Dubiose Türöffner: Glencore in der DR Kongo
Die Geschichte ähnelt einem Hollywood-Blockbuster – in der Hauptrolle ein Diamantenmogul, der sich mit dem «grössten Unternehmen, von dem Sie noch nie gehört haben» (Reuters) verbündet: mit Glencore. Seit 2012 zerpflücken Medien und NGOs die zweifelhaften Geschäfte, welche der Zuger Konzern und Dan Gertler in der Demokratischen Republik Kongo tätigen, einem Land, auf dem der Rohstoff-Fluch besonders schwer lastet. Die vom International Consortium of Investigative Journalists veröffentlichten Paradise Papers haben im November 2017 neue explosive Elemente dieser Hochrisiko-Partnerschaft ans Licht gebracht.
Eine suspekte Verbindung
Fassen wir die Geschichte kurz zusammen: 2009 erhielt die von Glencore kontrollierte Minengesellschaft Katanga vom kongolesischen Staat äusserst profitable Kupfer- und Kobaltförderlizenzen. Um sich diese Schätze zu sichern, holte die Zuger Firma Dan Gertler an Bord, einen höchst umstrittenen israelischen Geschäftsmann. Wiederholt beteuerte Glencore, im Vorfeld gründliche Sorgfaltsprüfungen unternommen zu haben. Doch Gertlers schlechter Ruf war 2007, als der Rohstoffhändler und Bergbaukonzern die Partnerschaft mit ihm einging, bereits hinlänglich bekannt. Seine Nähe zu Präsident Kabila, dem er 2001 im Austausch gegen ein Monopol auf den Diamantenexport Waffen geliefert haben soll, sowie zur Nummer 2 des Regimes, Augustin Katumba Mwanke, wurde schon von der UNO und dem kongolesischen Parlament kritisiert. Und 2001 bezeichnete ein Expertenbericht an den Sicherheitsrat Gertlers Diamantengeschäfte sogar als «Albtraum» für die kongolesische Regierung. Doch all das schreckte Glencore keineswegs ab.
Neue Enthüllungen
Die Paradise Papers bestätigen Gertlers Schlüsselrolle bei Glencores kongolesischen Deals. Sie zeigen etwa, dass Katanga Mining Gertler mehrmals formell für Verhandlungen mit den kongolesischen Behörden mandatiert hat. Diese Entscheidungen fielen zum Zeitpunkt als Glencore im Begriff war, die Kontrolle über Katanga zu übernehmen und wurden in Anwesenheit von Aristotelis Mistakidis (Glencores «Mister Kupfer») getroffen.
Nachdem Glencore Gertler einen – an erfolgreiche Verhandlungen geknüpften – Kredit von 45 Millionen Dollar gewährt hatte, erreichte Katanga eine sensationelle Senkung der bei der Neuerteilung der Schürfrechte fälligen Lizenzgebühr von 585 auf 140 Millionen Dollar. Laut der NGO Resource Matters zahlte der Schweizer Konzern dem für die Lizenzvergabe zuständigen Staatsunternehmen Gécamines vier Mal weniger als die meisten seiner Konkurrenten. Ein miserables Geschäft für den Kongo, dem damit eine Summe in der Höhe eines Zehntels seines Haushaltsbudgets entgangen ist. Dabei muss knapp 80% der kongolesischen Bevölkerung mit weniger als zwei Dollar pro Tag auskommen. Kam dieser Deal gesetzeskonform zustande? Glencore und Gertler leugnen jegliche illegalen Handlungen.
Ein lästig gewordener Partner
Glencore und Gertler waren bis Februar 2017 miteinander verbandelt. Die Firma distanzierte sich erst nach einem Entscheid der US-Justiz im September 2016 im Zusammenhang mit einem Korruptionsverfahren gegen den Hedge-Fonds Och-Ziff von Gertler und übernahm für insgesamt 922 Millionen Dollar dessen Anteile an verschiedenen Minen (neue Recherchen von Global Witness / PPLAAF lassen jedoch an diesen Distanzierungen zweifeln). Gerichtsdokumente im Fall Och-Ziff zeigten, dass innert zehn Jahren 100 Millionen Dollar Bestechungsgelder an kongolesische Beamte geflossen waren, die über einen «israelischen Geschäftsmann» und weitere Personen ausbezahlt wurden. Dieser Geschäftsmann wurde von zahlreichen Medien als Dan Gertler identifiziert.
Schuldspruch wegen Korruption
Weil Katanga Mining in Kanada kotiert ist, untersuchte die Börsenaufsicht, ob das Minenunternehmen seine Investorinnen und Investoren ausreichend über die mit seinen Aktivitäten im Kongo verbundenen Korruptionsrisiken informiert hat. Zudem forderte das US-Justizministerium Anfang Juli 2018 von Glencore die Herausgabe von Dokumenten zu seinen Aktivitäten in der Demokratischen Republik Kongo sowie in Nigeria und Venezuela.
Ende Mai 2022 verkündeten die Antikorruptionsbehörden der USA und von Grossbritannien, dass sie ihre Ermittlungen abgeschlossen haben und sprachen Glencore der Korruption schuldig. Konkret hat Glencore laut dem US-Justizdepartement zwischen 2007 und 2018 verschiedenen Mittelspersonen über 100 Millionen US-Dollar bezahlt. Dies im Wissen darum, dass ein Grossteil für Bestechung ausländischer Beamt*innen verwendet wird. Gemäss den Justizdokumenten sind Amtsträger*innen in Nigeria, Kamerun, der Elfenbeinküste, Äquatorialguinea, Brasilien, Venezuela und der Demokratischen Republik Kongo geschmiert worden. Das britische Verfahren bezog sich zusätzlich auf Südsudan. Insgesamt erstreckten sich die korrupten Praktiken von Glencore über zehn Jahre und acht Länder. In den USA gestand der Zuger Rohstoffriese zudem Manipulationen beim Ölpreis ein.
Und in der Schweiz?
Glencore hat seinen Hauptsitz bekanntlich in Zug, wo das Top-Management die Bestechungen zumindest partiell gebilligt hat. Interessant ist aber auch, dass neben Überweisungen von Schweizer Bankkonten einzelne Beamt*innen auch mit Bargeld bestochen worden sein sollen. Und dieses bezogen die Glencore-Mitarbeitenden laut den US-Ermittlern bis 2016 von einem Bargeldschalter im Baarer Hauptsitz!
Gestützt auf die Enthüllungen der Paradise Papers, hat Public Eye schon im Dezember 2017 Strafanzeige gegen Glencore bei der Bundesanwaltschaft eingereicht. Und Mitte Juni 2020 wurde bekannt, dass die Schweizer Bundesanwaltschaft eine Untersuchung eröffnet hat. Die Sache wird für Glencore immer unangenehmer – die Minen im Kongo könnten den Konzern teuer zu stehen bekommen.
Glencore-Fälle weltweit
- Mai 2022: Ankündigung des Abschlusses der Untersuchungen durch die Justizbehörden in Brasilien, in den USA sowie in Grossbritannien. Glencore gestand, Beamte aus insgesamt acht Ländern bestochen zu haben, um an lukrative Ölhandelsgeschäfte zu gelangen. Zugleich bekannte sich der Rohstoffriese auch der Markmanipulation in den USA schuldig. Allein in den USA einigte sich Glencore auf die Zahlung von über einer Milliarde US-Dollar. Die Strafzahlung in Grossbritannien wird im November 2022 durch das Gericht festgelegt. An die brasilianischen Behörden muss Glencore 39‘598‘367 US-Dollar überweisen.
- Juni 2020: Eröffnung einer Untersuchung durch die Bundesstaatsanwaltschaft wegen mangelhafter Organisation im Zusammenhang mit mutmasslichen Korruptionshandlungen in der Demokratischen Republik Kongo.
- Dezember 2019: Untersuchung durch die britische Anti-Korruptionsbehörde Serious Fraud Office wegen Verdachts auf Korruption bei der Ausübung der Geschäfte.
- April 2019: Eröffnung einer Untersuchung durch die Commodity Futures Trading Commission (US-Regulierungsbehörde für Termingeschäfte) wegen Verdachts auf Korruption im Zusammenhang mit Rohstoffgeschäften.
- Dezember 2018: Ankündigung der Eröffnung einer Untersuchung durch die brasilianische Bundesstaatsanwaltschaft gegen Glencore und seine zwei Konkurrenten Vitol und Trafigura wegen Verdachts auf Zahlung von Bestechungsgeldern an Beamte der staatlichen Ölgesellschaft Petrobras.
- Juli 2018: Einreichung einer Sammelklage beim Bezirksgericht von New Jersey durch eine Gruppe von US-Aktionärinnen und -aktionäre, die Glencore beschuldigen, in Bezug auf die Korruptionsvorwürfe gelogen zu haben, um seinen Aktienkurs nicht zu beeinträchtigen.
- Juli 2018: Untersuchung durch das US-Justizministerium wegen Verdachts auf Korruption und Geldwäscherei in Nigeria, der Demokratischen Republik Kongo und Venezuela seit 2007.