Position zur Abstimmung über das Frei­handels­ab­kommen mit Indonesien

Eine differenzierte Betrachtungsweise der Pro- und Kontra-Argumente zum Freihandelsabkommen mit Indonesien ergibt für Public Eye kein eindeutiges Ergebnis, auf dessen Grundlage eine Ja- oder Nein-Parole vertretbar wäre.

Public Eye engagiert sich deshalb bei dieser Abstimmung weder in die eine noch in die andere Richtung, auch aus Ressourcengründen.

Um den Stimmberechtigten eine Entscheidungsgrundlage auf der Basis ihrer individuellen Abwägung zu ermöglichen, legen wir hier die jeweiligen Argumente dar.

Argumente, die für das Abkommen sprechen:

  • Wir haben politisch einiges erreicht, gerade im umstrittenen Bereich Palmöl. Zum ersten Mal verknüpft eine Sonderbestimmung den zollreduzierten Palmölimport direkt und verbindlich mit den Nachhaltigkeitsbestimmungen, eine Forderung, welche die Zivilgesellschaft seit Jahren stellt und die vom Bundesrat bisher kategorisch blockiert wurde. Damit haben wir erreicht, dass im Abkommen mit Indonesien kein Freihandel für Palmöl festgeschrieben wurde. Dies werten wir als Erfolg unseres starken politischen und zivilgesellschaftlichen Drucks auf die Verhandlungsparteien.
  • Die Verknüpfung von Zollkonzessionen mit Nachhaltigkeitsbedingungen entspricht dem so genannten PPM-Ansatz (Process and Production Method), bei welchem nachhaltig produzierte Produkte tariflich bevorzugt behandelt werden. Die Anwendung dieses innovativen Ansatzes ist ein Novum in Schweizer Handelsabkommen und birgt grosses Potenzial über das Abkommen mit Indonesien hinaus. Denn mit dieser vielversprechenden Entwicklung verfügen wir erstmals über einen Hebel, um Nachhaltigkeitsbestimmungen durchzusetzen. Diesen wollen wir in unserer politischen Arbeit nutzen, um in künftigen Freihandelsabkommen eine entsprechende Verknüpfung für weitere Produktkategorien zu fordern.
  • Die Umwelt- und Menschrechtsorganisation WALHI in Indonesien, mit der wir eng zusammenarbeiten, sieht in der Verknüpfung mit Nachhaltigkeitsbestimmungen und im PPM-Ansatz im Allgemeinen ebenfalls eine Chance und will den Ansatz als Modell für die laufenden Verhandlungen mit der EU nutzen. Denn es gibt Anzeichen dafür, dass die indonesische Regierung die vereinbarten Nachhaltigkeitsbestimmungen ernst nimmt und bei deren Umsetzung auch die Zivilgesellschaft einbeziehen wird. Als Grundlage wird der revidierte RSPO-Standard (Roundtable on Sustainable Palm Oil) verwendet werden. In Indonesien stellt der RSPO eine klare Verbesserung gegenüber dem einheimischen Standard ISPO (Indonesian Sustainable Palm Oil) dar.
  • Die Nachhaltigkeitsanforderungen an indonesisches Palmöl führen zu einem faireren Wettbewerb gegenüber einheimischen Pflanzenölen wie Rapsöl. Damit wird nicht nur ein fairer anstelle eines freieren Handels gefördert, sondern auch die lokale Produktion in der Schweiz gestärkt.
  • Mit den verbindlichen Nachhaltigkeitsanforderungen an zollreduziertes Palmöl und dem dafür vorgesehenen Kontingent scheint uns das Abkommen mit Indonesien ungeeignet, um mittels eines Referendums ein Exempel gegen Freihandel zu statuieren. Denn die Auflagen und die Kontingentierung für Palmöl entsprechen gerade nicht der Freihandelsdoktrin.

Argumente, die gegen das Abkommen sprechen:

  • Für den Nachweis von nachhaltig produziertem Palmöl soll das RSPO-Label verwendet werden. Der RSPO steht aber seit Jahren in der Kritik, dem eigenen Anspruch auf Nachhaltigkeit bei weitem nicht gerecht zu werden. Zwar wurde er im Jahr 2018 umfassend überarbeitet und die entsprechenden Standards substanziell verbessert, gerade auch bezüglich der Einhaltung von Arbeits- und Menschenrechten. Das Hauptproblem lag jedoch bisher bei den Kontroll- und Sanktionsmechanismen, die nicht greifen. Ob sich dies mit der Überarbeitung des RSPO verbessern wird, ist eine noch offene Frage.
  • Mit der Verwendung des RSPO als Nachhaltigkeitsnachweis überlässt es der Bundesrat der Privatwirtschaft bzw. dem RSPO, die korrekte Umsetzung der Standards zu überprüfen und bei Vergehen zu sanktionieren. Der Bundesrat sollte jedoch verstärkt eigene Anstrengungen unternehmen, um sicherzustellen, dass das importierte Palmöl den Ansprüchen des Nachhaltigkeitskapitels entspricht – und regelmässig dazu Bericht erstatten.  
  • Die Bestimmungen im Nachhaltigkeitskapitel des Abkommens sind generell vage formuliert. Um deren Einhaltung (über Palmöl hinaus) zu überprüfen existieren keine griffigen Kontrollmechanismen. Stattdessen soll diese Aufgabe dem Gemischten Ausschuss übertragen werden. Dieser trifft sich jedoch normalerweise nur alle zwei Jahre und es fehlt unseres Wissens an einer weiterführenden Regelung, wie das Monitoring durch dieses Gremium ausgeführt wird. Zudem verpasst es der Bundesrat, das Nachhaltigkeitskapitel - und damit auch die Bestimmungen zum Palmöl - der im Abkommen integrierten Schiedsgerichtsbarkeit zu unterstellen.
  • Die Schweiz verpflichtet Indonesien auf einen strengeren Schutz des geistigen Eigentums (Patente auf Medikamente, Sortenschutz für Saatgut) und auf eine Liberalisierung des Bankensektors. Die Erfahrung zeigt, dass von solchen Bestimmungen in erster Linie die Pharma- und Finanzindustrie profitiert. Für die Bevölkerung in den Partnerstaaten bedeutet dies hingegen meist teurere Medikamente, einen erschwerten Zugang zu Saatgut und eine Schwächung des lokalen Bankensektors.