Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz

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Die Arbeitsplatz- und Gebäudesicherheit ist in der Textil-, Bekleidungs- und Schuhindustrie weltweit problematisch. Neben gesundheitlichen Risiken aufgrund massiver Überstunden, schlechter Lichtverhältnisse und Belüftung, mangelhafter Temperatur-Regulierung oder fehlender Schutzkleidung beim Umgang mit Chemikalien ist die Gebäudesicherheit ein grosses Problem.

Fabriken der Textilindustrie sind vielfach in desolatem Zustand und teils wegen Überlastung oder unterlassenen Reparaturen sogar einsturzgefährdet. Oft fehlen selbst grundlegende Sicherheitsvorkehrungen wie Notausgänge, Feuertüren oder sichere elektrische Installationen. Vielerorts kann zudem durch unsachgemäss gelagertes Material Feuer ausbrechen.

Obwohl kaum vorstellbar, sind Tausende Frauen und Männer in Heimarbeit noch stärker gefährdet als ihre Kolleginnen und Kollegen in den Fabriken. Ihre Arbeitsplätze sind völlig unreguliert und werden auch nie inspiziert. Sie arbeiten ebenfalls oftmals ohne Schutzkleidung und in Räumen, die nicht für die Textilarbeit geeignet sind.

Gebäudesicherheit

Das bis heute grösste Unglück in der Geschichte der Textilindustrie, der Einsturz des Rana Plaza-Fabrikgebäudes, ereignete sich am 24.04.2013 in Savar nahe der bangladeschischen Hauptstadt Dhaka.

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Die Ruine des Rana Plaza Fabrikgebäudes.

Ein neunstöckiges Gebäude, welches fünf Textilfabriken beherbergte, stürzte in sich zusammen und forderte 1‘138 Menschenleben sowie über 2‘000 Verletzte. In zwei der fünf Fabriken waren einige Monate zuvor Fabrik-Audits der Business Social Compliance Initiative (BSCI)“ durchgeführt worden – die schwerwiegenden Sicherheitsmängel waren dabei aber unentdeckt geblieben. Bereits 2005, im Nachgang des Einsturzes der bangladeschischen Fabrik „Spectrum“, bei dem 64 Menschen ihr Leben verloren, forderte die Clean Clothes Campaign (CCC) eine nachhaltige Lösung der Sicherheitsprobleme in der Industrie und brachte gemeinsam mit lokalen Gewerkschaften erste Schritte hin zu einem Gebäudesicherheitsabkommen für Bangladesch ins Rollen.

Feuersicherheit und elektrische Installationen

Neben der strukturellen Sicherheit der Gebäude ist der Brandschutz eine der wichtigsten und gleichzeitig eine der am meisten vernachlässigten Sicherheits-Massnahmen am Arbeitsplatz. Das Fehlen von feuersicheren Fluchtwegen, verschlossene Türen, vergitterte Fenster oder defekte Feuerlöscher kosten bei Fabrikbränden immer wieder Menschenleben: So zum Beispiel im Februar 2010, als bei einem Feuer in der Fabrik „Garib & Garib“ im bangladeschischen Gazipur 21 Menschen ums Leben kamen und weitere 50 verletzt wurden. Ein elektrischer Kurzschluss hatte den Brand im ersten Stock ausgelöst. Das Feuer breitete sich rasend schnell auf das mehrstöckige Gebäude aus, da hochentzündliche Materialien falsch gelagert wurden. Weil zudem Notausgänge blockiert waren, schloss das Feuer die Beschäftigten in den oberen Stockwerken ein. 

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Verschlossene Notausgänge, vergitterte Fenster und versperrte Treppenhäuser kosten bei Fabrikbränden immer wieder Menschenleben.

Ein ähnliches Schicksal ereilte die Näherinnen und Näher der „Ali Enterprise“-Fabrik im pakistanischen Karachi. Am 11. September 2012 ereignete sich in einer Textilfabrik das schlimmste Industrieunglück in der Geschichte Pakistans: Verschlossene Notausgänge, vergitterte Fenster und versperrte Treppenhäuser verunmöglichten 254 Menschen die Flucht aus der Flammenhölle. Besonders schockierend: Nur wenige Wochen vor dem Brand wurde die Fabrik auditiert und erhielt daraufhin das internationale Zertifikat SA8000, welches die Einhaltung von arbeitsrechtlichen Standards sowie die Arbeitsplatzsicherheit garantieren sollte. Es sollte vier Jahre dauern, bis der Hauptabnehmer der Fabrik, der deutsche Kleiderdiscounter KiK, in ein Entschädigungsabkommen einwilligte, und damit den Betroffenen endlich Zugang zu Wiedergutmachung ermöglichte.

Ein weiterer verheerender Fabrikbrand ereignete sich am 24. November 2012 in der Tazreen-Fabrik in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka. Verschlossene Ausgänge verunmöglichten den Arbeiterinnen und Arbeitern die Flucht und kosteten schliesslich 112 Menschen das Leben. Trotz des im Erdgeschoss lodernden Feuers waren die Arbeiterinnen und Arbeiter angehalten, weiterzuarbeiten. Als diese feststellten, dass es keinen sicheren Fluchtweg mehr gab, brach Panik aus. Der Ausgang war versperrt, das Licht ging aus und die Fabrik füllte sich rasend schnell mit Rauch. Daraufhin sprangen einige in ihrer Verzweiflung gar aus den Fenstern.

Gesundheitsschutz

Aufgrund fehlender oder mangelhafter Arbeitskleidung sowie dem Einsatz gesundheitsschädigender Techniken sind die Näherinnen und Näher häufig ungeschützt gefährlichen Substanzen ausgesetzt. Eines der grössten Gesundheitsrisiken stellt das sogenannte Sandstrahlen dar. Für einen zeitgemässen Vintage-Look werden Jeansprodukte mittels dieser Technik auf alt getrimmt. Tödliche Nebenwirkung: Sandstrahlerinnen und Sandstrahler erkranken an akuter Silikose. Diese unheilbare Lungenkrankheit entsteht beim Einatmen von quarzhaltigem Staub. Bis auf eine Lungentransplantation ist bisher kein Heilmittel bekannt.

Abdulhalim Demir, Vertereter der Clean Clothes Campaign Türkei und Ashoka fellow im 2016, erzählt, wie die Situation der Textilarbeitenden verbessert werden soll.

Grosse Gesundheitsrisiken birgt zudem die Verarbeitung von Leder. Chemikalien und Klebstoffe, die entweder bereits im Leder enthalten sind oder für die Fertigung der Produkte benötigt werden, können zu Atemwegs- oder Hauterkrankungen, Verbrennungen und Organschäden führen. In den Gerbereien wird zudem zur Behandlung des Leders vielerorts Chrom eingesetzt, welches krebserregend ist. Auch jene Arbeiterinnen und Arbeiter, die in einem nächsten Schritt Lederprodukte wie Schuhe herstellen, sind dieser giftigen Chemikalie oft ungeschützt ausgesetzt.

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