Unser globales Agrar- und Ernährungssystem

Erfahren Sie mehr über die Komplexität unseres globalen Agrar- und Ernährungssystems: Ausgehend von einer grafischen Darstellung bietet Ihnen diese Seite grundlegende Informationen und Kennzahlen sowie Ideen und Anregungen, um das Thema in Schule, Unterricht und an weiteren Lernorten didaktisch umzusetzen.

Didaktische Überlegungen

Hier finden Sie die alle didaktischen Hinweise als PDF.

Weitere Informationen

  • Relevanz des Themas, Verbindung zum Lehrplan

    Ernährung ist ein Grundbedürfnis und das Recht auf Nahrung ein Menschenrecht. Während in einigen Regionen Überkonsum und Food Waste vorherrschen, ist in anderen Teilen der Welt Ernährung ein täglicher Kampf. Dazu trägt auch unser globales Agar- und Ernährungssystem, also die Art und Weise wie Nahrungs-, Genuss- und Futtermittel produziert, gehandelt, verarbeitet und vermarktet werden, massgeblich bei. Dieses System hat sich in den letzten Jahrzehnten erheblich verändert. Eine direkte Verbindung von «farm to fork», also vom Feld bis auf den Teller, zu erkennen wird nicht nur für Kinder und Jugendliche immer schwieriger.

    Was geschieht zwischen dem Ausbringen von Saatgut auf einem Feld bis zum Verzehr eines mehr oder weniger verarbeiteten Nahrungsmittels? Welche Akteure sind entlang solcher Wertschöpfungsketten beteiligt? Was sind die sozialen, gesundheitlichen und ökologischen Auswirkungen?

    Die Bearbeitung solcher Fragen im Unterricht ermöglicht es, die Komplexität unseres globalen Agrar – und Ernährungssystems ausgehend von der Lebenswelt der Schüler*innen zu thematisieren und anzugehen.

    Dieses Thema lässt sich in mehreren Fächern im Unterricht behandeln, es eignet sich aber auch für gesamtschulische respektive inter- oder transdisziplinäre Projekte.


    Verbindungen zum Lehrplan 21: Sek I

    Natur und Technik 9.3:
    Die Schüler*innen können Einflüsse des Menschen auf regionale Ökosysteme erkennen und einschätzen.

    Wirtschaft, Arbeit, Haushalt 4.5:
    Die Schüler*innen können globale Herausforderungen der Ernährung von Menschen verstehen.

    Räume, Zeiten, Gesellschaften 3.1:
    Die Schüler*innen können natürliche Systeme und deren Nutzung erforschen.

    Räume, Zeiten, Gesellschaften 3.2:
    Die Schüler*innen können wirtschaftliche Prozesse und die Globalisierung untersuchen.

    Räume, Zeiten, Gesellschaften 5.2:
    Die Schüler*innen können aufzeigen, wie Menschen in der Schweiz durch wirtschaftliche Veränderungen geprägt werden und wie sie die Veränderungen gestalten.


    Verbindungen zu den Lehrplänen: Sek II

    Berufliche Grundbildung: Rahmenlehrplan Allgemeinbildung in der beruflichen Grundbildung (ABU)
    Lernbereich Gesellschaft: Aspekte Ökologie, Politik, Technologie und Wirtschaft.

    Maturitätsschulen: Rahmenlehrplan (EDK)
    Fächer: Geografie, Wirtschaft/Recht, Philosophie, Anwendungen der Mathematik, Naturwissenschaften.

  • Verbindung zu BNE

    Die Auseinandersetzung mit unserem globalen Agrar- und Ernährungssystem ermöglicht eine Beschäftigung mit allen Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung.

    • Wirtschaft: grosse Unternehmen der Agrar- und Ernährungsindustrie und ihre zunehmende Marktkonzentration, der globale Handel, Einzelhandel, Direkthandel, usw.
    • Umwelt: Agrarrohstoffe, die mit der Nahrungsmittelproduktion verbundene Umweltverschmutzung und ihre Auswirkungen auf den Klimawandel, die unterschiedlichen und mehr oder weniger umweltfreundlichen Anbaumethoden, usw.
    • Gesellschaft: soziale Auswirkungen im Zusammenhang mit der Nahrungsmittelproduktion, den Konsumgewohnheiten, verarbeiteter Nahrung und Gesundheit, Ernährungssouveränität, Armut und Hunger, usw.
    • Zeit: die Veränderungen bei den Produktionsmethoden seit der Zeit unserer Grosseltern oder Vorfahren bis zur globalisierten Agrar- und Lebensmittelproduktion, usw.
    • Raum: die Globalisierung der Agrar- und Ernährungsindustrie (lokal vs. global), globale Wertschöpfungsketten, nationale und internationale Akteure, usw.

    BNE (Bildung für Nachhaltige Entwicklung) fördert aktive, partizipative Arbeitsmethoden und kooperatives Lernen, damit Schüler*innen nützliche Fähigkeiten zur Gestaltung einer nachhaltigen Welt entwickeln können. Projektarbeit, Rollenspiele und beispielsweise Umfragen in der Gemeinde sind alles Methoden, um den Perspektivenwechsel oder kritisches und kreatives Denken zu üben – die zu den Schlüsselkompetenzen des 21. Jahrhunderts gehören.

  • Umsetzungsideen für die Sekundarstufe I und/oder II

    Für die Thematisierung des Agrar- und Ernährungssystems als Ganzes und für drei Stufen des Agrar- und Ernährungssystems, die Produktion, den Detailhandel und den Konsum, finden Sie im folgenden Umsetzungsideen für die Sekundarstufe I und/oder II. Diese wurden ausgehend von der Grafik oben entwickelt. Andere Stufen können je nach den Bedürfnissen und Wünschen der Lehrpersonen und der Schüler*innen im Unterricht vertieft werden. Zusätzliche Informationen, die Lehrpersonen bei der Vorbereitung ihres Unterrichts helfen können, finden Sie weiter unten auf der Seite​​​​​​.

    Unser globales Agrar- und Ernährungssystems als Ganzes

    • Mit allgemeinen Fragen zu den Wertschöpfungsketten von Agrarprodukten und Nahrungsmitteln starten. Zum Beispiel: Welche Stufen durchläuft ein Lebensmittel heute, bis es auf unserem Teller landet? Wie kann man die einzelnen Stufen beschreiben?

    • Mit einem Beispiel verdeutlichen: Ausgehend von einem selbstgewählten alltäglichen Nahrungsmittel (Bsp. Brot) sollen die Schüler*innen anhand der Grafik erklären, welche Stufen es bis zum Genuss durchläuft. Antwortbeispiel für Brot (konventionelle Landwirtschaft): das notwendige Getreide wird aus Saatgut und mit Hilfe von Düngemitteln und Pestiziden angebaut (Produktion); es wird dann von den Produzierenden über Zwischenhändler oder direkt an grosse Agrarhändler verkauft (Handel); welche dieses dann zu Zwischenprodukten oder Lebensmittel (Bsp. Mehl) weiterverarbeiten. Daraufhin wird es mit anderen Zutaten zu Brot verarbeitet (Verarbeitung); schliesslich wird das Brot entweder direkt an den Verbraucher oder die Verbraucherin verkauft oder der Verkauf geschieht via Zwischenhandel (Detailhandel).

    • Thematisierung der Veränderungen in der Produktion von Lebensmitteln: früher vs. heute. Beispielsweise: wie sah die Wertschöpfungskette von Lebensmitteln in der Zeit unserer Grosseltern und Urgrosseltern aus? Welche Unterschiede sind dabei im Vergleich zur heutigen Wertschöpfungskette erkennbar? Was sind die Vor- und Nachteile der beiden Wertschöpfungsketten? Was hat uns veranlasst, vom einen Modell auf das andere umzusteigen? Und wie sieht ein zeitgenössisches Beispiel von lokaler/regionaler Landwirtschaft aus? (Hinweis: das globale Ernährungssystem, wie es in der Grafik beschrieben wird, macht nur zwischen schätzungswiese 30 und 40% der globalen Ernährung aus. In weiten Teilen der Welt sind viele Menschen nicht in das globale Ernährungssystem eingebunden.) Antwortbeispiel: Um vom «traditionellen» Modell zur heutigen Wertschöpfungskette von Lebensmitteln zu gelangen, haben drei Veränderungen stattgefunden; die beschleunigte Globalisierung, die Industrialisierung/Outsourcing und die Marktkonzentration zugunsten grosser Lebensmittelunternehmen.

    • Fokussierung auf multinationale Konzerne, welche die Märkte kontrollieren (Saatgut, Düngemittel, Pestizide, Agrarrohstoffe, usw.) und auf verschiedenen Stufen der Agrar- und Ernährungsindustrie tätig sind (Produktion, Handel, Verarbeitung, usw.). Zum Beispiel: Welche Unternehmen sind weltweit führend auf dem Saatgutmarkt? Welche Unternehmen sind auf mehreren Stufen der Agrar- und Ernährungsindustrie tätig? Welche Rolle spielt die Schweiz im Handel mit Agrarrohstoffen?

    • Besuch eines Betriebs, in welchem Lebensmittel hergestellt oder verarbeitet werden.

    Produktion

    • Auftrag an die Schüler*innen: einzeln oder in Gruppen ein Mindmap über die sozialen und ökologischen Auswirkungen der Herstellung eines Lebensmittels (z.B. Orangen, Kakao) im Produktionsland erstellen. In einem nächsten Schritt werden die erarbeiteten Inhalte im Plenum in einem einzigen Mindmap zusammengefasst und mittels Fragen ins Plenum weiter verdichtet und ergänzt. Eröffnung einer Diskussion, beispielswiese mittels dieser Fragen: Wer sind die Akteure, welche die Fäden ziehen? Wie können die Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern verbessert werden? Welche Akteure haben diesbezüglich welche Verantwortung? Wie kann der Schutz der Menschenrechte und Umwelt in den Produktionsländern verstärkt werden? Welche Rolle spielt die Schweiz dabei?

    • Mit Partizipation der Schülerinnen und Schüler wird ein Besuch auf einem landwirtschaftlichen Betrieb in der Region organisiert.

    Detailhandel

    • Vergleich der Vor- und Nachteile des Kaufs von Lebensmitteln auf einem landwirtschaftlichen Betrieb, dem Markt und in einem grossen Supermarkt. Dazu wird ein Rollenspiel organisiert und die Klasse in Gruppen aufgeteilt, z.B. Landwirt*in  (verkaufen direkt auf dem Betrieb), lokale Ladenbesitzer*in, Verkaufspersonal eines Supermarktes/ Chefin oder Chef einer Supermarktkette sowie Konsumierende mit verschiedenen Bedürfnissen (Familie, Personen mit hoher resp. niedriger Kaufkraft), usw. Der Auftrag: Die einzelnen Akteure (Rollen) sollen nun Argumente zusammentragen, um Menschen davon zu überzeugen, die Produkte ihres jeweiligen Betriebes zu konsumieren. Anschliessend tragen die Akteure ihre Argumente vor, resp. eine Debatte über die verschiedenen Arten des Konsums wird eröffnet.

    • Fokus auf den Detailhandel in der Schweiz. Z.B. Wer sind die wichtigsten Unternehmen in diesem Sektor? Wie hoch ist ihr Marktanteil auf nationaler und internationaler Ebene? Wie hoch ist ihr Umsatz? Vergleich des Umsatzes mit dem BIP von Ländern auf mehreren Kontinenten. Befragung von Akteuren des Einzelhandels in der Nähe der Schule.

    Konsum

    • Herkunft unserer Lebensmittel: Z.B. verschiedene Menüs zusammenstellen und danach untersuchen, woher die Zutaten für dieses Menü stammen; den Weg zwischen Herstellungs- und Verarbeitungsort und Ort des Gebrauchs nachvollziehen und berechnen; Diskussion des ökologischen Fussabdrucks und mögliche Massnahmen, die zur Verkleinerung dessen ergriffen werden können. Ein schmackhaftes, gesundes sowie sozialverträglich und umweltfreundliches Menu gemeinsam zusammenstellen, zubereiten und geniessen.

    • Lebensmittelabfälle auf globaler, nationaler/lokaler und individueller Ebene: Wo im System entstehen die meisten Abfälle? Wie könnte man diese Verschwendung auf individueller und kollektiver Ebene lösen? Welche konkreten Massnahmen könnten wir innerhalb unserer Schule angehen (Schulgarten, Pausenkiosk/Kantine, …)?

Einführung: Unser globales Agrar- und Ernährungssystem 

Bevölkerungswachstum, steigende Einkommen und Urbanisierung treiben die Nachfrage nach Lebensmitteln, insbesondere nach Fleisch und verarbeiteten Produkten sowie Agrotreibstoffen, weltweit in die Höhe. Gepaart mit einer auf Freihandel ausgerichteten Wirtschaftspolitik, einem vielerorts auf Export ausgerichteten Entwicklungsmodell sowie technologischen Fortschritten hat dies in den letzten Jahrzehnten einen radikalen Wandel unseres globalen Agrar- und Ernährungssystems in Gang gesetzt. 

Wenige multinationale Unternehmen kontrollieren heute weite Teile dieses auf globalen Wertschöpfungsketten basierenden Systems. Sie bestimmen weitgehend, unter welchen Bedingungen jene landwirtschaftlichen Rohstoffe angebaut, transportiert, verarbeitet und vermarktet werden, welche schliesslich weltweit in Nahrungs- und Genussmitteln, Agrotreibstoffen oder Textilien landen. Die Marktmacht dieser Firmen beschränkt sich nicht auf einzelne Stufen dieser Wertschöpfungsketten, wie den Anbau oder die Verarbeitung. Sie breiten sich zunehmend über mehrere Stufen aus und erlangen dadurch noch mehr Einfluss über unser Agrar- und Ernährungssystem. Ihnen gegenüber stehen Millionen von Bauern und Lohnarbeiter*innen, die ungleich weniger Macht haben und sich kaum gegen die vielerorts ausbeuterischen und gesundheitsschädigenden Arbeitsbedingungen wehren können. Mit der Machtasymmetrie einher geht eine sehr ungleiche Verteilung an Wertschöpfung. Während viele Unternehmen Milliardenumsätze machen, bleibt den Produzierenden meist kein existenzsicherndes Auskommen. Zudem verursacht das globale Agrar- und Ernährungssystem massive Treibhausgasemissionen, führt vielerorts zu Konflikten um Land und Wasser und verbraucht ca. 75% der gesamten Landwirtschaftsfläche. Dennoch versorgt es nur etwa einen Drittel der Weltbevölkerung mit Nahrung. Die Mehrheit ernährt sich mittels lokaler oder regionaler Ernährungssysteme.

Die Schweiz spielt im globalen Agro-Food-Sektor als Sitzstaat vieler multinationaler Unternehmen, z.B. dem Pestizid- und Saatguthersteller Syngenta oder dem weltgrössten Lebensmittelhersteller Nestlé, eine wichtige Rolle. Auch die weltweit wichtigsten Agrarhändler wickeln ihre Handelsgeschäfte grösstenteils über die Schweiz ab und machen sie dadurch zum wohl grössten Handelsplatz für Agrarrohstoffe.

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Input 

Landwirtschaftliche «Inputs» oder Betriebsmittel sind Ressourcen, die über grundlegende Produktionsfaktoren wie Land, Wasser oder Arbeitskraft hinaus in der Tier- und Pflanzenproduktion eingesetzt werden. Dazu zählen Düngemittel, Pestizide, Saatgut und Pflanzenzucht ebenso wie Tierzucht und -genetik, Tiermedizin, Energie, Maschinen und andere technische Hilfsmittel sowie zunehmend elektronische Daten und digitale Technologien. Futtermittel sind sowohl Inputs für die Tierproduktion als auch landwirtschaftliche Erzeugnisse, da sie in der Regel aus pflanzlichen Rohstoffen wie Soja hergestellt werden.

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  • Input-Markt

    Beispiellose Konsolidierungswelle 

    Die ohnehin grosse Marktkonzentration in den verschiedenen Input-Sektoren nimmt weiter zu. Insbesondere seit 2018 gab es gewichtige Übernahmen und Fusionen: Monsanto wurde vom Pestizid- und Saatgutkonzern Bayer gekauft, Dow und Dupont fusionierten zum Agrochemiegiganten Corteva, Syngenta wurde 2020 mit dem Düngerhersteller Sinochem und der Pestizidfirma ADAMA zusammengelegt, und aus der Fusion von Agrium und PotashCorp ging mit Nutrien Ltd. der grösste Düngerkonzern der Welt hervor. Im Bereich Tiermedizin beherrschten 2018 vier Unternehmen 60% des Marktes. Dabei handelt es sich allesamt um Tochtergesellschaften oder Spin-Offs der noch mächtigeren globalen (Human-)Pharmakonzerne. So ist Zoetis, der grösste Anbieter von Tiermedizin, ein Spin-Off des Pharmariesen Pfizer.  

    Sektorübergreifende Konzentration 

    Nicht nur die Marktanteile der Firmen innerhalb einzelner Sektoren werden laufend grösser, auch die sektorübergreifende Konzentration nimmt zu. Beispielsweise steigen einige Pestizidkonzerne, die schon heute zugleich die grössten Anbieter von Saatgut sind, ins Düngergeschäft ein. Und die Agrochemie- und insbesondere die Agrartechnikkonzerne entwickeln sich zu Anbietern von Technologien und Daten. Dazu machen sie gemeinsam Geschäfte, kaufen Technologiefirmen oder kooperieren mit Datenriesen wie Google oder Amazon. Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung ist von einer zunehmenden Konzentration in der Agrartechnikbranche und weiteren Übernahmen und Fusionen innerhalb der gesamten Inputindustrie auszugehen.    

    Abhängigkeit der Bäuerinnen und Bauern 

    Heute werden die meisten landwirtschaftlichen Betriebsmittel nicht mehr auf dem Hof produziert, sondern zugekauft. Konzerne und lokale Anbieter verkaufen oft verschiedene Inputs wie Saatgut, Pestizide und Dünger kombiniert in «Paketen». Insbesondere bei meist nicht versicherten und ohnehin in grosser Armut lebenden Kleinbäuerinnen und -bauern können die teuren Pakete zu Verschuldungen und problematischen Abhängigkeitsverhältnissen führen. Die zunehmende Machtkonzentration verschärft bereits bestehende Ungleichgewichte zwischen immer grösseren Konzernen und Kleinbauern mit geringer Verhandlungsmacht.  

  • Pestizide

    Seit 1990 hat sich die Verwendung landwirtschaftlicher Pestizide weltweit verdoppelt. Heute werden jährlich mehr als drei Millionen Tonnen Chemikalien gegen Unkräuter, Pilzkrankheiten oder Insekten versprüht. Während vor 30 Jahren global noch die grössten Mengen in Industriestaaten eingesetzt wurde, werden heute immer mehr Pestizide in Entwicklungs- und Schwellenländern ausgebracht. Brasilien, China und Argentinien allein versprühen 40%. Insbesondere in Südamerika wird ein grosser Teil der Pestizide im Anbau von Futtermittelsoja und anderen international gehandelten Agrarrohstoffen verwendet.  

    Schweizer Firma kontrolliert einen Viertel des Markts

    Der Pestizidmarkt, dessen globaler Wert 2019 auf knapp 60 Milliarden US-Dollar geschätzt wurde, wird von immer weniger und immer grösseren internationalen Agrochemiekonzernen dominiert. Die fünf grössten, die Schweizer Syngenta, die deutschen BASF und Bayer sowie die US-amerikanischen Konzerne FMC und Corteva beherrschten 2019rund 70% des Markts. Marktführer Syngenta kommt allein auf 25%.   

    Gefährliche Doppelstandards 

    In Entwicklungs- und Schwellenländern werden besonders viele sogenannt hochgefährliche Pestizide versprüht, also solche, die besonders gesundheitsgefährdend oder umweltschädlich sind. Die EU und die Schweiz haben mittlerweile viele dieser Stoffe verboten. Trotzdem verkaufen u.a. europäische Konzerne genau diese Pestizide in Ländern, in denen die Regulierung und ihre Durchsetzung schwächer und die Anwendungsrisiken besonders gross sind. Gleichzeitig importiert die EU in grossen Mengen Lebens- und Futtermittel aus den Agrarstaaten, wo diese problematischen, EU-weit verbotenen Stoffe verwendet werden.  

    Verheerende Gesundheitsfolgen 

    Jährlich vergiften sich weltweit 25 Millionen Menschen akut an Pestiziden und mehr als 200'000 sterben an den Folgen. 99% dieser tödlichen Vergiftungen ereignen sich in Entwicklungs- und Schwellenländern. Ungefähr zwei Drittel sind suizidbedingt: ein tragischer Ausdruck der wirtschaftlichen Abwärtsspirale, in der Bäuerinnen und Bauern oft gefangen sind. Diese 1990 von der Weltgesundheitsorganisation veröffentlichten Zahlen dienen bis heute als Referenz, obwohl sie das aktuelle Ausmass der Vergiftungen nicht mehr abbilden, da 2020 viel mehr Pestizide versprüht werden als noch vor 30 Jahren. Der wiederholte und langfristige Kontakt mit Pestiziden begünstigt zudem die Entwicklung verschiedener Krankheiten wie Krebs, Diabetes, Parkinson, Alzheimer, Fehlbildungen, Hormon- und Fortpflanzungsstörungen. Bestimmte Pestizide sind hochgiftig für Bienen und andere Insekten oder reichern sich im Boden, Grund- und Trinkwasser an.

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  • Saatgut

    Bäuerinnen und Bauern auf der ganzen Welt entwickeln, züchten und vermehren seit Jahrtausenden landwirtschaftliches Saatgut – die Basis unserer Ernährung. Die Vielfalt der Sorten aber auch der freie Zugang zu Saatgut für Züchterinnen und Bauern sind zentral für die Ernährungssicherheit. Beides ist heute weltweit in Gefahr.

    Ein hochkonzentrierter Markt

    2018 kontrollierten nur drei Unternehmen – Bayer, Corteva und Syngenta – mehr als 50% des globalen Geschäfts mit Saatgut. Der Konzentrationsprozess begann, als Chemieunternehmen im Zuge der Verbreitung von gentechnisch veränderten Sorten in den 1990er Jahren anfingen, zahlreiche kleine Saatgutfirmen aufzukaufen. Heute sind die drei grössten Saatgutunternehmen gleichzeitig die drei grössten Pestizidhersteller.

    Bedrohte landwirtschaftliche Vielfalt

    Die Konzerne setzen auf sehr wenige, standardisierte Hochertragssorten, die sich für industrialisierte Anbauweise, die Verarbeitung und den Transport besonders eignen. Nach Angaben der FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO hat sich die landwirtschaftliche Biodiversität zwischen 1900 und 2000 um 75% reduziert. Drei Viertel unserer Nahrung beziehen wir von nur 12 Pflanzen- und fünf Tierarten, und die Vielfalt innerhalb dieser Arten nimmt stetig ab. Für die Entwicklung von lokal angepassten Pflanzen und deren Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten, Schädlinge und Klimaveränderungen, ist jedoch der Erhalt und die Verfügbarkeit einer ausreichenden Vielfalt an Sorten zentral. Die Saatgutvielfalt und der freie Zugang zu Saatgut für Bäuerinnen sind deshalb wichtige Voraussetzungen für das Recht auf Nahrung und die Ernährungssicherheit.

    Rechte von Bäuerinnen und Bauern bedroht

    Im Gegensatz zum formellen System, in dem Saatgut von Firmen gezüchtet und verkauft wird, sichern beim informellen System die Bauern mittels Nachbau, Tausch und Verkauf auf dem lokalen Markt die Saatgutversorgung. Dadurch schaffen hunderte Millionen Kleinbäuerinnen in den Ländern des Südens eine riesige Saatgutvielfalt. Die Industrie hingegen verkauft z.B. Hybridsaatgut, das nicht so gut nachgebaut werden kann und schützt ihr Saatgut durch geistige Eigentumsrechte. Diese Patente oder Sortenschutztitel hindern die Bäuerinnen und Bauern, ihr landwirtschaftlich gewonnenes Saatgut frei wiederzuverwenden und auszutauschen. Westliche Staaten, auch die Schweiz, üben im Rahmen von Freihandelsabkommen Druck auf Entwicklungs- und Schwellenländer aus, strenge Sortenschutzgesetze einzuführen. Dadurch werden die Rechte der Bäuerinnen und Bauern und die Ernährungssicherheit bedroht.

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  • Düngemittel

    Düngung ist die Förderung von Pflanzenwachstum, -qualität und -ertrag durch die Zugabe von Nährstoffen. Dafür gibt es verschiedene Methoden wie den Einsatz von tierischem Dung, pflanzlichen Abfällen oder Asche, und – seit Mitte des 20. Jahrhunderts – von industriell hergestellten, synthetischen Düngemitteln. Diese ermöglichen zwar Produktivitätssteigerungen, verursachen aber gleichzeitig gravierende Umweltprobleme, sowohl bei der Produktion bzw. dem Abbau wie bei der Verwendung.

    Abhängig von endlichen Ressourcen

    Seit 1961 hat sich der Verbrauch synthetischer Düngemittel versechsfacht. Sie bestehen hauptsächlich aus drei Makronährstoffen: Stickstoff, dessen Herstellung auf Erdgas oder -öl basiert, sowie Phosphor und Kali, welche durch Bergbau gewonnen werden. Die globalen Phosphor- und Kalireserven sind endlich und auf sehr wenige Länder begrenzt. Die energieintensive Stickstoffproduktion hängt am Tropf von billigem Erdgas und Erdöl. Deshalb ist die Produktion von Düngemitteln geographisch stark konzentriert. China, Indien, die USA, Kanada, Russland, Weissrussland und Marokko sind die Hauptproduzenten.

    Undurchsichtiger Markt

    Das globale und lukrative Geschäft mit Düngemitteln befindet sich zunehmend in den Händen von immer weniger Unternehmen: 2018 kontrollieren die 10 grössten Düngerfirmen etwa 50% des Weltmarktes. Dieser ist äusserst intransparent und schon mehrfach wurden Kartelle gebildet.

    Klimawandel und Umweltverschmutzung

    Düngemittel verursachen viele Umweltprobleme, insbesondere die weitverbreitete exzessive Stickstoffdüngung. Dadurch hat sich die in unserer Umwelt enthaltene Stickstoffmenge seit Mitte des 20. Jahrhunderts verdoppelt. Die Anwendung führt zur Emission von Lachgas, einem starken Treibhausgas, und langfristig zur Versauerung der Böden und einer Reduktion des Humusgehalts. Hinzu kommt die systematische Verschmutzung von Gewässern, die u.a. starkes Algenwachstum und gesundheitsschädigende Trinkwasserverunreinigungen verursacht. Zu den Problemen durch den Abbau von Düngermineralien gehören Luftverschmutzung durch giftigen Staub, die Verschmutzung bis Zerstörung der natürlichen Umgebung und damit verbundene soziale und Gesundheitsfolgen.

    Ungleiche Verteilung und zweifelhafter Nutzen

    Während der Nährstoffeintrag in die Landwirtschaft in den meisten Industrie- und Schwellenländern viel zu gross ist, sind viele Entwicklungsländer heute «unterversorgt». Diese Nährstoffdefizite entstehen durch intensiven Ackerbau ohne ausreichende Düngung sowie Bodenerosion und Auswaschung. Sie sind in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft in tropischen Klimazonen besonders häufig, insbesondere in Afrika. Weil die meisten dieser Böden bereits stark degradiert sind, kann ihre Fruchtbarkeit nicht einfach durch die Zugabe von Mineraldüngern wiederhergestellt werden. Vielmehr braucht es ganzheitliche Massnahmen zum Aufbau von organischer Substanz und Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit etwa durch organische Düngung und agrarökologische Methoden. Weltweit rücken derzeit zunehmend (wieder) diese viel günstigeren und nachhaltigeren Mittel in den Vordergrund.

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Anbau und Primärverarbeitung

Die grosse Mehrheit der weltweit fast 900 Millionen Menschen, die in der Landwirtschaft tätig sind, lebt in Ländern mit niedrigem Einkommen, wo dieser Sektor nach wie vor ein wichtiger Arbeitgeber ist. Gewisse landwirtschaftliche Produkte wie Bananen oder Reis werden denn auch mehrheitlich in den Anbauländern verbraucht, nur ein Bruchteil wird international gehandelt. Einige Agrarrohstoffe wie Kakao oder Kaffee hingegen werden vor allem für Exportmärkte produziert. 

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  • Anbau

    Unterschiedliche Probleme je nach Anbausystem

    Im Anbau wird zwischen arbeitsintensiver und kapitalintensiver Produktion unterschieden. Arbeitsintensiv bedeutet, dass die wesentlichen Schritte – die Pflege der Pflanzen, das Ausbringen von Pestiziden oder die Ernte – grösstenteils von Hand stattfindet. Viel Handarbeit erfordert etwa der Anbau von Kakao durch selbständige Kleinbauern und -bäuerinnen oder die Orangenproduktion, die zunehmend in grösseren Plantagen erfolgt. Dabei kommt es vielerorts zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen wie dem Fehlen existenzsichernder Einkommen und Löhne, Kinder- und Zwangsarbeit, sowie gesundheitsschädigenden Arbeitsbedingungen. Zudem werden unabhängige Kleinproduzentinnen teils durch Agrarhändler aus dem Markt gedrängt, da die Firmen die von ihnen gehandelten Produkte zunehmend selbst anbauen. Einige der grossen Händler besitzen mittlerweile eigene Orangen-, Palmöl- oder Zuckerrohrplantagen und sind somit für die häufig auftretenden Verletzungen der Menschen- und Arbeitsrechte mitverantwortlich. In kapitalintensiven Kulturen, wo der Anbau grösstenteils mechanisiert ist, wie im Fall von Soja, Weizen oder Mais, sind direkte Menschenrechtsverletzungen seltener. Häufige Probleme sind indes Abholzung und Landraub für den steigenden Bedarf an Anbaufläche oder der grossflächige Einsatz gefährlicher Pestizide.

  • Primärverarbeitung

    Nur sehr wenige Agrarrohstoffe werden in ihrer ursprünglichen Form, d.h. als Feldfrüchte, international gehandelt. Die Lagerung und der Transport erfordern, dass praktisch alle Produkte nach der Ernte eine Primärverarbeitung (z.B. Fermentation und Trocknung von Kakaobohnen, Pressen von Palmöl-Früchten) durchlaufen. Zum Teil werden diese Schritte von den Produzierenden selbst durchgeführt, meist sind dafür jedoch Verarbeitungsanlagen nötig, welche vielerorts in Besitz der grossen Agrarhändler sind. Dadurch verbleibt den Produzierenden ein noch geringerer Anteil an der Wertschöpfung.

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Handel 

Die wichtigsten Agrarrohstoffe, gemessen an ihrem globalen Gesamthandelswert, sind Soja, Weizen und Mais. Der Handel ist sehr konzentriert: So stammen z.B. an die 90% der Sojaexporte aus nur drei Ländern: Brasilien, USA und Argentinien. Umgekehrt importiert China fast zwei Drittel des weltweit gehandelten Sojas. Indonesien und Malaysia allein sind für ca. 85% der Palmölexporte verantwortlich, während Indien und China knapp 35% der Gesamtmenge importieren. Auch der Export von Mais, Kakao, Baumwolle oder Kaffee konzentriert sich grösstenteils auf jeweils nur drei Länder. 

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  • Die Schweiz und der Agrarhandel

    Die Schweiz beherbergt die mächtigsten Agrarhändler

    Auch seitens der Firmen ist die Konzentration auf dieser Stufe gross. Wenige dafür umso mächtigere Unternehmen kontrollieren den weltweiten Handel mit Agrarrohstoffen. Der Getreide- und Sojahandel wird beispielsweise von den sogenannten ABCD-Firmen, den traditionellen Handelshäusern ADM, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus, dominiert. Und auch die Abwicklung ihrer Geschäftstätigkeiten ist geographisch konzentriert: einen beachtlichen Anteil ihres Handelsgeschäfts tätigen die Firmen aus der Schweiz. Dies macht die Schweiz heute zu der wohl grössten Handelsdrehscheibe für Agrarrohstoffe weltweit. Offizielle Zahlen sind aufgrund der Intransparenz des Sektors nicht vorhanden. Public Eye schätzt, dass mindestens 50% des Getreides, 40% des Zuckers, 30% der Kaffee- sowie Kakaobohnen und 25% der Baumwolle über Händler in der Schweiz gehandelt werden.

    Händler als Manager globaler Wertschöpfungsketten

    Die grossen Agrarhändler sind daher keine reinen Händler, sondern grösstenteils hochgradig vertikal integrierte Unternehmen, d.h. sie sind auf verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette aktiv. Sie dringen sowohl auf die vorgelagerte Anbaustufe wie in die nachfolgende Verarbeitung von Lebens- und Futtermitteln oder Agrotreibstoffen vor. Dies bedingt massive Transport- und Lagerkapazitäten. Dies bietet ihnen zudem ein zusätzliches Geschäftsfeld, da sie diese u.a. aufgrund von Angebots- und Nachfrageschwankungen nicht immer selbst ausschöpfen können. Dadurch vergrössern sie ihren Einfluss über unser gesamtes Agrar- und Ernährungssystem.

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Verarbeitung 

Im Zentrum der globalen Agro-Food-Wertschöpfungsketten werden Agrarrohstoffe zu Nahrungs- und Genussmitteln, Agrotreibstoffen, Futtermitteln, Kosmetik- und Pharmazieprodukten oder Textilmaterialien weiterverarbeitet.

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  • Weiterverarbeitung

    Während einige Rohstoffe wie z.B. Kakao, Kaffee oder Tabak vor allem als Genussmittel Verwendung finden, können andere sowohl als Lebens- und Futtermittel und teilweise als Agrotreibstoff eingesetzt werden. Zu diesen «Flex Crops», also flexibel einsetzbaren Agrarrohstoffen, zählen Soja, Weizen, Mais, Palmöl oder Zuckerrohr. Bei den meisten überwiegt in der Praxis ein Verwendungszweck. Beispielsweise wird bis zu 90% des weltweit angebauten Sojas für Futtermittel verwendet. Es steht somit in direktem Zusammenhang mit dem globalen Fleischkonsum. 

    Wenige Unternehmen kontrollieren Weiterverarbeitung

    Auch in der Verarbeitung von Agrarrohstoffen ist die Konzentration sehr weit fortgeschritten. Genauso wie für die Lagerung und den Transport wird für die Verarbeitung eine enorme Infrastruktur und damit viel Kapital benötigt. Es erstaunt deshalb nicht, dass auch diese Stufe grösstenteils von den mächtigen Agrarhändlern kontrolliert wird. Nur drei Firmen, Cutrale, Citrosuco und die aus der Schweiz operierende Louis Dreyfus, stellen z.B. knapp drei Viertel des weltweiten Orangensaftkonzentrats her. Wiederum nur drei Unternehmen, nämlich der weltgrösste Hersteller von Kakao- und Schokoladeprodukten Barry Callebaut mit Hauptsitz in der Schweiz, Cargill und Olam verarbeiten rund zwei Drittel aller Kakaobohnen.

    Die Verarbeitung und Herstellung von Lebens- oder Futtermitteln sind im Vergleich zum Handel oder der Produktion lukrativer. So machen viele Händler damit mehr Umsatz als mit dem Handel. Doch nicht nur die Händler profitieren davon, sondern auch die Länder, in denen die Produkte verarbeitet werden. Während der wenig lukrative Anbau von Agrarrohstoffen meist in Ländern mit niedrigeren Einkommen im globalen Süden stattfindet, konzentriert sich die gewinnbringendere Stufe der Verarbeitung auf den globalen Norden.

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Detailhandel 

Aufgrund einer wachsenden globalen Mittelschicht, der Urbanisierung und veränderter Ernährungsgewohnheiten werden zunehmend Nahrungsmittel nachgefragt, die transportier- und lagerfähig sind, eine lange Haltbarkeit aufweisen und leicht zubereitet werden können. Diese verarbeiteten Lebensmittel werden vor allem in Supermärkten verkauft.

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  • Detailhändler an zentraler Stelle im Agro-Food System

    Der Anteil der Supermarkt-Einkäufe in Europa bei über 50%, in Nordamerika gar bei über 90%. In Afrika, Asien und Lateinamerika liegt der Anteil schon bei rund 40%, Tendenz steigend. 

    Mit der zunehmenden Bedeutung von hochverarbeiteten (Fertig)-Produkten steigt auch der wirtschaftliche Einfluss der Detailhändler in unserem globalen Agrar- und Ernährungssystem. Während der Anteil am gesamten, entlang der Wertschöpfungskette generierten Mehrwert für Kleinbauern/Kleinbäuerinnen und Landarbeiter*innen laufend sinkt, ergattern sich vor allem Supermärkte einen immer grösseren Teil dieses Mehrwerts. Dies kommt unter anderem dadurch zustande, dass auch Detailhändler direkt bei Produzierenden einkaufen und so einen Einfluss auf die Produktionspreise haben. Aber auch vergleichsweise mächtige Marktakteure wie Lebensmittelhersteller sind oft dem Preisdruck der Supermärkte ausgesetzt. Diese wiederum geben den Druck meist direkt an die Produzierenden weiter. Zusätzliche Marktanteile verschaffen sich die Detailhändler, indem sie selbst Konsumprodukte herstellen und als Eigenmarken verkaufen. Mit ihrem direkten Zugang zu Produzierenden und Verarbeitern auf der einen und Konsumierenden auf der anderen Seite haben sie wesentlichen Einfluss auf die Bedingungen, unter denen Lebensmittel und viele weitere Produkte hergestellt und verkauft werden.

    Hinzu kommt, dass auch der Detailhandel sehr konzentriert ist. Wal-Mart, der weltgrösste Einzelhändler, macht mit seinen über 500 Milliarden USD allein über 6% des globalen Branchenumsatzes und schafft damit den Sprung unter die 20 grössten, börsenkotierten Unternehmen weltweit. In der EU teilen sich nur 10 Detailhändler fast 50 Prozent des Umsatzes. In der Schweiz sind es sogar nur zwei: Migros und Coop kommen bei Lebensmitteln gemeinsam auf einen Marktanteil von fast 70%.

Konsum 

Der global gesehen viel zu hohe materielle Gesamtkonsum und damit einhergehend auch die Verschwendung von Lebensmitteln oder Gebrauchsgegenständen hat negative ökologische und soziale Folgen.

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  • Probleme sind strukturell bedingt

    Der weltweit steigende Fleischkonsum beispielsweise führt sowohl direkt über die Viehhaltung als auch indirekt über die wachsende Nachfrage nach Futtermitteln, zu Abholzung und Landkonflikten. Viele mit (Über-)Konsum und globalen Agro-Food-Wertschöpfungsketten zusammenhängende Probleme sind strukturell bedingt. Das heisst, dass meist nicht das einzelne Produkt an sich (Soja, Kakao, Bananen, etc.) problematisch ist, sondern die globale Agrar- und Nahrungsmittelindustrie dahinter. Denn diese hat einen erheblichen Einfluss auf die Bedingungen, unter denen produziert, verarbeitet, gehandelt und vermarktet wird. Die Verantwortung dafür darf nicht auf Konsumierende abgewälzt werden, sondern obliegt vor allem jenen Akteuren, welche die Macht haben, diese Bedingungen zu verändern: Politik und mächtige Unternehmen

  • Ungleiche Konsumchancen

    Konsumchancen sind sehr ungleich verteilt: Während manche zu viel konsumieren, wird anderen der Zugang zu notwendigen Konsumgütern verwehrt. Die unterschiedlichen Möglichkeiten zu konsumieren, werfen grundlegende Macht- und Gerechtigkeitsfragen auf. Ein Mindestmass an Konsum ist Voraussetzung für ein würdiges Leben und gesellschaftliche Teilhabe. So ist auch in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgehalten, dass jedem Mensch das Recht zusteht «auf eine Lebenshaltung, die Gesundheit und Wohlbefinden einschliesslich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztlicher Betreuung und der notwendigen Leistungen der sozialen Fürsorge gewährleistet».

    Die Art und Weise, in der wir konsumieren, hat daher nicht nur grosse ökologische Auswirkungen, sondern ist auch eine Frage der globalen Gerechtigkeit. Individuelles Konsumverhalten kann einen Einfluss haben, z.B. durch die Bevorzugung von regional produzierten Lebensmitteln in Bioqualität. Um allen Menschen einen nachhaltigen Zugang zu den notwendigen Konsumgütern zu ermöglichen, braucht es jedoch neben individuellen vor allem gesellschaftliche und politische Veränderungen.

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