Die Schweizer Agrarrohstoffhändler und ihr Geschäftsmodell

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Bei den beiden wichtigsten Trends, die zu einer zunehmenden Konsolidierung des globalen Agro-Food-Systems führen, bilden die in der Schweiz ansässigen Händler keine Ausnahme. Schweizer Trader sind auf Expansionskurs und ihre bevorzugten Instrumente sind Fusionen und Übernahmen. Sie expandieren sowohl horizontal auf der gleichen Stufe als auch vertikal entlang verschiedener Stufen von globalen Wertschöpfungsketten und dringen bis in den Anbau von Agrarrohstoffen vor. Die Mehrheit der in der Schweiz ansässigen Händler kann daher nicht als einfache Handelsunternehmen, sondern muss als Manager von globalen Wertschöpfungsketten betrachtet werden.

Schweizer Agrarrohstoffhändler

Public Eye definiert Schweizer Agrarrohstoffhändler als in der Schweiz tätige Handelsgesellschaften. Diese Definition umfasst nicht nur diejenigen Händler mit Hauptsitz im Land, sondern auch solche, die hier Regional- oder Zweigniederlassungen haben oder gewisse Handelsgeschäfte aus der Schweiz heraus ausführen. Dieses Verständnis steht im Einklang mit der Definition im Leitfaden «Swiss Commodity Trading Sector Guidance», der entwickelt wurde, um Schweizer Rohstoffhändler bei der Umsetzung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte in ihren Geschäftstätigkeiten zu unterstützen.

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Der globale Trend zur Konzentration ist bei den Schweizer Agrarhändlern deutlich zu beobachten. Agrarhändler tauchen in der Schweiz selten in den Medien auf, aber wenn sie es tun, machen meist Fusionen und Übernahmen sowie Joint Ventures die Schlagzeilen aus. So erwarb COFCO International 2017 den niederländischen Agrarrohstoffhändler Nidera sowie Noble Agri, die Landwirtschaftsabteilung der in Hongkong ansässigen Noble Group. Archer Daniels Midland hat im Laufe der Jahre schrittweise in Wilmar investiert, Asiens führendes Agrarunternehmen, und kontrollierte 2021 fast ein Viertel des Unternehmens. Darüber hinaus ging Louis Dreyfus ein Joint Venture mit Amaggi ein, Brasiliens grösstem Sojaproduzenten, was einige Kontroversen auslöste.

Schweizer Trader als Manager globaler Wertschöpfungsketten

Auch bei vielen Schweizer Agrarhändlern ist ein deutlicher Trend zu einer stärkeren vertikalen Integration zu erkennen, sowohl im Upstream-Bereich bei der Produktion von Agrarrohstoffen als auch im Downstream-Bereich bei der Verarbeitung und Herstellung. Cargill ist ein Paradebeispiel für ein hochgradig vertikal integriertes Unternehmen mit Aktivitäten auf fast allen Stufen der Wertschöpfungskette, in den Bereichen Rohstoffversorgung, Produktion, Handel, Verarbeitung, Fertigung und Handel. Dieser Trend zur vertikalen Integration zeigt sich bei allen von Public Eye untersuchten Firmen

Durch den Erwerb oder die Pacht von Land, den Abschluss von Anbau-Verträgen oder durch ihre blosse Marktmacht üben die Händler zunehmend die Kontrolle über die Produktion landwirtschaftlicher Rohstoffe aus. In der Schweiz ansässige Händler bilden da keine Ausnahme. Viele Händler sind auch an der sogenannten Primärverarbeitung beteiligt, einem ersten Schritt in der Verarbeitung von Rohstoffen, der oft für den internationalen Transport notwendig ist und in der Regel grössere Mengen an Kapital und Infrastruktur erfordert. Für einige Unternehmen ist die Verarbeitung zu ihrem Hauptgeschäft geworden, wie zum Beispiel für die Firma ADM, die mit der Verarbeitung mehr Umsatz generiert als mit ihren anderen Aktivitäten. 

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Eine weitere Expansion findet im Bereich Logistik und Lagerung statt. Einige Unternehmen verfügen über beeindruckende Transport- und Lagerkapazitäten und kontrollieren ganze Hafenanlagen. Da sie diese Kapazitäten jedoch nicht voll auslasten können, betreiben sie daher ebenfalls Geschäfte mit Drittunternehmen.

Viele Händler verweisen in ihren Firmenportraits stolz auf die vertikale Integration, allen voran die Louis Dreyfus Company mit ihrem Slogan «From Farm to Fork» (vom Bauernhof bis auf den Teller). Diese integrierten Unternehmen machen die überwiegende Mehrheit der weltweit relevanten Händler aus. Ausnahmen sind z.B. der Zuckerhändler Alvean oder der Baumwollhändler Reinhart, die (bis jetzt) noch nicht auf verschiedenen Stufen ihrer jeweiligen Lieferketten expandiert haben.

Der Vorstoss in den Anbau von Agrarrohstoffen führt zu direkteren Geschäftsbeziehungen zwischen Händlern und Kleinproduzierenden sowie Arbeitnehmenden. Dieses Vordringen sowie die enorm ungleiche Verhandlungsmacht zwischen den Akteuren bringt eine besondere Verantwortung der Handelsunternehmen mit sich für schwere Menschenrechtsverletzungen wie Zwangs- und Kinderarbeit oder die Zerstörung der Lebensgrundlagen, die im Anbau von Agrarrohstoffen häufig vorkommen.