Handelspolitik
Hintergründe Handelspolitik
Handelspolitik und Menschenrechte
Weitere Informationen
-
Menschenrechtsanalysen
«Der Welthandel muss in den Dienst der Rechte der Menschen gestellt werden. Das heisst, dass die Menschenrechte den Rahmen für alle handelspolitischen Entscheide bilden müssen.» Dies forderte Public Eye bereits vor mehr als zehn Jahren in ihrer Dokumentation «Menschen-Rechte Wirtschaft».
Und die Forderung ist aktueller denn je, denn in bilateralen Freihandelsabkommen (FHA) sind Konflikte zwischen Handel und Menschenrechten noch wahrscheinlicher, da diese im Vergleich zu multilateralen Abkommen Bestimmungen enthalten, die noch weitergehen. Dies gilt insbesondere für FHA mit Ländern, die bezüglich Verletzungen von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten am akutesten gefährdet sind.
So kann die massive Senkung von Importzöllen den Ländern des Südens wichtige Einnahmequellen entziehen, auf die sie zur Unterstützung der ärmsten und schwächsten Bevölkerungsgruppen dringend angewiesen sind. Dadurch können Rechte auf soziale Sicherheit, auf angemessene Ernährung oder auf Bildung verletzt werden.
Weiter kann die in FHA regelmässig geforderte Stärkung des Patentschutzes negative Folgen für das völkerrechtlich garantierte Recht auf Gesundheit haben (siehe dazu unsere Dokumentation «Menschenrechte sind nicht Verhandlungssache»).
Vorgängige Menschenrechtsanalysen gefordert
UNO-Menschenrechtsgremien weisen seit Jahren auf die Gefahr von Menschenrechtsverletzungen durch FHA hin. So hat die UNO die Schweiz wiederholt aufgefordert, die potenziellen Auswirkungen ihrer Freihandelsabkommen auf die Menschenrechtssituation in den Partnerländern abzuschätzen.
Menschenrechtliche Analysen erlauben es, mögliche Auswirkungen von FHA auf die Menschenrechtssituation im Partnerland zu identifizieren. Ausserdem helfen sie, Licht in die üblicherweise intransparenten Verhandlungsprozesse zu bringen, die Aushandlung von konfliktiven Interessen demokratischer zu gestalten und die Entscheide einer öffentlichen Überprüfung zu unterziehen.
Public Eye fordert denn auch seit Jahren vom in Handelsfragen federführenden SECO (Staatssekretariat für Wirtschaft), solche Menschenrechtsanalysen durchzuführen – und zwar bevor die Verhandlungen zu einem neuen FHA abgeschlossen sind.
Weil sich das SECO hartnäckig weigert, vorgängige Menschenrechtsanalysen durchzuführen, ist Public Eye zusammen mit internationalen Partnerorganisationen selbst aktiv geworden. In einer umfassenden Studie analysierten sie die potenziellen Auswirkungen von strengeren Sortenschutzgesetzen – eine Standardforderung der Schweiz in FHA – auf die Menschenrechtssituation von Kleinbauerfamilien.
-
Palmöl
© Brot für alle (BFA)
Lippenstift, Babynahrung, Reinigungsmittel, Pizzateig, Kerzen, Gemüsebouillon, Pastetli, Duschgel, Knuspermüesli, Gesichtscrème, Glacé: Palmöl steckt heute in vielen Alltagsprodukten. Entsprechend ist Palmöl in kurzer Zeit zum weltweit meist konsumierten pflanzlichen Öl avanciert.
Rund 85% des Palmöls stammen aus den beiden südostasiatischen Ländern Malaysia und Indonesien. Allein in Malaysia wächst die mit Ölpalmplantagen bepflanzte Fläche seit 30 Jahren um durchschnittlich 500 Fussballfelder – pro Tag!
Die Folgen der stetig steigenden Palmölproduktion sind verheerend: Sie führt zur rasanten Zerstörung des Regenwalds, Bauernfamilien werden enteignet, und auf den Plantagen kommt es immer wieder zu Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen, die bis hin zu Zwangsarbeit und Schuldknechtschaft reichen.
Während die Verhandlungen zum Abschluss eines Freihandelsabkommens zwischen der Schweiz (im Rahmen der EFTA) und Malaysia noch andauern, konnte das Abkommen mit Indonesien Ende 2018 unterzeichnet werden. Beide Länder haben von der Schweiz bzw. der EFTA eine Zollbefreiung für Palmölimporte gefordert. Dadurch würde der Konsum von Palmöl weiter angeheizt, was zusätzliche Anreize für eine Produktionsausdehnung zur Folge hätte.
Breiter Widerstand zeigt erste Erfolge
Gegen eine solche Entwicklung, die jeglichen Nachhaltigkeitsbemühungen zuwiderläuft, hat sich in der Schweiz breiter Widerstand formiert. Eine Koalition aus Schweizer Umwelt-, Menschenrechts-, Konsumentinnen- und Bauernorganisationen forderte vom Bundesrat den Ausschluss von Palmöl aus den laufenden Verhandlungen mit Malaysia und Indonesien.
Mit Recherchen, Lobbying und Kampagnen versucht die Palmöl-Koalition, ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Dabei wurde sie auch durch parlamentarische Vorstösse und Standesinitiativen aus verschiedenen Kantonen unterstützt. Im Fall des Indonesien-Abkommens konnte bereits ein Teilerfolg erzielt werden: So soll Palmöl nicht zollbefreit, sondern lediglich mit einem reduzierten Zollsatz importiert werden können. Und dieser gilt nur für eine beschränkte Menge. Ausserdem wurden im Abkommen Bestimmungen zum nachhaltigen Anbau von Ölpalmen aufgenommen. Damit scheint sich zunehmend auch auf politischer Ebene ein langjähriges Anliegen von Public Eye durchzusetzen: Freihandel darf nicht auf Kosten von Umwelt und Menschenrechten gehen.
-
Geistige Eigentumsrechte
Geistige Eigentumsrechte wie Patente, Sorten- oder Markenschutz sind wichtige Instrumente, um Urheber und Urheberinnen für ihre Innovationen zu entschädigen. Dem gegenüber steht das öffentliche Interesse an der Nutzung dieser Innovationen. Die Herausforderung bei der Ausgestaltung geistiger Eigentumsrechte besteht darin, ein Gleichgewicht zwischen diesen beiden Interessenslagen zu finden.
Mit der heutigen Handelspolitik, die einseitig auf die Stärkung der geistigen Eigentumsrechte fokussiert, besteht die Gefahr, dass dieses Gleichgewicht aus dem Lot gerät. In Freihandelsabkommen mit Entwicklungs- und Schwellenländern gehören Forderungen nach umfassenderen und stärkeren geistigen Eigentumsrechten seitens der Industrieländer – die weitaus die meisten Schutzrechte besitzen – zum Standard.
Schweiz nimmt Menschenrechtsverletzungen in Kauf
Die Schweiz tut sich hier besonders hervor. Regelmässig fordert sie im Rahmen von Freihandelsabkommen von ärmeren Ländern, den Schutz von geistigen Eigentumsrechten auszuweiten. Dabei birgt gerade die für die Schweiz besonders im Fokus stehende Stärkung von Patenten auf Medikamenten und von Sortenschutzrechten auf Saatgut die Gefahr, zu Menschenrechtsverletzungen beizutragen.
Denn umfassende und mit überlangen Laufzeiten ausgestattete Patente verteuern Medikamente. Damit werden überlebenswichtige Medikamente insbesondere für ärmere Bevölkerungsschichten in Entwicklungsländern unerschwinglich. Der Zugang zu solchen Medikamenten ist jedoch ein verbrieftes Menschenrecht – und der fehlende Zugang entsprechend eine Verletzung des Rechts auf Gesundheit.
Auch ein höheres Schutzniveau für Saatgut kann dazu führen, dass sich Kleinbauern und Kleinbäuerinnen das notwendige Pflanzmaterial nicht mehr leisten können. Und auch hier geht es um Menschenrechtsfragen. Wie Public Eye und ihre Partnerorganisationen in einer Menschenrechtsanalyse aufgezeigt haben, erschweren stärkere Sortenschutzrechte den Zugang zu Saatgut für kleinbäuerliche Haushalte und unterminieren damit ihr Recht auf Nahrung.
Deshalb wehrt sich Public Eye – zusammen mit vielen weiteren Organisationen – gegen die in Schweizer Freihandelsabkommen regelmässig erhobene Forderung nach stärkeren Eigentumsrechten. Denn Menschenrechte dürfen nicht Verhandlungssache sein.