Lange Verfahren und taktische Spielchen

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Wirtschaftsstrafverfahren sind komplizierte Untersuchungen mit oftmals vielen Beteiligten, teilweise hunderten involvierten Bankkonten und hochkomplexen Transaktionen; teils in mehreren Ländern gleichzeitig. Sie können sich über mehrere Jahre hinziehen. Dazu tragen auch Beschuldigte bei, wenn sie Instrumente wie Siegelung und Beschwerderecht missbrauchen, um Zeit zu gewinnen. Oft enden sie mit einem Deal sowie sehr milden Sanktionen.

Ermittlungen zu Geldwäscherei und Bestechung gelten generell als sehr schwierig und zeitaufwändig. Denn zur Verschleierung von Geldwäscherei und Korruption werden oftmals ausgeklügelte Strukturen verschiedener Briefkastenfirmen und anderer Gesellschaften sowie etliche Bankkonten in mehreren Staaten benutzt. Die Ermittler*innen müssen dann die teils legalen Geschäftsabläufe durchschauen und die dahinterliegende Illegalität nachweisen können, entsprechend den Anforderungen der Strafprozessordnung. In Fällen transnationaler Wirtschaftskriminalität sind die Ermittlungsbehörden zudem abhängig von der Zusammenarbeit mit ihren ausländischen Kolleg*innen. Besonders in Verfahren in Staaten mit schwachen rechtsstaatlichen Strukturen führt dies mitunter zu Schwierigkeiten.

Neben teilweise mangelnden Ressourcen in den Staatsanwaltschaften gibt es zwei im Prozessrecht verankerte Gründe für die lange Verfahrensdauer:

  1. Einerseits kann durch das so genannte Siegelungsverfahren die Verwendung etwa von Akten und anderen Dokumenten durch die Strafverfolgungsbehörden im Strafverfahren vorübergehend verhindert werden.
  2. Andererseits sieht die Gesetzgebung im internationalen Rechtshilfeverfahren ein Beschwerderecht für die betroffenen Personen vor.

Beides sind rechtsstaatlich unbestrittene und elementare Rechtsmittel, die sich aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens ableiten. Allerdings werden sie häufig von Verteidiger*innen genutzt, um Zeit im Verfahren zu gewinnen.

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  • Siegelungsverfahren

    Die in der Strafprozessordung verankerte Siegelung (Art. 248 StPO) gilt als sogenannte Sofortmassnahme. Damit können Inhaber*innen oder andere Personen, die ein geschütztes Recht an Unterlagen und Gegenständen haben (bspw. Bankunterlagen oder Datenträger) die Kenntnisnahme durch die Strafverfolgungsbehörden sowie deren Verwendung im Strafverfahren einstweilen verhindern. Dies ist auch kinderleicht zu erreichen: die knappe und begründungslose Formulierung «die Siegelung wird verlangt» genügt, um der Staatsanwaltschaft den Zugriff auf beschlagnahmte oder herausverlangte Beweismittel zu verwehren. Damit die Ermittlungsbehörden mit ihrer Arbeit – der Ermittlung – beginnen können, müssen sie nun ein Gesuch auf Entsiegelung beim Zwangsmassnahmengericht stellen und dessen rechtskräftigen Entscheid abwarten.

    Und ein gerichtliches Entsiegelungsverfahren dauert lange, vor allem wenn der Entscheid bis ans Bundesgericht weitergezogen wird. Laut einer Studie nimmt das durchschnittliche Entsiegelungsverfahren bei Ausschöpfung des ganzen Instanzenzugs 328 Tage, bei Wirtschaftsdelikten sogar 397 Tage in Anspruch. In einzelnen umfangreichen Wirtschaftsstraffällen haben Entsiegelungsverfahren nur schon vor der ersten Instanz zwei bis drei Jahre gedauert.

    Aber auch in eindeutigen Fällen wird das Siegelungsrecht als taktisches Spielchen genutzt - das an Rechtsmissbrauch grenzt.

    Die Strafuntersuchung wird stark verzögert und potentielle Beweismittel können nicht ausgewertet werden, selbst wenn die Siegelung ohne gültigen Grund beantragt wurde. Siegelungen nehmen in der Praxis seit Jahren zu, meist jedoch mit bescheidenem Erfolg (laut der Studie erachtete das Gericht nur in 6,7% der erstinstanzlichen Wirtschaftsstraffälle die Siegelung als berechtigt).

  • Beschwerderecht im Rechtshilfeverfahren

    In einer globalisierten Wirtschaftswelt macht auch die Kriminalität nicht an den Landesgrenzen halt. Bei der Bestechung ausländischer Amtsträger*innen, aber auch bei anderen Wirtschaftsstraffällen mit Tatkomponenten in verschiedenen Staaten sind die Strafverfolgungsbehörden auf Beweismittel aus dem Ausland angewiesen. Dazu stellen sie internationale Rechtshilfeersuchen. Umgekehrt erhält die Schweiz gemäss einer Analyse der Eidgenössischen Finanzkontrolle aus dem Jahr 2020 durchschnittlich mehr als 2300 Ersuchen pro Jahr. Genaue Zahlen, wieviel Rechtshilfeersuchen die Schweiz ans Ausland gestellt hat, sind in keiner Statistik oder nur ungenügend erfasst. Dafür wurde die Schweiz erst kürzlich von der OECD kritisiert. Die Eidgenössischen Finanzkontrolle kommt jedenfalls zum Schluss, dass «die Hilfe der Schweiz in Wirtschaftsangelegenheiten häufig in Anspruch genommen [wird], weshalb unser Land mehr Rechtshilfe leistet als anfordert.»

    Trotz bestehenden internationalen Drucks, die Verfahren zu beschleunigen, sind hiesige Rechtshilfeverfahren sehr langsam. Bei Wirtschaftsdelikten kann es gemäss der Analyse gut ein Jahr oder mehr dauern (im Durchschnitt 462 Tage), bis ein Gesuch bearbeitet ist. Dafür glänze die von der Schweiz geleistete Rechtshilfe mit überdurchschnittlicher Qualität.

    Ein Grund für die lange Verfahrensdauer ist oftmals das Beschwerderecht. Auch die Finanzkontrolleur*innen des Bundes haben erkannt: «Das Beschwerderecht dient häufig als Verzögerungstaktik». Denn einen anderen Zweck kann es kaum haben. Es wird zwar bloss bei 3-4% der Rechtshilfeersuchen beim Bundesstrafgericht Beschwerde eingereicht. Das Gericht heisst dann lediglich 7% der Beschwerden gut. Ungefähr ein Viertel werden noch ans Bundesgericht weitergezogen, das auf circa 90% gar nicht erst eintritt und nur etwa 3% gutheisst.

    Das Beschwerderecht hängt historisch mit dem Bankgeheimnis zusammen. Es wurde bei der Einführung des Rechtshilfegesetzes (IRSG) im Jahr 1981 eingeführt, weil die Banken befürchteten, dass die Rechtshilfe von anderen Staaten missbraucht würde, um das Bankgeheimnis zu umgehen. Nach Inkrafttreten wurde jedoch klar, dass nicht die Rechtshilfe an sich missbräuchlich verwendet wurde - vielmehr begünstigt das Beschwerderecht die Verteidigung krimineller Interessen. Mit der Revision des IRSG 1996 konnte das Rechtshilfeverfahren zwar beschleunigt werden, indem die Rolle des Bundesgerichts beschränkt und die Möglichkeit aufgehoben wurde, nacheinander die Eintretens- und die Schlussverfügungen anzufechten. Auf eine Frist zur Straffung des Rechtshilfeverfahrens auf neun Monate wurde aber verzichtet.

    Die internationale Rechtshilfe war und ist auch im Fallkomplex Petrobras (Lava Jato) eine Herausforderung. Die brasilianischen Ermittlungen betrafen die Vortat der Geldwäscherei, die in der Schweiz untersucht wurde. Gemäss eigenen Angaben hat die Bundesanwaltschaft im Petrobras-Komplex die Strategie verfolgt, «den zuständigen Behörden in Brasilien […] regelmässig spontane Informationen über das Vorhandensein relevanter Bankunterlagen zukommen zu lassen, damit diese der Bundesanwaltschaft ein Rechtshilfeersuchen vorlegen können» (vgl. die Sicht eines brasilianischen Staatsanwalts zur Zusammenarbeit).

Mit Tricks zur Verfahrensabsprache

Die Schweiz kennt, anders als die US-Strafverfolgung, keine eigentlichen Instrumente zur aussergerichtlichen Verfahrensabsprache. Zwar gibt es in der Strafprozessordnung das abgekürzte Verfahren, das als schweizerisches Abspracheverfahren bezeichnet wird. Auf Antrag der beschuldigten Person und wenn sie den Sachverhalt eingesteht, kann die Staatsanwaltschaft die Durchführung des abgekürzten Verfahrens bewilligen. Die beschuldigte Person und die Staatsanwaltschaft einigen sich auf eine konkrete Anklageschrift, also auf die vorgeworfenen Straftaten, Strafe und Strafmass. Diese wird aber dem Strafgericht zur Prüfung vorgelegt, welches sie entweder zum rechtskräftigen Urteil erklären oder zurückweisen kann.

Im Rahmen der Vernehmlassung zur Revision der Strafprozessordnung hat die Bundesanwaltschaft einen «Aufschub der Anklageerhebung bei Strafverfahren gegen Unternehmen (AAU)» gefordert. Der Bundesrat ist dieser Forderung aber nicht nachgekommen, u.a. mit folgendem Argument: «Der Vorschlag eröffnet die Möglichkeit von Absprachen über Sanktionen, Nebenfolgen, Zivilforderungen etc. zwischen beschuldigter Person und Staatsanwaltschaft, ohne dass ein Gericht die Angemessenheit der getroffenen Vereinbarung überprüfen würde. Damit ginge die Regelung weiter als jene über das abgekürzte Verfahren.»

Interessant ist dies mit Blick auf die Praxis der Bundesanwaltschaft. Denn diese führte ihre bisherigen Verfahren gegen Unternehmen im Strafbefehlsverfahren. Das bedeutet, dass nicht ein Strafgericht, sondern die Bundesanwaltschaft selbst ein Urteil fällt. Der Strafbefehl gilt zwar als blosser Urteilsvorschlag, denn die beschuldigte Person und eventuell weitere Berechtigte können innerhalb einer Frist von 10 Tagen Einsprache gegen den Strafbefehl erheben. Verzichtet die beschuldigte Person aber auf Einsprache, wird der Strafbefehl zum rechtskräftigen Urteil – ohne richterliche Kontrolle.

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Die Bundesanwaltschaft umgeht die richterliche Kontrolle

Das Strafbefehlsverfahren ist für klare Fälle im Bagatellbereich gedacht. Voraussetzungen sind unter anderem, dass der Sachverhalt eingestanden oder ausreichend geklärt ist und eine der folgenden Sanktionen ausreichend erscheinen: Geld- oder Freiheitstrafe von maximal 180 Tagessätzen bzw. einem halben Jahr oder eine Busse. Und genau auf letzteres stützt sich die Praxis, Unternehmen regelmässig per Strafbefehl zu verurteilen.

In mehreren Fällen hat die Bundesanwaltschaft während der Strafuntersuchung gegen Unternehmen zunächst ein abgekürztes Verfahren eröffnet. Kurz vor Abschluss wechselte sie dann die Verfahrensart und erliess einen Strafbefehl, anstatt die ausgehandelte Anklageschrift dem Bundesstrafgericht vorzulegen. Damit umging sie die richterliche Kontrolle.

Dass dies eine bewusste Taktik der Bundesanwaltschaft ist, führt ein leitender Staatsanwalt des Bundes in einem Vortrag unumwunden aus: «[…] die BA eröffnete auf Antrag eines Unternehmens ein abgekürztes Verfahren, das zu einer Einigung in Form eines Strafbefehls führte. Dies ermöglicht es dem Unternehmen und dem Staatsanwalt, welche die Vereinbarung getroffen haben, die Überprüfung des erstinstanzlichen Gerichts zu umgehen [...]».

Dieses Vorgehen der Bundesanwaltschaft ist rechtsstaatlich zumindest bedenklich.

Intransparente Urteile

Das abgekürzte Verfahren sieht klar vor, dass ein Gericht das Urteil fällt. Daran ändert auch nichts, dass eine Strafe angemessen erscheint, die per Strafbefehl verhängt werden könnte. Auch aus einem anderen Grund ist die Praxis widersprüchlich. Die Bundesanwaltschaft selbst hat 2017 entschieden, gegenüber Unternehmen die Verfahrenseinstellung aufgrund einer Wiedergutmachung (Art. 53 StGB) nicht mehr anzuwenden, denn diese scheitere «bereits und offensichtlich aber am Interesse der Öffentlichkeit, welches in diesem Zusammenhang nicht als gering bezeichnet werden kann». Verurteilungen aber, die in wenig transparenten Absprachen ausgehandelt, ohne öffentliche Gerichtsverhandlung ergehen und in der Regel nicht publiziert werden, erfüllen diesen Anspruch nicht.

Ohne Druck von aussen wird sich an dieser Praxis nichts ändern, denn niemand der Beteiligten ist wirklich unglücklich damit – weder das verurteilte Unternehmen noch die Bundesanwaltschaft. Daher ist das Parlament als Gesetzgeberin gefordert, nachdrücklich Klarheit zu schaffen, dass Verfahrensabsprachen im Rahmen des abgekürzten Verfahrens auch tatsächlich dem zuständigen Strafgericht zur Überprüfung vorgelegt werden müssen.

Sanktionen ohne Wirkung

Kommt es zu einer Verurteilung wegen Bestechung fremder Amtsträger oder Geldwäscherei in der Schweiz, fällt in erster Linie auf, dass die Strafen im internationalen Vergleich sehr milde ausfallen. Insbesondere die vielen Bewährungsstrafen und dabei speziell die bedingten Geldstrafen irritieren. Zu Kritik haben auch die geringen Unternehmensbussen geführt. So stellt die Arbeitsgruppe Korruptionsbekämpfung der OECD in Frage, dass die verhängten Bussen aber auch die Strafdrohung allgemein genügend wirksam, verhältnismässig und abschreckend sind. Im Follow-Up Bericht vom Oktober 2020 zur letzten Länderprüfung kritisiert die OECD, dass die Bussgelder «immer noch nicht die Schwere der Straftaten und die Höhe der Beträge widerspiegeln».

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  • Korruption nur eine Bagatelle?

    Schaut man einige der öffentlich zugänglichen Urteile wegen Bestechung fremder Amtsträger*innen an, fallen drei Punkte besonders auf: Erstens wurde der überwiegende Teil der Strafen auf Bewährung ausgesprochen, zweitens gibt es viele bedingte Geldstrafen, und drittens erging die Mehrheit der Verurteilung auch hier per Strafbefehl. Schon letzteres sollte hellhörig machen. Das Strafbefehlsverfahren wurde 2011 gesamtschweizerisch eingeführt, um die Justizbehörden zu entlasten, indem Fälle der Alltagskriminalität im Bagatellbereich in einem Schnellverfahren abgearbeitet werden können. Es stellt sich die Frage, ob die Bestechung fremder Amtsträger blosse Bagatelle ist?

    Auch in diesem Bereich kommt die Schweiz in der Beurteilung durch die OECD-Expert*innengruppe nicht gut weg. Aus deren Sicht wirft die Analyse von Sanktionen, die gegen natürliche Personen in Fällen von Auslandsbestechung verhängt wurden, «ernsthafte Fragen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit, Verhältnismässigkeit und Abschreckung auf». Die Arbeitsgruppe weist zudem darauf hin, «dass trotz der Schwere der Tat und der hohen Verantwortung der beschuldigten Personen kaum Freiheitsstrafen verhängt werden». Ausdrückliche Kritik erfährt auch die Anwendung von bedingten Geldstrafen.

    Zum gleichen Schluss kommen die Expert*innen der Financial Action Task Force (FATF), die regelmässig die Umsetzung der Mindeststandards zur Geldwäschereibekämpfung überprüfen.

    Auch unter Berücksichtigung der allgemeinen Regeln des Sanktionenrechts ist es möglich, für mittelschwere und schwere Fälle von Bestechung fremder Amtsträger*innen sowie Geldwäscherei höhere Strafen auszusprechen. Dies benötigt jedoch einen Einstellungswandel. Ein solcher hat zwar schon vor über 30 Jahren begonnen, ist aber noch lange nicht abgeschlossen. Dass Ende der 1990er Jahre, als Korruptionszahlungen noch als «nützliche Aufwendungen» steuerbefreit waren und die Schweiz noch keine Weissgeldstrategie kannte, diese Delikte als Bagatelle oder Kavaliersdelikt aufgefasst wurden, erstaunt nicht. Heute ist es jedoch unerlässlich, dass die Strafbehörden Geldwäscherei und Korruption konsequent verfolgen und abschreckend sanktionieren.

  • Kein abschreckender Effekt aufgrund tiefer Unternehmensbussen

    Die Sanktionsdrohung im Unternehmensstrafrecht ist mit höchstens 5 Millionen Franken gering. Dies hat die Arbeitsgruppe Korruptionsbekämpfung der OECD wiederholt kritisiert, die Höhe der Sanktion würde nicht der OECD-Konvention entsprechen.

    In Bezug auf juristische Personen äussert die OECD, «starke Vorbehalte hinsichtlich der Wirksamkeit, Verhältnismässigkeit und Abschreckung der Sanktionen», die gegen Unternehmen verhängt werden. Daran ändert auch die Verbindung mit einer Einziehungsmassnahme nichts. Dies gilt umso mehr, wenn man die angeklagten Tatsachen und die zum Teil exorbitanten Beträge berücksichtigt, die im Zusammenhang mit dem Delikt erwirtschaftet wurden. Die OECD Expert*innen stellen auch fest, dass die ausgesprochenen Bussgelder nie den vom Gesetz vorgesehenen Höchstbetrag erreicht haben, obwohl dieser mit 5 Millionen Franken ja relativ niedrig ist. Auch im internationalen Vergleich hat die Schweiz durchaus Luft nach oben (siehe Tabelle oben).

    Aus Sicht des Bundesrates gab es trotz dieser internationalen Kritik bisher keinen Anlass zu handeln.

    Die Regierung weist gar dreist darauf hin, dass die Bundesanwaltschaft ja im Fall Gunvor eine Busse in Höhe von 4 Millionen Franken ausgesprochen habe und dabei die Obergrenze des Strafmasses in der Praxis noch nicht erreicht habe.

    Der Bundesrat verkennt dabei, dass für die Bemessung der Unternehmensbusse die Schwere der Tat, die Schwere des Organisationsmangels, der angerichtete Schaden sowie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens berücksichtigt werden müssen. Im erwähnten Strafbefehl gegen Gunvor ist die Bundesanwaltschaft aufgrund der Schwere der Tat von der Höchststrafe ausgegangen, hat aber eine Reduzierung um einen Fünftel als angebracht erachtet, da das Unternehmen «nach anerkannten Standards ausgerichtete Massnahmen zur Korruptionsbekämpfung […] seit 2012 kontinuierlich eingeführt und umgesetzt hat».

    Der Bundesrat stellt jedoch in Aussicht, im Rahmen einer möglichen Harmonisierung der Verwaltungsstrafverfahren auch die gesetzlichen Höchststrafen zu überprüfen und es sei «nicht ausgeschlossen, dass die gewählte Lösung - mittelfristig - Auswirkungen auf die in Art. 102 StGB hat.» Nach einer echten Problemanerkennung und Strategie zur Verbesserung der Instrumentarien zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität in diesem Bereich tönt das leider nicht.

    Damit die Unternehmensbusse tatsächlich abschreckende Wirkung zeigt, muss diese auf mindestens 10 Millionen Franken erhöht werden. Falls die 10 Millionen im Einzelfall als zu gering erscheinen, muss zudem die Möglichkeit bestehen, bis 10% des durchschnittlichen Umsatzes der letzten drei Geschäftsjahre als Busse auszusprechen. Bundesrat und Parlament täten gut daran, weitere Sanktionsmöglichkeiten ins Gesetz aufzunehmen. Als Vorlage könnte ihnen der Vorentwurf 1991 dienen. Dieser sah zusätzlich vor: Gewinnabschöpfung, Weisungen, Bewährungsaufsicht, Tätigkeitsverbot und gar die Auflösung des Unternehmens.

  • Öffentlichkeit des Strafverfahrens und Unternehmensstrafregister

    Strafrechtlich verurteilte Unternehmen erhalten keinen Eintrag im Strafregister. Aus diesem Grund fehlt auch eine offizielle Statistik. So weiss auch die ermittelnde Strafverfolgungsbehörde nicht, ob es sich bei einem beschuldigten Unternehmen um eine Wiederholungstäterin handelt. Das Strafverfahren vor einem Straf- oder Berufungsgericht ist grundsätzlich öffentlich. Nicht hingegen das Strafbefehlsverfahren, schliesst dieses ja direkt die staatsanwaltschaftliche Untersuchung ab. Strafbefehle werden auch nicht systematisch publiziert, wie dies mittlerweile bei vielen Gerichtsurteilen der Fall ist.

    Die Arbeitsgruppe Korruptionsbekämpfung der OECD hat der Schweiz empfohlen, dass zumindest «bestimmte Elemente der Strafbefehle, einschliesslich der Rechtsgrundlage für die Wahl des Verfahrens, des Sachverhalts, der sanktionierten natürlichen und juristischen Personen (erforderlichenfalls anonymisiert) und der verhängten Sanktionen, unverzüglich und in Übereinstimmung mit den geltenden Verfahrensvorschriften veröffentlicht [werden]». Bei der Bundesanwaltschaft können zwar alle rechtskräftigen Strafbefehle innerhalb von 30 Tagen an einem ihrer Standorte eingesehen werden. Es fehlt jedoch weiterhin eine öffentlich zugängliche Entscheiddatenbank, in der die rechtskräftigen Urteile gegen Unternehmen abrufbar sind.

    Dieses momentan geltende Einsichtssystem ist mit Aufwand verbunden und es weist Mängel auf, gerade in Bezug auf die Öffentlichkeit des Strafverfahrens. Auch der Umstand, dass die Verurteilungen gegen Unternehmen nicht im Strafregister erfasst werden, ist höchst bedenklich. Nicht nur unter dem Öffentlichkeitsaspekt: Unternehmen, die mehrmals und allenfalls wegen der gleichen Straftat verurteilt werden, sind nicht als Wiederholungstäterin im Strafregister erfasst.

Die nötigen strafrechtlichen Instrumente zur Bekämpfung von Geldwäscherei und Korruption hätte die Schweiz eigentlich. Es fehlt aber am ausdrücklichen Willen, diese durchzusetzen. Zudem müssten, damit die Abschreckung wirkt, zusätzlich die Strafurteile publiziert und öffentlich zugänglich sein. Denn nur wer damit rechnen muss, erwischt zu werden, überlegt sich, die Straftat zu unterlassen. Ausserdem müssen die Sanktionen erhöht werden, vor allem die Unternehmensbussen. Die Politik ist in der Verantwortung, Geldwäscherei und Korruption endlich als das anzuerkennen, was sie sind: keine Bagatelle, sondern globale Probleme mit zerstörerischem Ausmass.