Lützerath: Schweizer Banken machen lieber Kohle als Klimaschutz

Die Schweiz und ihr Finanzplatz sind immer wieder in Skandale verwickelt. Aktuell – nein, nicht 1910, sondern 2023! - beteiligen sie sich an der Zerstörung eines ganzen Dorfes für den Kohleabbau. Während die Politik mit der Wirtschaft zusammenspannt, kämpfen Menschen für den Umweltschutz und die Einhaltung der Klimaversprechen.

Ein neues Jahr unter dem Zeichen des Klimawandels hat begonnen. Kürzlich blockierten Aktivist*innen den Tagebau Garzweiler II in Deutschland, betrieben vom Konzern RWE. Die Medien berichteten. Weniger bekannt ist die Rolle von Schweizer Banken und Investitionen dabei.

Das mittlerweile berühmte deutsche Dorf Lützerath wurde von RWE für die Erweiterung des Braunkohle-Tagebaus plattgemacht. Unter den beteiligten Investoren findet man die Schweizer Privatbank Pictet, gefolgt von UBS, Credit Suisse und der Migros-Bank.

© Mechthild Mus

Im Jahr 2021 hat sich die Schweiz auf der COP26 in Glasgow für den vollständigen Kohleausstieg eingesetzt. Der Handel mit diesem klimaschädlichen Rohstoff wird jedoch in der Schweizer Klimapolitik nicht eingerechnet. Dies obwohl unser Bericht aufzeigt, dass 40% des weltweiten Kohlehandels in der Schweiz abgewickelt werden. Seit den frühen 2000er Jahren ist die Schweiz zum weltweiten Handels-Hub für Kohle geworden.

Bedenken gehen in Rauch auf

Mitten in der Klimakrise verstösst die Schweiz gegen ihre eigenen Umweltziele. Das scheint Konzerne, Banken und Politik nicht zu kümmern. Dafür sorgen sie sich rührig um Strafregistereinträge der Umweltschützer*innen. RWE bedauert nicht, dass die Zukunft auf einem lebensfähigen Planeten zunehmend utopisch wird, sondern beklagt lediglich, «dass Gegner des Tagebaus zu widerrechtlichen Störaktionen und auch Straftaten aufrufen».

© Mechthild Mus

Es soll also eine «Straftat» sein, einen Ort friedlich zu besetzen, um darauf aufmerksam zu machen, dass das internationale Klimaschutzabkommen nicht eingehalten werden kann, wenn der Tagebau nicht gestoppt wird (Aufnahmen der darauf folgenden, gewaltsame Repression gingen um die Welt.) Handkehrum ist es offenbar in Ordnung, dass ein Konzern bis zum Jahr 2038 ganze 785 Millionen Tonnen des umweltschädlichsten Energieträgers abbauen will.

In einer Pressemitteilung schreibt RWE weiter:

«Niemand sollte sich selbst durch gesetzeswidrige Handlungen in Gefahr bringen.»

Eine fast lachhafte Aussage, denn sie kommt von jenem Energiekonzern, der die Umwelt in Europa am meisten belastet. Dass der Konzern selber unser Leben und unsere Gesundheit in Gefahr bringt, indem er weiter auf fossile Energieträger setzt und dabei von Banken und Politikern unterstützt wird, ignoriert RWE.

RWE teilt mit, dass das Unternehmen weiter auf Kosten unserer Zukunft Millionen scheffeln wird. Begründung: Wenn RWE damit aufhört, werden es stattdessen andere tun. Was für eine armselige Verteidigung des Kapitalismus.

Sich den Auswirkungen seines Handelns auf die Erde und die Zukunft der Menschheit zu stellen, kommt für RWE nicht infrage. Lieber beruft sich der Konzern auf das Emissionshandelssystem, um sein «Verschmutzungsrecht» zu verteidigen. Dabei handelt es sich um Märkte zur Umverteilung von Emissionsgutschriften (eine Art «Verschmutzungslizenz»), die höchst umstritten sind. Emissionszertifikate werden hauptsächlich der Schwerindustrie und den Energieunternehmen reicher Länder zugeteilt. Dadurch wird der Rest der Welt benachteiligt, insbesondere wirtschaftlich schwächere Länder oder solche, die vom Klimawandel besonders betroffen sind. Wenn sich ein Konzern angesichts der wissenschaftlich fundierten Kritik von Klimaaktivist*innen hinter dem Emissionshandel versteckt, muss man sich schon fragen, für wen die politisch Verantwortlichen eigentlich arbeiten.

Opportunistische Schweiz und Klimaabkommen

RWE ist jedoch nicht der einzige Akteur, der die Realität ignoriert, um weiterhin Profite anzuhäufen. Seit der Ratifizierung des Pariser Abkommens durch die Schweiz im Jahr 2015 haben unsere Banken den Kohleverbrauch hemmungslos gefördert.

Zwischen 2016 und 2022 vergaben sie Kredite in Höhe von über 3 Milliarden US-Dollar an den Kohlesektor, wobei die Credit Suisse – wenig überraschend – an der Spitze steht.

Offenbar hat sich der britische Politiker Kwasi Karteng geirrt, als er auf der COP26 verkündete: «Das Ende der Kohle ist in Sicht.».

Schmutzige Profite

Der Schweizer Finanzplatz ist nicht dafür bekannt, dass er bei Herkunft seiner Gewinne zimperlich wäre. Die Energieknappheit hat die Preise für Kohle in die Höhe getrieben und sorgt für nette Profite. Dass die Bank Pictet, UBS, Credit Suisse und die Migros-Bank zu den Investoren von RWE gehören, erstaunt also nicht. Unverständlich hingegen ist die verantwortungslose Untätigkeit der Politik, was verbindliche Massnahmen gegenüber dem Schweizer Finanzplatz angeht. Unsere Politiker*innen haben ja keinen Gewinn davon, dass sie den Ball flach halten, oder?

Was soll man mit seinem Geld machen? Als Einzelperson können Sie Ihrer Bank Ausschlusskriterien mitteilen. So vermeiden Sie beispielsweise, dass Ihr Geld in klimaschädliche Bereiche wie fossile Energieträger oder neue Kraftwerke investiert wird oder der Artenvielfalt schadet. Das reicht natürlich nicht. Es braucht einen Systemwandel und damit kollektives Handeln. Mehr Informationen darüber, wie sich unser Geld und unsere Investitionen auf die Erde auswirken, finden Sie bei Gruppen wie Climate Justice Switzerland oder Debt for Climate Switzerland.

Das Ende der Heuchelei

Aber zurück zur Kohle: Die umweltschädlichste Energiequelle der Welt ist für 40% des Anstiegs der CO2-Emissionen im Jahr 2021 verantwortlich. Und noch nie wurde so viel Kohle verbraucht wie im Jahr 2022. Wird 2023 diesen Rekord brechen?

Verhindern wir das! Auch wenn sich Schweizer Banken noch 2023 an der Zerstörung eines Dorfes zur Braunkohleförderung beteiligten und dabei sämtliche internationalen Klimaabkommen ignorierten, hat die Schweiz als weltweit führender Kohlehandelsplatz eine internationale Verantwortung und Hebelwirkung. Public Eye fordert, dass unsere Politiker*innen endlich ihre Verantwortung wahrnehmen: Bis 2030 muss Schluss sein mit dem Kohlehandel.

Sind Sie dabei? Unterzeichnen Sie unsere Petition für eine Welt ohne Kohle!

© Mechthild Mus

«Wir dürfen in der Schweiz nicht aufgeben, denn andere zahlen anderswo einen viel höheren Preis.»

Cynthia Illi will die Ursachen von weltweiter Ungerechtigkeit in der Schweiz angehen. Seit ihrem Studium der Umweltwissenschaften und Geografie kämpft sie für Klimagerechtigkeit und sozialen Ausgleich. Aktuell arbeitet sie in der Online-Kommunikation bei Public Eye.

Kontakt: cynthia.illi@publiceye.ch 
Twitter: @CynthiaIlli 

Dieser Text ist eine Übersetzung des französischen Originaltextes.

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Unsere Fachleute kommentieren und analysieren, was ihnen unter den Nägeln brennt: Erstaunliches, Empörendes und manchmal auch Erfreuliches aus der Welt der globalen Grosskonzerne und der Wirtschaftspolitik. Aus dem Innern einer journalistisch arbeitenden NGO und stets mit der Rolle der Schweiz im Blick.  

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