,. Safmar ist eine russische Finanz- und Industriegruppe (Öl, Kohle, Kali, Finanzvermögen, Bauwesen, Hotel, Medien). Er ist der viertgrösste Kohleproduzent Russlands. Ab 2019 werden die Kohleaktiva von Safmar durch den schrittweisen Erwerb von Anteilen an der «Kusbass Energiegesellschaft» oder KTK gestärkt.

    KTK ist einer der grössten Exporteure von Kraftwerkskohle. Im Jahr 2020 betrug seine Produktion 9,53 Mio. Tonnen, wovon 6,52 Mio. Tonnen ins Ausland verkauft wurden.

    Was sind die Verbindungen zur Schweiz?

    • KTK Overseas AG, Grundstrasse 12 in 6343 Risch-Rotkreuz (ZG)
    • Diese Firma wurde 2015 zuerst in Zug und dann in Risch (ZG) registriert.

    Wem gehört KTK?

    Die Familie Guzerijew kontrolliert 49,7% von KTK über die mit der Safmar-Gruppe verbundene zypriotische Offshore-Gesellschaft (Kilton Overseas Limited). Die übrigen Anteilseigner sind Iskender Khalilow (23,35%) und Wiktor Pigutschow (24,6%), ein ehemaliger Senator, der ebenfalls über zypriotische Körperschaften agiert. Beide Männer sind enge Mitarbeiter von Guzerijew.

    Laut dem Magazin «Forbes» verfügt Michail Gutseriew über ein Vermögen von 1,3 Mrd. US-Dollar. Er ist der Gründer und Hauptaktionär der Safmar Group. Der Milliardär führt seine Geschäfte gemeinsam mit seinem 34-jährigen Sohn Said, der Anteilseigner der Gruppe ist und dessen Vermögen auf 1,5 Mrd. US-Dollar geschätzt wird.

    Guzerijew Senior wurde 2021 von Grossbritannien und der EU mit Sanktionen belegt, weil er ein «langjähriger Freund» des weissrussischen Diktators Alexander Lukaschenko war.

Verantwortung der Schweiz Ukrainekrieg und Rohstoffhandel