«Chli stinke muess es», gell Herr Parmelin!?

CEOs von Schweizer Rohstoff-, Finanz- und Luxusfirmen beschenken den US-Präsidenten mit urhelvetischem Blingbling im Wert von über 100'000 Franken. Während der Wirtschaftsminister das völlig normal findet und die goldenen Gaben mit dem selbst mitgebrachten Fondue vergleicht, reichen zwei grüne Nationalratsmitglieder und die JUSO eine Strafanzeige wegen Bestechung ein. Auch wenn die Schweizer Aussenpolitik seit jeher von wirtschaftlichen Partikularinteressen geprägt ist, stinkt dieser neue Gold-Standard zum Himmel!

Man stelle sich vor, Folgendes hätte sich in der Hauptstadt eines rohstoffreichen afrikanischen Staates zugetragen: Konzernvertreter übergeben dem Präsidenten teure Geschenke, um seine Gunst zu erwirken. Dieser lässt sich beeinflussen, kommt den Bittstellern entgegen und sichert ihnen bessere Geschäftsbedingungen in seinem Land zu. Das riecht stark nach Korruption – da wären sich Schweizer Öffentlichkeit, Politik und Justiz weitgehend einig. Meist finden solche Vorgänge - im Interesse der Firmen und ihrer staatlichen Geschäftspartner – hinter verschlossenen Türen statt. Fliegt es dennoch auf, kommt es auch mal zu Verurteilungen von Schweizer Konzernen wegen Bestechung fremder Amtsträger. 

Von Gold und Uhren

Was sich in den letzten zwei Wochen vor den Augen der Weltöffentlichkeit abgespielt hat, ist also nicht neu. Die kommunikative Unverfrorenheit und staatspolitische Dimension des Vorfalls hingegen schon. Das sogenannte «Team Switzerland», bestehend aus einer Handvoll milliardenschwerer Konzernchefs ohne politische Legitimation, reist Anfang November in die USA und beschenkt den amerikanischen Präsidenten (einfalls-)reich. Neben einem personalisierten Goldbarren erhält Donald Trump auch eine nicht über alle ästhetischen Zweifel erhabene Rolex-Tischuhr. Beides zusammen hat laut Guardian einen Wert von deutlich über 100'000 Franken. Ob auch die anderen Firmenvertreter von Mercuria, Richemont oder der Partners Group geldwerte Gaben über den grossen Teich schleppten, ist nicht bekannt. 

Klar ist hingegen: Die Gesandten der Konzernschweiz wollten Trump «gnädig stimmen» und dazu bewegen, die neuen US-Zölle von 39% zu senken – und dabei sollten auch die Geschenke helfen. Dem amerikanischen Präsidenten hat es jedenfalls gefallen, denn unmittelbar nach dem Treffen mit den aus seiner Sicht «hochrangigen Vertretern der Schweiz» lobte er diese auf seinem Nachrichtendienst Truth Social. 

Screenshot des Posts auf Truth Social (Klick aufs Bild führt zum Originalpost)

Das Treffen, das ohne Beisein offizieller Regierungsvertreter*innen stattfand, scheint den Weg geebnet zu haben für die am 14. November vorgestellte Absichtserklärung zwischen der kleinen Schweiz und ihrer grossen «sister republic». Und darin ist «nur» noch von Zöllen in der Höhe von 15% die Rede (was nota bene immer noch mehr als das Dreifache ist als die rund 4% vor dem ganzen Zolldebakel). 

Wirtschaftsminister Guy Parmelin ist den CEOs für ihren «grossen Einsatz» sehr dankbar und stört sich kein bisschen an den wegbereitenden Gaben. Der Bundesrat habe von den Geschenken gewusst, sagte er am 20. November am Tag der Wirtschaft in Basel. Dies sei aber «eine private Initiative von privaten Unternehmern» gewesen. 

Der neue «Gold-Standard» der Schweizer Handelsdiplomatie?

Dass und wie die Schweizer Aussenpolitik von wirtschaftlichen Partikularinteressen geprägt ist, haben wir bereits im September dargelegt. «Typisch für das System Schweiz AG» findet den Vorgang auch ein renommierter Historiker, wie er dem Tagesanzeiger sagte. Und dennoch übertrifft der Fall mit den Goldbarren-sponsernden Firmen im vermeintlichen Dienst der Schweiz die bisherige Einflussnahme privater Akteure auf staatliche Diplomatie um ein Vielfaches. 

Die Anti-Korruptions-NGO Transparency International findet das Vorgehen «ethisch und rechtlich heikel». Thomas Cottier, emeritierter Professor für europäisches und internationales Wirtschaftsrecht, konstatierte gegenüber SRF, dass hier «wohl der Bestechungstatbestand einer ausländischen Regierung» vorliegt. Auch zwei Nationalratsmitglieder der Grünen und die JUSO sehen rechtlichen Klärungsbedarf, weshalb sie gestern Strafanzeige bei der Bundesanwaltschaft eingereicht haben. Gut so! Denn diese muss nun untersuchen, ob es einen Verdacht auf strafbare Handlungen gibt. Dies setzt gemäss Schweizer Strafgesetzbuch voraus, dass einem fremden Amtsträger «ein nicht gebührender Vorteil» im Gegenzug für eine Handlung zu den eigenen Gunsten gewährt wird. 

© Doug Mills/The New York Times/Redux/laif
Am 10. November befanden sich die Schweizer Gastgeschenke noch auf Trumps Schreibtisch.

Die Sachlage ist juristisch komplex, da auch das amerikanische Recht reinspielt und viel davon abhängt, ob Trump die Geschenke, wie eigentlich vorgesehen, deklariert und seiner «Presidential Library» übereignet. In zahlreichen anderen Fällen scheint er dies nicht getan zu haben. Wo sich der Goldbarren und die Uhr aktuell befinden, ist unklar. Gewiss ist hingegen: Hätten die Konzernchefs einem Schweizer Beamten solche Geschenke gemacht, hätte dies gemäss dem ehemaligen Staatsanwalt Stefan Lenz strafrechtliche Konsequenzen. 

Wir alle sind «Team Switzerland»

Neben der Frage, ob sich die Konzernbosse allenfalls strafbar gemacht haben könnten, stellt sich die weitere nach der Rolle von Verwaltung und Regierung bei dieser angeblich «privaten Initiative». Gegenüber der Nachrichtenagentur AWP sagte Guy Parmelin: «Unser Problem war: Wann und wie bringen wir unser Dossier beim Präsidenten wieder ganz oben auf den Stapel? Als wir von den Wirtschaftsvertretern hörten, dass einige von ihnen direkten Zugang zum Oval Office haben könnten, sahen wir eine Gelegenheit, das Thema ganz oben zu platzieren».

Das alles sei ein «Teameffort» gewesen, ein «gelungene[s] Fussballspiel», bei dem alle ihre Rolle gut gespielt hätten, denn «[W]ir alle sind das Team Switzerland», führte er am Tag der Wirtschaft in Basel weiter aus. Dass die Firmenchefs vor dem Treffen mit vertraulichen Informationen versorgt worden sein sollen, wie Medien berichteten, dementiert der Bundesrat aber vehement. Lediglich ein «allgemeines Briefing» habe es gegeben. 

Was wusste der Bundesrat?

Der Vorwurf trifft einen wunden Punkt. So herrscht nach wie vor grosse Verwirrung über Mandat und Einfluss von «Team Switzerland». Economiesuisse beteuert, es habe lediglich als «wirtschaftspolitische[r] Begleiter und Koordinator» fungiert und «gute Governance sichergestellt», «damit die Grenzen eingehalten werden zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor.» Was die Konzernbosse als Geschenk mitbrachten, sei ihnen überlassen und «keine Abmachung» gewesen. Der bisherige Gipfel der Verwirrung: Zwei Tage nachdem Parmelin erklärt hatte, von den Geschenken gewusst zu haben, sagte er gegenüber der SRF Samstagsrundschau, der Bundesrat habe davon keine Kenntnis gehabt.

Um Licht in diese höchst fragwürdige Geschichte zu bringen, fordern nun diverse Mitglieder der Finanzkommission von der Verwaltung, dass die parlamentarische Geschäftsprüfungskommission über die Details dieses «Hinterzimmerdeals» informiert wird. Sobald diese bekannt sind, dürfte auch der letzte Entschärfungsversuch des Wirtschaftsministers, dass schliesslich auch er dem US-Handelsbeauftragten Geschenke in Form von Schokolade und Fondue mitgebracht habe, nichts mehr nützen. «Chli stinke muess es», gell Herr Parmelin!?

«There is a crack, a crack in everything. That’s how the light gets in.» (Leonard Cohen)

Silvie Lang arbeitet seit über 10 Jahren bei Public Eye und ist Co-Leiterin des Recherche & Advocacy Team. Wenn sie sich nicht gerade mit Rohstoffen beschäftigt, bäckt und isst sie leidenschaftlich gern Kekse.

Kontakt: silvie.lang@publiceye.ch
 

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