Reflect your style? Regulate Fashion!

Hallo Swiss Textiles, amfori Schweiz und Swiss Fair Trade

Zugegeben, die Farbverläufe eurer neuen Kampagne reflect your style sind etwas gewöhnungsbedürftig, aber das Anliegen ist gut: «einen bewussten Umgang mit Textilien – für eine intakte Natur, einen sorgsamen Umgang mit Ressourcen und bessere Arbeitsbedingungen weltweit.» Klar, wer möchte das nicht? Doch wie kommen wir dahin?

Ihr ruft auf: «Unterschreibe jetzt die Initiative.» Gibt es eine neue Volksinitiative für nachhaltigere Mode? Super! Aber nach ein paar Minuten auf eurer Website setzt die Ernüchterung ein. Denn statt auf politische Vorstösse zu Umweltschutz, Menschenrechten oder Transparenz in der Textilindustrie zielt eure Kampagne ausschliesslich auf eine Veränderung des individuellen Konsumverhaltens. Was für ein falsches Signal!

In der Textil- und Bekleidungsindustrie gibt es seit mehr als 20 Jahren freiwillige Nachhaltigkeitsinitiativen und Sensibilisierungskampagnen für Konsument*innen, doch deren Bilanz ist ernüchternd. Die Arbeiter*innenhaben kaum was davon, und Konsument*innen, die wissen wollen, wie ihre Kleider hergestellt werden, sind durch Greenwashing und die fehlende Transparenz frustriert. Ich kann nur unterstreichen, was wir euch vor zwei Jahren schon geschrieben haben: Für eine soziale und umweltverträgliche Textilindustrie braucht es verbindliche, gesetzliche Regeln und Zielvorgaben für alle Akteure. Wir müssen die Politik aus ihrer Laissez-faire Haltung in den Gestaltungsmodus bringen.

Tipps für bewussten Umgang mit Textilen oder Werbeplattform?

Natürlich ist unser Konsumverhalten Teil des Problems. Es ist wichtig, dass wir unsere Kleidung sorgfältig auswählen, länger tragen, tauschen und recyclen, statt sie in den Müll zu geben. Und die Tipps und Stories, die ihr dazu publiziert, finde ich interessant und ansprechend. Hingegen irritieren mich die werbenden Portraits, die Logos und Links zu den Onlinehops von Textil- und Modefirmen und Händlern. Folge ich ihnen, lande ich teilweise direkt bei Black-Friday-Rabattschlachten à la «40% auf Erwachsenen-Bekleidung», während der Blog von euch mir doch gerade den Gegenentwurf «Colorful Friday» nahegelegt hat.

Nach welchen Kriterien wählt ihr die Firmen aus, die reflect your style als Werbeplattform nutzen können?

Statt klarer Mindestanforderungen müssen Akteure sich zu den Zielen eures Programms Sustainable Textiles Switzerland (STS2030) verpflichten, und dafür reicht es erst mal aus, Versprechen in die Zukunft abzugeben, zu vier ökologischen und sozialen Zielen.

Natürlich sollten sich Unternehmen Nachhaltigkeitsziele setzen. Und klar kann es dabei hilfreich sein, sich auszutauschen und in gemeinsamen Programmen zusammenzuspannen. Entscheidend ist jedoch, wie dazu kommuniziert wird, damit kein Greenwashing betrieben wird. Nur für Versprechen in die Zukunft sollten Unternehmen sich eigentlich nicht mit eurem Logo «Sustainable Textiles Switzerland» als Nachhaltigkeitspioniere inszenieren dürfen, oder? Versteht mich bitte nicht falsch: Einige der Unternehmen bei STS2030 sind deutlich nachhaltiger unterwegs als viele andere in der Branche. Das liegt aber nicht an ihrer Unterstützung der STS2030-Ziele, sondern daran, dass sie bereits heute und teilweise seit langem auf nachhaltigere Rohstoffe und Prozesse achten oder ihre Lieferketten sorgfältig strukturiert haben.

Hoher Anspruch, niedrige Anforderungen

Positiv an STS2030 ist, dass sich Unternehmen nicht einfach Themen herauspicken können. Die Verpflichtungserklärung gilt zugleich für die Bereiche Treibhausgase, menschenwürdige Arbeit, Kreislaufwirtschaft und Transparenz. Enttäuschend ist hingegen das Kleingedruckte, denn hier wird klar: das Ambitionsniveau ist teils arg niedrig.

Ihr sprecht vage von Roadmaps für «Faire Löhne», statt klar einzufordern, dass diese existenzsichernd sein und binnen eines klaren Zeitraums erreicht werden müssen. Die geforderte Publikation von Nachhaltigkeitsstrategien und das Bereitstellen von Nachhaltigkeitsinformationen für Konsument*innen sind doch absolute Basics. Wichtig wären genauere Anforderungen an die Qualität und Nachprüfbarkeit von Informationen, um aussagekräftige Vergleiche zu ermöglichen und Greenwashing vorzubeugen, sowie Lieferkettentransparenz. Und warum müssen Unternehmen nicht offenlegen, wieviel die Menschen konkret verdienen, die ihre Kleidung herstellen, transportieren und verkaufen?

Style oder nicht? Ist doch egal. Entscheidend ist, dass die Modeindustrie endlich reguliert wird, findet unser Autor.

Aber ihr fragt auch konkret «welche Themen dir wichtig sind, damit wir alle unseren Umgang mit Textilien nachhaltig verändern können». Ich hätte da zwei Vorschläge:

1. Die Politik in die Pflicht zu nehmen

Parlament und Bundesrat verweigern die Arbeit an allen wichtigen Regulierungsbaustellen im Sektor. Dabei ist vollkommen klar, dass die Branche die nötige soziale und ökologische Transformation nur schaffen wird, wenn es starke gesetzliche Leitplanken für alle gibt. Der Bundesrat fördert STS2030 nicht nur finanziell über das Umwelt- und das Wirtschaftsdepartement, er nutzt euch in seinen letzten Stellungnahmen zur Textilindustrie leider auch als Feigenblatt, um die eigene Regulierungsverantwortung herunterzuspielen und um gesetzliche Massnahmen zu verzögern. Ich finde, als reflect your style und STS2030 solltet ihr diese Rolle nicht mitspielen, sondern viel deutlicher machen, dass freiwillige Brancheninitiativen und bewusster Konsum nicht im Widerspruch zu verbindlicher Regulierung stehen. Vorschläge zur Regulierung von uns und anderen liegen vor, was ist eure Haltung dazu? Dazu würde ich gerne etwas auf eurem Blog erfahren.

2. Einen Kontrapunkt zu Greenwashing setzen

Mindestanforderungen zur Transparenz, klare Regeln für Werbung und Nachhaltigkeitskommunikation und eine Aufsicht darüber gehören natürlich auf die To-Do-Liste der Politik. Doch auch bei reflect your style und STS 2030 ist es wichtig, präzise und nachvollziehbar zu kommunizieren.

Wenn mit  «Sustainable Textiles» oder «#fairshopping» geworben wird, muss klar sein, was darunter verstanden wird.

Nachhaltigkeits-Basics und Versprechen für die Zukunft dürfen nicht bereits als fortschrittlich beworben werden, Aussagen müssen durch aktuelle Informationen belegt und überprüfbar sein, Greenwashing-Mythen wie «Made in Europe = faire Herstellung» müssen entzaubert werden. Ich finde ja jene Beiträge auf reflect your style am besten, die aktuelle Herausforderungen bei der Nachhaltigkeit diskutieren oder Tipps für einen anderen Umgang mit Mode geben. Wenn ihr unbedingt auch auf Firmen und Shops verweisen wollt, müssen die Kriterien für die Auswahl entsprechend schärfer ausfallen und für alle Besucher*innen eurer Website klar ersichtlich werden.

Reflect your style? OK. Aber lasst uns nicht bei unseren persönlichen Konsumweisen und Vorlieben stehen bleiben: Let’s change fashion politics!

«Wer will, dass die Welt so bleibt, wie sie ist, der will nicht, dass sie bleibt.» (Erich Fried)

David Hachfeld hat ein Faible für die Schattenseiten der Konsumwelt. Er kämpft mit der Clean Clothes Campaign für Arbeitsrechte und Gerechtigkeit in der globalisierten Textilindustrie.  

Kontakt: david.hachfeld@publiceye.ch
Twitter: @DHachfeld

Blog #PublicEyeStandpunkte

Unsere Fachleute kommentieren und analysieren, was ihnen unter den Nägeln brennt: Erstaunliches, Empörendes und manchmal auch Erfreuliches aus der Welt der globalen Grosskonzerne und der Wirtschaftspolitik. Aus dem Innern einer journalistisch arbeitenden NGO und stets mit der Rolle der Schweiz im Blick.  

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